Kandidatensuche in Xing und LinkedIn

Active Sourcing ist kein Weg, um schnell offene Stellen zu besetzen

12.08.2019
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Immer mehr Unternehmen suchen bei Xing oder LinkedIn nach potenziellen Bewerbern und versuchen sie für die offenen Jobs zu begeistern. Das ist zeitaufwändig und führt nur zum Erfolg, wenn die HR-Prozesse stimmen.

Tobias Ortner leitet das Recruiting des Engineering-Dienstleisters EDAG und hat die Personalsuche so umgekrempelt, dass dank Active Sourcing mittlerweile von 100 identifizierten Kandidaten vier ein Vertragsangebot erhalten. Zu Beginn war von 250 identifizierten Kandidaten nur einer übrig geblieben, den das Unternehmen ein Vertragsangebot unterbreiten konnte.

Tobias Ortner, Leiter Recruiting bei der EDAG Gruppe, hat die Personalsuche auf den Kopf gestellt: Sourcer identifizieren potenzielle Kandidaten und versuchen sie zu gewinnen. Von 100 Angesprochenen erhalten vier ein Vertragsangebot.
Tobias Ortner, Leiter Recruiting bei der EDAG Gruppe, hat die Personalsuche auf den Kopf gestellt: Sourcer identifizieren potenzielle Kandidaten und versuchen sie zu gewinnen. Von 100 Angesprochenen erhalten vier ein Vertragsangebot.
Foto: IHK

Kandidaten statt Bewerber

Ungeachtet dieser Erfolgsbilanz warnte Ortner auf der IHK-Konferenz "Recruiting-Trends" die anwesenden 300 Personalverantwortlichen davor, Active Sourcing als Allheilmittel für die Besetzung offener Stellen anzusehen. Damit die Ansprache extern gelingt, müssten unternehmensintern verschiedene Voraussetzungen geschaffen werden: Eine gepflegte Karrierewebsite mit offenen Stellen und Kontaktmöglichkeiten für Interessenten gehört für den Recruiting-Profi ebenso dazu wie die Auseinandersetzung mit der Zielgruppe. Zuallererst sollten Unternehmen, die auf Active Sourcing setzen, nicht mehr von Bewerbern, sondern von Kandidaten sprechen: "Damit ist eine veränderte Einstellung verbunden. Nicht mehr der Bewerber bewirbt sich bei uns, sondern wir wollen diesen Menschen für uns gewinnen und gehen auf ihn zu."

Dann gelte es, sich mit den Zielgruppen, den verschiedenen Generationen X,Y und Z, auseinanderzusetzen. Was wollen sie, wo bewegen sie sich, wie kann ich sie am besten ansprechen? Ortner und sein Sourcing-Team haben die Erfahrung gemacht, dass eine erste Kontaktaufnahme am Sonntagabend zur Tatortzeit am besten funktioniert. Der Active Sourcer müsse auch die Sprache seiner Zielgruppe erlernen und beobachten, wie Mitbewerber diese ansprechen.

Kommunikation auf Augenhöhe ist ein Muss

Viele Personaler hätten aber noch nicht verstanden, wie eine Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Bewerber funktioniere. Heute könne man einen Kandidaten nicht mehr lange im Unklaren lassen, wie es im Bewerbungsprozess weitergeht. Soziale Intelligenz und Empathie gehören für Ortner zu den Schlüsselkompetenzen, das gilt auch für den Fall, wenn Mitarbeiter gehen. "Oft findet kein Austrittsgespräch statt. Wir schauen uns an, warum Mitarbeter die Firma verlassen und achten weiter darauf, dass unsere Beziehung zu den Alumnis gut bleibt."

Auf großes Resonanz stieß eine Konferenz der IHK München- Oberbayern zum Thema Recruiting. Fast 300 Personalverantwortliche informierten sich über Trends wie Active Sourcing und arbeiteten in Barcamp-Workshops an Themen, die sie interessierten und zum Teil selbst einbrachten.
Auf großes Resonanz stieß eine Konferenz der IHK München- Oberbayern zum Thema Recruiting. Fast 300 Personalverantwortliche informierten sich über Trends wie Active Sourcing und arbeiteten in Barcamp-Workshops an Themen, die sie interessierten und zum Teil selbst einbrachten.
Foto: IHK

Ähnlich wie Employer Branding ist Active Sourcing kein Weg, um schnell eine Stelle zu besetzen. Dafür ist die Kommunikation mit dem Kandidaten, der nicht sofort auf die offene Stelle angesprochen werden dürfe, zu zeitaufwändig. Eine Personalerin beklagte sich, dass ihr die teure Active-Sourcing-Lizenz für Xing kaum etwas bringe, da sie nur 20 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür verwenden könne. Ortner empfahl, sich zwei Tage die Woche nur für die Kommunikation mit den Kandidaten zu reservieren sowie am besten Personalarbeit und Active Sourcing zu trennen. Für Letzteres hat etwa die EDAG mittlerweile eine eigene Abteilung mit zehn Mitarbeitern.