Tom Tailor schneidert sich eine neue IT

01.07.2003
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Ergebnisse lassen sich nachvollziehen

Einen geeigneten Partner fand Tom Tailor in TXT E-Solutions. Der in Mailand heimische Softwareanbieter führt auf seiner Kundenliste Unternehmen wie Gucci und Lacoste, ist also in der Textilbranche längst kein Unbekannter mehr. Gegenüber den Marktführern SAP, i2 Technologies und Manugistics grenzt sich TXT, so der im hessischen Gelnhausen ansässige Deutschland-Manager Joachim Gebhardt, nicht nur durch den deutlich günstigeren Anschaffungspreis, sondern auch durch die Anpassbarkeit der abgebildeten Prozesse, letztendlich also durch einen geringeren Schulungsaufwand, ab.

:„Schlechte Zeiten sind Unternehmerzeiten“, sagt Burkhard Stuhlemmer, CFO bei Tom Tailor. Deshalb investiert der Hamburger Textilimporteur in neue IT-Projekte.
:„Schlechte Zeiten sind Unternehmerzeiten“, sagt Burkhard Stuhlemmer, CFO bei Tom Tailor. Deshalb investiert der Hamburger Textilimporteur in neue IT-Projekte.

Wie Stuhlemmer bestätigt, liefert die TXT-Software anstelle einer festen Lösung eine Plattform für die Entwicklung eigener Anwendungen. So habe die Tom-Tailor-eigene IT-Mannschaft sowohl die Berechnungsparameter als auch Algorithmen - in Zusammenarbeit mit dem Softwarelieferanten - ausnahmslos selbst entwickelt. Da die eigenen Mitarbeiter auf dem Gebiet der Bedarfsplanung über umfassendes Know-how verfügten, sei ihnen der Plattformcharakter der TXT-Software willkommen.

Von ausschlaggebender Bedeutung war für Stuhlemmer auch die Tatsache, dass sich die Berechnungsergebnisse in der mit TXT erstellten Lösung nachvollziehen lassen: „Sonst erzielen wir schließlich keinen Lernfaktor.“ Damit die Parameter und Algorithmen laufend angepasst werden können, sei es zwingend notwendig, dass die mit der Pflege des Systems befasste Gruppe von Vertriebs- und Produktionsplanungs-Experten die Abweichung zwischen Vorhersage und Realität auf ihre Ursachen zurückführen könne.

Nicht verhehlen will der Finanzchef, dass auch die vergleichsweise geringen Lizenz- und Implementierungskosten für TXT sprachen. Erste Ergebnisse habe das Projektteam bereits drei Monate nach dem Start vorlegen können. Vom „Ende“ der Einführung mag Stuhlemmer in diesem Zusammenhang allerdings nicht reden: „Wir wollen dieses Projekt als Funktion etablieren, sprich: die Lösung schrittweise verfeinern.“ Der „Demand Planner“ von TXT sei an sich kein „lernendes System“. Für die Feinjustierung bedürfe es deshalb der menschlichen Intervention. Bei Tom Tailor ist dies die Aufgabe des Vertriebsleiters.

Integration mit Warenwirtschaft

Mit Hilfe der neuen Lösung für die Bedarfsplanung ist das Unternehmen nun in der Lage, jeweils für 30 Tage im Voraus abzuschätzen, wie viele Blusen oder Hemden eines Modells in welchen Größen und Farben es wahrscheinlich absetzen wird. Aus dieser Hochrechnung generiert das System automatisch eine Bestellung, die dann an den jeweiligen Lieferanten übermittelt wird - allerdings nicht, bevor der Vertriebsleiter noch einen Blick darauf geworfen hat.

In Zukunft soll die Bedarfsplanung direkt mit der Warenwirtschaft kommunizieren. Deshalb arbeiten die IT-Fachleute bereits emsig an einer Integration der jeweiligen Datenbasen. Akut wird diese Anforderung allerdings erst im Juli 2004, wenn das neue Warenwirtschaftssystem in Dienst gestellt wird. „Unsere alte, größtenteils selbst entwickelte Warenwirtschaft ist sehr stark an bestimmte Personen gebunden“, begründet Stuhlemmer den Wechsel. „Diese Abhängigkeit wiegt ihren Null-Kosten-Vorteil wieder auf.“

Schulmäßige Vorgehensweise

Im Gegensatz zur Bedarfsplanung greift Tom Tailor bei der Warenwirtschaft künftig auf eine Komplettlösung zurück. Hier sei der Kenntnisstand einfach noch nicht so hoch wie bei der Bedarfsplanung, so Stuhlemmer. Gerade deshalb machte sich Tom Tailor die Produktentscheidung nicht leicht: Zuerst nahm das Unternehmen seine Geschäftsprozesse auf und glich sie mit allen in Frage kommenden Softwareprodukten ab. Dabei schnitt das Produkt „Intex“ von der Intex EDV-Software GmbH in Saarbrücken am besten ab. Anschließend wurde der betroffene Teil der Belegschaft auf dem ausgewählten System geschult und abschließend erst das Pflichtenheft für die Implementierung erstellt. Diese schulmäßige Vorgehensweise offenbart bereits den Einfluss des „gelernten“ Unternehmensberaters Stuhlemmer.

Mit der Einführung der beiden „unternehmenskritischen“ Softwaresysteme für Bedarfsplanung und Warenwirtschaft sowie einer ebenfalls in Angriff genommenen Lösung für das Produktdaten-Management (PDM) ist die kleine IT-Mannschaft des Textilimporteurs schon sehr stark ausgelastet. Andere Vorhaben müssen deshalb vorerst zurückstehen. Weiter unten auf der To-do-Liste ist beispielsweise das Thema Customer-Relationship-Management (CRM) angesiedelt. „Wir arbeiten zwar gern mit externen Ressourcen, brauchen aber 50 Prozent eigenes Know-how in den Projekten“, lautet Stuhlemmers Credo.

Welches Vorhaben priorisiert wird, entscheidet ein Team aus Geschäftsleitung und Vorstand - immer mit Blick auf die Business-Strategie. Aufgabe der IT ist es nach Auffassung des Finanzchefs, Vorschläge für die informationstechnische Umsetzung der Strategie zu machen. Um die begrenzten Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen, hat der CFO ein Multiprojekt-Management installiert. Es soll verhindern, dass - wie in der Vergangenheit passiert - etwa 50 Projekte gleichzeitig laufen, für die es weder Personal noch eine vernünftige Dokumentation gibt.
Künftig soll die IT-Abteilung schrittweise vergrößert werden - in Einklang mit dem in der Unternehmenspolitik postulierten „organischen“ Wachstum. Allerdings will Tom Tailor in diesem Jahr rund 100 neue Mitarbeiter einstellen. Da könnte auch für die Informatik die eine oder andere zusätzliche Arbeitskraft abfallen. Schließlich hat der Vorstand eingesehen, dass Investitionen in die IT letztlich dem Geschäftserfolg zugute kommen. Und das zahlt sich nach Stuhlemmers Ansicht insbesondere dann aus, wenn die wirtschaftliche Lage weniger rosig aussieht: „Schlechte Zeiten sind Unternehmerzeiten.“