"Magellan"-Projekt der Deutsche Bank

So kommt das Business zur IT

16.10.2012
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Outsourcing neu durchdacht

Vor einem knappen Jahrzehnt hatte die Deutsche-Bank-IT, damals noch unter der Leitung von Hermann-Josef Lamberti, schon einmal für Wirbel gesorgt. Damals beschloss sie, den reinen Rechenzentrumsbetrieb in Europa an die IBM auszulagern. Im Zuge der technischen Entwicklung und der Großfusion mit der Postbank wurde diese Outsourcing-Strategie aber neu durchdacht. Die SAP-Plattform wird schon heute zum großen Teil intern betrieben - mit der Unterstützung von einzelnen Teams der Postbank Systems. Und das soll vorerst auch so bleiben. Oder wie Gaertner sagt: "Wir haben keine Veranlassung, uns nach anderen Modellen umzuschauen." Das gelte auch für ein SAP aus der Cloud; es sei für die Deutsche Bank auf absehbare Zeit "keine Option - jedenfalls nicht im Core-Banking-Bereich".

Der Konzern tendiert wohl dazu, IT-Wissen und teilweise auch -Doing im eigenen Haus zu halten. Zumindest, was Magellan betrifft. "Wir machen viel selbst", bestätigt Gaertner. Schlüsselpositionen seien mit eigenen Mitarbeitern besetzt worden -aus der Deutschen Bank, aber zunehmend auch aus der Postbank. Er lege großen Wert darauf, eigenes Wissen aufzubauen, selbst zu steuern und zu managen sowie die Risiken im Blick zu behalten, konstatiert der CIO: "Das ist in einer solchen Veränderungssituation essenziell."

Insgesamt seien 1100 Mitarbeiter in die "Mutter der Tranformationen" eingespannt, wie Gaertner das Mammutprojekt scherzhaft nennt. Für Anderes bleibe da wenig Kapazität: "Die Erneuerung der Kernplattformen ist für uns das wichtigste Projekt; 80 Prozent des IT-Investitonsvolumen der Retail-Bank fließen in Magellan, denn das wird den Erfolg des Unternehmensbereichs ausmachen. Die anderen 20 Prozent werden größtenteils für die regulatorischen Anforderungen aufgewendet; so ist das auch mit dem Geschäftsbereich abgesprochen."

Ulrike Wetzel (Mitte) leitete eine kleine Filiale, bevor sie sich dem Magellan-Team anschluss, wo sie das Design der Berater-Schnittstelle verantwortet.
Ulrike Wetzel (Mitte) leitete eine kleine Filiale, bevor sie sich dem Magellan-Team anschluss, wo sie das Design der Berater-Schnittstelle verantwortet.
Foto: Deutsche Bank/Joachim Wendler

Die gesamte Steuerung des Magellan-Projekts ist eine Koproduktion von Business und IT. Der Business-Bereich Retail formuliert die Anforderungen und entwirft die Prozesse, die IT berät und setzt um. "Es gibt keine getrennten Programme für Business- und IT-Einführung", beteuert Gaertner.

In enger Kooperation mit dem Business werden derzeit die Bankprodukte neu geschnitten. Die Angebotspalette wird gestrafft beziehungsweise Produkte zusammengefasst.

Neu gestaltet werden auch die Retail-Prozesse. Hier hat der Konzern bewusst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Business-Paxis ins Boot geholt, die mit den bisherigen Abläufen bestens vertraut sind und gute Ideen für Verbesserungen mitbringen.

Was die Deutsche Bank aus Magellan lernt

  • Die enge Verbindung mit der Geschäftsstrategie ist die Voraussetzung für die effektive Unterstützung des Geschäfts. Die lässt sich durch räumliche Nähe stärken.

  • Alle Schlüsselpositionen intern besetzen heißt, das Know-how im Haus und die Entscheidungswege kurz zu halten.

  • Ein funktionierendes Netzwerk zwischen Business, IT und den externen Anbietern, in diesem Fall vor allem SAP, ist keine Selbstverständlichkeit; daran muss man ständig arbeiten.

  • Die Meilensteine sollten klar definiert und terminiert sein. Ein nachvollziehbares "Scope Management" schafft Transparenz und Vertrauen bei den internen Kunden und den Teammitgliedern.

  • Eine stark standardisierte Umgebung ist der Schlüssel zur Effizienz. Oder wie CIO Wolfgang Gaertner sagt: "Wir wollen keinen Schmuck am Nachthemd."

  • Die Themen Integration und Testen dürfen auf keinen Fall vernachlässigt werden. Der Aufwand dafür ist hoch, gerade wenn es darum geht, eine Standardsoftware Stück für Stück mit einer gewachsenen Umgebung zu verbinden. Hier ist die Deutsche Bank dabei, das Setup für die Testumgebung noch einmal zu überarbeiten, um den Ablauf effizienter zu machen.

  • Bei einem Projekt dieser Größenordnung ist es durchaus notwendig, ab und an einen Schritt zurückzutreten, aus dem Abstand draufzuschauen und nachzujustieren. Allerdings muss das große Ziel Vorrang haben.

  • Techologische Entscheidungen sind so zu treffen, dass die Systeme mindestens die nächsten zehn oder sogar 20 Jahre lang up to date bleiben; deshalb sollte im Zweifel das Neueste gewählt werden, nicht die bewährte Variante.

  • Allerdings sollte man wirkliche Weiterentwicklungen anschauen. Dazu zählt für die Deutsche Bank die InMemory-Technik der SAP, die schon im Laufe des Projekts zum Einsatz kommen soll.

  • Aber solche Dinge, die "außen herum geschehen" (Gaertner) dürfen den Kern des Projekts nicht verändern. Denn ein Schlüsselfaktor für eine grundlegende Erneuerung ist Konstanz. Dazu braucht der IT-Bereich einen langen Atem - und eine gewisse Konsequenz. Viele IT-Projekte litten daran, dass zuviel verändert und angebaut werde, so der Deutsche-Bank-CIO.

  • Für die hohe Investitionssumme erwartet der Konzern einen adäquaten Nutzen. Und der stellt sich nur ein, wenn die Transformation konsequent zu Ende geführt wird. Am besten geht das, indem der dicke Brocken in verdauliche Portionen unterteilt und sukzessive abgearbeitet wird.

  • Am Ende läuft es auf einen Balanceakt zwischen Agilität und Stabilität hinaus. An jedem Punkt des Projekts muss man handlungsfähig bleiben und auf kurzfristige Änderungen reagieren können. Aber gleichzeitig ist es notwendig, Sicherheit, Stabilität und Verfügbarkeit zu gewährleisten.