Die Arbeitswelt von morgen

Zehn Berufe, die Zukunft haben

25.08.2017
Von 
Olaf Kempin ist Mitgründer und Co-Geschäftsführer des Darmstädter Personaldienstleisters univativ. Er beschäftigt sich mit Fragen rund um die Personalwirtschaft und den Arbeitsmarkt.
Die Digitalisierung vernichtet Arbeitsplätze, doch sie schafft auch neue Berufsbilder. Diese zehn Jobs haben Zukunft.
Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt.
Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt.
Foto: SFIO CRACHO - shutterstock.com

Lern was Vernünftiges – wer früher diesen Rat bekam, wusste, was gemeint war: Ein Beruf, der Sicherheit bis zur Rente bietet, sich ein Leben lang nicht wesentlich verändert. Diese Zeiten sind vorbei. In den kommenden zwanzig Jahren wird nach Schätzungen von Oxford-Wissenschaftlern jeder zweite heutige Job in Folge der zunehmenden Digitalisierung verschwinden. Das bedeutet aber nicht, dass wir Menschen nicht mehr gebraucht werden. Im Gegenteil: Es werden neue Berufsbilder entstehen.

Im Unterschied zu früher werden heute Aufgaben und Fähigkeiten viel schneller obsolet. Wer jetzt in den Arbeitsmarkt einsteigt, sollte nicht mehr davon ausgehen, ein ganzes Berufsleben das Gleiche zu tun. Mehr noch: Für heutige Schüler und Studenten ist oft nicht einmal klar, welche Optionen sie in wenigen Jahren haben werden, wenn sie vor dem Berufseinstieg stehen. Denn die Universitäten und Fachhochschulen hinken bei der Entwicklung zeitgemäßer Curricula, die zukunftsfähiges Know-how vermitteln, hinterher.

Breite Qualifikationsprofile und analytisches Denkvermögen sichern Zukunftsfähigkeit

"Die technologische und methodische Geschwindigkeit, mit der Studenten heute konfrontiert sind, fordert ein ganz klares Ausbildungsprofil", sagt Prof. Dr. Bernd Jörs von der Hochschule Darmstadt. Er fordert: "Hochschulqualifikationsmodule müssen jährlich überarbeitet und angepasst werden, um das breite Spektrum an Anforderungen abdecken zu können. Nur dann ist die Hochschulwelt in der Lage, auf neu geforderte Jobprofile zu reagieren." Doch bis Lehrkräfte ausgebildet sind, die wiederum Studenten entsprechend flexibel das erforderte Wissen vermitteln können, gehen Jahre ins Land.

Die beste Grundlage sind breite Qualifikationsprofile mit interdisziplinären Fertigkeiten, die es den Absolventen ermöglichen, schnell dazuzulernen und sich auf neue Technologien einzustellen. Eine andere Voraussetzung ist analytisches Denkvermögen. Dieses ist nötig, um aus den großen Datenmengen, die schon heute in vielen Berufen eine wichtige Rolle spielen, Erkenntnisse herauszufiltern. Darüber hinaus gilt es oft, sich die Ausbildung für den eigenen Wunschjob selbst zusammenzustellen, aus akademischen, berufspraktischen und weiterbildenden Angeboten.

Laut der Sonderpublikation "Arbeitswelt 2025: Die Jobs der Zukunft" unserer Schwesterzeitschrift COMPUTERWOCHE und Hays bedarf es aber mehr als bloß einer Qualifizierung in fachlicher Hinsicht. Es werde in Zukunft immer wichtiger, stets lernwillig zu sein. Gleichzeitig brauche man die Fähigkeit, sich neue Themen selbst erschließen zu können. Einerseits müsse man sich auf Veränderungen im Job einlassen können, andererseits müsse man bereit sein, auch Verantwortung zu übernehmen.

