Software: Ein unsicheres Geschäft

08.08.2002
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

Wer den Turnaround geschafft hat

Gleichzeitig nennt McKinsey aber auch Beispiele prominenter Softwarefirmen, die den schnellen Weg aus einer existenziellen Krise fanden. Etwa den ERP-Spezialisten Peoplesoft, der sich 1998 nach einer übertriebenen Expansionspolitik und einer vorübergehenden Marktsättigung im ERP-Segment mit einigem Erfolg auf die Weiterentwicklung respektive Internet-Anbindung seiner Kernsuite „Peoplesoft 8“ konzentriert habe.

Ein ähnliches Muster gelte für Lotus, das sich Anfang der 90er Jahre mit seinem Tabellenkalkulationsprogramm „1-2-3“ der übermächtigen Konkurrenz von MicrosoftsExcel“ ausgesetzt sah und noch vor der Übernahme durch IBM mit Hilfe der Groupware-Plattform  „Notes“ in ein strategisch aussichtsreicheres Markt- und Kundensegment wechselte. Jüngster Fall eines gelungenen Turnarounds könnte, so McKinsey, Ariba werden. Der kalifornische Anbieter von E-Procurement-Software habe sich vom Hype um elektronische Marktplätze gelöst und konzentriere sich bei der Produktentwicklung wieder auf das, was er seinen Kunden ursprünglich versprochen habe: signifikante Kostenvorteile im Beschaffungswesen.

Bleibt die Frage, ob viele Softwarefirmen in Zeiten wie diesen überhaupt eine „zweite Chance“ erhalten. Denn was beim aktuellen McKinsey-Report nur unterschwellig zum Ausdruck kommt, sprechen Marktforschungsunternehmen wie Gartner Dataquest längst deutlicher aus: Trotz des vielfach gesungenen Hohelieds auf „Best of Breed“ dürfte der Trend zum „All-in-one“-Anbieter zunehmen. Vorboten dieser Entwicklung sind längst erkennbar: SAP als ehedem klassische ERP-Company sagt Spezialisten wie i2 und Siebel in deren Segment den Kampf an; Datenbankgigant Oracle drängt ins Applikationsgeschäft.

Dazwischen hat sich jedoch mit dem Thema Middleware und Enterprise Application Integration (EAI) eine Art Vakuum gebildet - Chance und Risiko zugleich für neue Anbieter, die sich in diesen Zukunftsmarkt wagen. Und über allem schwebt der „Glaubenskrieg“ der Softwarearchitekturen von morgen - Microsofts .NET, IBMs Interpretation der „Web-Services“, Sun Microsystems „Open Network“ und Oracles „Network Services“.

Dies zumindest ist die Auffassung der Experten von PWC, die in ihrem unlängst erschienenen „Technology Forecast 2002-2004, Navigating the Future of Software“ die Softwarebranche wieder einmal vor gravierenden technologischen Umbrüchen sehen - und ihre Erkenntnis mit der rhetorischen Frage verbinden, welche Plattformen und Anwendungen die IT-Investitionen in den kommenden Jahren wieder beflügeln werden. Glaubt man den Kernaussagen dieser jüngsten PWC-Studie, braucht es den betreffenden Herstellern jedenfalls nicht bange zu werden.

Konsolidierung ist das Gebot der Stunde

Demnach dürfte die IT und damit in erster Linie Software mehr als je zuvor als Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen betrachtet werden. Der Fokus liege dabei jedoch mehr auf der Zusammenarbeit über Firmengrenzen hinweg und in der Konsolidierung unterschiedlicher Umgebungen. Entscheidende Parameter für künftige Unternehmensanwendungen werden demnach drei Modelle sein: Anwendungsintegration, Komponententechnologie und Web-Services. „In den letzten Jahren hat eine zunehmende Zahl von Teilsystemen, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, die Komplexität der IT-Infrastrukturen insgesamt erhöht. Nun konzentriert sich die IT-Industrie wieder auf die Entwicklung der Instrumente und der Infrastruktur, die für die Integration von IT-Lösungen in allen Geschäftsbereichen benötigt werden“, lässt sich Kerstin Müller, Partnerin der Corporate-Finance-Beratung von PWC und dort für die IT-Branche verantwortlich, zitieren.

Mit diesen doch eher salbungsvollen Worten dürfte die PWC-Fachfrau vermutlich auch so manchen technologischen Irrweg schöngeredet haben, auf den die Softwarebranche ihre Kunden in der Vergangenheit gelockt hat und den diese zum Teil mit Aufwendungen in Millionenhöhe für das so genannte Customizing haben bezahlen müssen. Trotzdem: PWC erkennt keinen nachhaltigen Vertrauensverlust im Markt. Das Klima für IT-Ausgaben werde sich spätestens im kommenden Jahr wieder spürbar verbessern, hieß es bei der Präsentation der Studie vor wenigen Wochen in München.

Ihren Optimismus begründen die PWC-Experten vor allem mit zwei Trends: Einerseits würden Anwendungen zum Beispiel für das Customer-Relationship- oder Supply-Chain-Management in ihrer Funktion, etwa durch die Integration von Tools zur Personalisierung, weiter verbessert. Andererseits könnten künftige Anwendungsszenarien wie etwa Web-Services eine überzeugende Antwort „auf die Defizite bestehender Technologien“ geben. Mittelfristig die größte Stimulanz für den Softwaremarkt erhofft sich jedoch auch PWC vom Thema Mobile Computing. Viele Wireless-Internet-Lösungen und damit auch die Anbieter von morgen kenne man heute noch gar nicht, hieß es bedeutungsschwanger - konkrete Prognosen oder Szenarien blieben die Berater jedoch schuldig. Anwender wie Anbieter würden jedoch gut daran tun, sich in eine „First-Mover“-Position zu bringen.