Wer am besten in der IT-Branche verdient

2018 wuchsen die Gehälter laut einer Studie der Hamburger Vergütungsberatung Compensation Partner und der COMPUTERWOCHE über alle Berufsgruppen hinweg um 3,5 Prozent an. Eindeutiger Gewinner waren die Security-Experten, deren durchschnittliches Bruttojahresgehalt in den vergangenen beiden Jahren von 71.100 auf 75.600 Euro gestiegen ist. Ihnen folgen SAP-Berater, deren Jahresgehälter im Schnitt auf 72.900 Euro zulegten. Laut der Studie haben "normale" IT-Berater 72.500 Euro und Projektleiter 72.300 Euro verdient.

Mitarbeiter mit Personalverantwortung verdienen jeweils noch einmal zwischen 25 bis 35 Prozent mehr. Vorteilhaft wirken sich auch Hochschulabschlüsse aus. Am besten werde ein Hochschuldiplom mit 76.500 Euro honoriert, gefolgt vom Fachhochschulabschluss mit 70.700 Euro und dem Master mit 65.600 Euro, dem Bachelor mit 55.200 Euro und einer erfolgreich absolvierten Lehre mit 50.000 Euro.

Zehn Jobs von morgen, die heute schon gefragt sind

Grundsätzlich werden künftig vor allem IT-nahe Felder boomen. Gefragt sind Experten, die sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Seite neuer Technologien verstehen.

Eine IDG-Studie prognostiziert, dass besonders Fachkräfte in der IT-Sicherheit, Cloud-Architekten und Data Scientists gute Jobchancen haben werden. Einige weitere Berufsbilder, die sich im Aufwind befinden:

1. Data Scientist

Data Scientists haben die wichtige Aufgabe, Big Data so aufzubereiten, dass die Daten verwertbar werden. Sie konzipieren Analysemethoden für große Datenmengen, gewinnen Erkenntnisse daraus und unterstützen damit wichtige Unternehmensentscheidungen.

Wer eine Tätigkeit als Data Scientist anstrebt, sollte Vorkenntnisse in Natur- oder Ingenieurswissenschaften und eine analytische Denkweise mitbringen.

2. Data Steward

Mit wachsenden Datenmengen steigen auch die Risiken für den Missbrauch von Daten. Leaks und der Vorwurf der unerlaubten Nutzung von Kundendaten können den Ruf von Unternehmen beschädigen und auch ein juristisches Nachspiel haben.

Damit es dazu gar nicht erst kommt, sorgen Data Stewards für die Einhaltung von Governance- und Compliance-Vorgaben im Umgang mit Daten.

3. Online-Marketing-Manager

Die Ausbreitung des E-Commerce hat das Berufsfeld Marketing völlig umgekrempelt. Es sind nicht nur neue Formen der Vermarktung entstanden, von Multichannel-Marketing über Affiliate- bis hin zum Influencer-Marketing. Um in diesen neuen Disziplinen erfolgreich zu sein, müssen Verantwortliche die neuen digitalen Kanäle auch verstehen und die richtigen Metriken anwenden. Meist ist das bisher noch Learning by Doing, denn Studiengänge hierfür gibt es kaum.

4. SEO-Experte

If it’s not on the first page of Google, it doesn’t exist. Suchmaschinen haben das ganze Internet kartografiert. Die Kunst besteht darin, trotz geballter Konkurrenz die kostbare Aufmerksamkeit der Nutzer zu erlangen. Webseiten bestmöglich auffindbar zu machen ist eine Wissenschaft für sich, die für Unternehmen eine Frage von Leben und Tod bedeuten kann.

Entsprechend hat sich eine ganze Branche um die Optimierung des Suchmaschinen-Rankings entwickelt, und ein Abflauen ist nicht in Sicht.

5. Web-Analytics-Manager und Web-Controller

Eine gute Website bietet für Nutzer die optimale Erfahrung. Damit soll sichergestellt werden, dass sie wiederkehren. Das Problem: Man hat nur selten die Gelegenheit, Nutzer direkt zu befragen. Stattdessen kann man sich aber mit einer Reihe von Kennzahlen zu Website-Traffic, Clickstreams und Nutzerverhalten behelfen. Diese Daten auszuwerten und in handlungsleitende Erkenntnisse zu übersetzen ist die Aufgabe des Web-Analytics-Managers.

Sein Kollege, der Web-Controller, nutzt diese Erkenntnisse, um Möglichkeiten zur Verbesserung der Website abzuleiten und die entsprechenden Maßnahmen zu kontrollieren.

6. Conversion-Manager

Nur weil sich im Internet jemand ein Produkt anschaut, heißt das in den meisten Fällen noch lange nicht, dass er es auch kauft. Die Konversionsrate deutscher Online-Shops, also der Anteil der Website-Besucher, die ein Produkt tatsächlich kaufen, liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Diesen Anteil zu steigern ist Aufgabe des Conversion-Managers. Dafür wertet er Kennzahlen der Website aus, identifiziert Schwachstellen in Menüführung, Optik, Auslieferung und Ähnlichem, und führt Maßnahmen zur Optimierung durch. Auch das Controlling der Verbesserungen gehört zu seinem Aufgabenbereich.

7. 3D-Druck-Experten

Der 3D-Druck erfüllt nicht nur einen uralten Wunsch von Bastlern und Erfindern, selbst entworfene Gegenstände schnell und professionell gefertigt in der Hand zu halten. Er ermöglicht auch neue Anwendungen in einer Vielzahl von Branchen. Mediziner und Patienten profitieren von individualisierten Prothesen, Industrieunternehmen von On-Demand-Fertigung von Ersatzteilen.

Der Markt für den 3D-Druck soll von 3 Milliarden Dollar im Jahr 2013 auf 21 Milliarden in Jahr 2020 anwachsen. Davon profitieren Produktdesigner mit technischem Wissen und Ingenieure.

8. IT-Security-Experten

In Anbetracht der kontinuierlichen Cyber-Angriffe sind auch vor allem IT-Security-Experten in Zukunft gefragt. Ihre Berufschancen gelten deswegen als sehr gut, was sich an den laufend steigenden Gehältern für diese Berufsgruppe zeigt. Risikobewertung und Gefahrenprognostik befinden sich inzwischen auf dem Lehrplan vieler Universitäten. Darüber hinaus ist in diesem Bereich aber auch besonders die Berufserfahrung wichtig. Nur so können im operativen Tagesgeschäft Angriffe zuverlässig erkannt werden.

9. SAP-Berater

Die Anforderungen an SAP-Berater sind bereits jetzt sehr hoch. Sie werden aber weiter steigen, weil Unternehmen dadurch erhebliche Produktivitätsgewinne erreichen können. Wichtig für SAP-Berater sind aber nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch die Fähigkeit, Kundenanforderungen genau zu verstehen und in der Folge die richtige Hardware auszuwählen. Außerdem sollten sie das oft noch anzutreffende Silodenken aufbrechen können, um Daten in die Cloud-Plattformen von SAP einzubinden.

10. Cloud-Architects

Wie der Name nahelegt, soll ein Cloud-Architect entsprechende Architekturen in der Cloud entwerfen und weiterentwickeln. Dazu muss er sich mit den Themen Migration, hybriden Umgebungen, IaaS, SaaS, PaaS und allen weiteren Cloud-Bereichen äußerst gut auskennen. Zu seinen Aufgaben zählen ferner die Implementierung von App-Services und Kenntnisse, welche Provider welche Funktionen und Dienste anbieten. Unter anderem bietet der TÜV Rheinland eine Ausbildung zum Cloud-Architekten an.

Der Sinn zählt

Bei aller Begeisterung für die schöne neue Arbeitswelt: Wer sich zu sehr auf konkrete Technologien fokussiert, verliert womöglich den Blick darauf, was diese eigentlich leisten sollen. Laut Prof. Jörs sollte im Mittelpunkt der Brufswahl immer die Frage stehen, ob ein Job das Potenzial hat, die Welt besser zu machen.

Dieses Ziel – etwa die Behandlung von Krankheiten oder die Vorhersage von Umweltentwicklungen – bestimmt, welche Hilfsmittel zum Einsatz kommen und wie diese weiterentwickelt werden. Wer den Sinn dessen, was er tut, im Auge behält, ist auch immer wieder aufs Neue motiviert, weiterzumachen und hinzuzulernen. Dabei darf auch die Work-Life-Balance nicht vernachlässigt werden.