Sharepoint: Alleskönner oder Mängelwesen?

25.02.2008

Kontrolle versus dezentraler Ansatz

Dieser Übergang kann allerdings zu kulturellen Spannungen führen, wenn die Fachabteilungen ihre kreativen Möglichkeiten bei der Verwendung eines offenen Systems durch ein zentralistisches Vorgehen der IT-Abteilung eingeschränkt sehen. Mehrere Referenten auf Microsofts Sharepoint-Konferenz, die vom 19. bis 21. Februar 2008 in Frankfurt am Main abgehalten wurde, nannten die Balance zwischen Endbenutzerfreiheiten und zentralen Richtlinien als kritischen Erfolgsfaktor für die gelungene Einführung von Sharepoint. Ironischerweise finden damit in der Sharepoint-Szene heute ähnliche Debatten statt, wie sie vor zehn Jahren in der Lotus-Notes-Welt geführt wurden. Auch dort ging es darum, wie sich ein ursprüngliches PC-Werkzeug für die Abteilungsebene mit dem von IBM formulierten Anspruch einer Enterprise-Lösung verbinden lässt.

Nicht nur der Wildwuchs von Teamsites kann den Nutzen der Software konterkarieren, sondern auch ein striktes Top-down-Modell. Stefan Pradel, Senior Manager bei der Bertelsmann-Tochter Arvato Systems, stellte in seinem Vortrag ein negatives Praxisbeispiel vor, bei dem Unternehmen die Einführung von Sharepoint beschließen und die IT-Abteilung daraufhin die Anwender mit einer unmodifizierten Standardinstallation der Software beglückt. Dafür sollen die Fachabteilungen womöglich ein bisher funktionierendes Tool für das Projekt-Management aufgeben, finden aber benötigte Funktionen in der neuen Umgebung nicht vor ? und das, obwohl Sharepoint alle wesentlichen Features enthält, die sich in vielen Fällen ohne Programmieraufwand zu einem geeigneten Werkzeug kombinieren lassen.

Der Besucherandrang auf der Sharepoint-Konferenz in Frankfurt stellte die Veranstalter vor einige Probleme.
Der Besucherandrang auf der Sharepoint-Konferenz in Frankfurt stellte die Veranstalter vor einige Probleme.
Foto: Volker Weber

Eine unternehmensweite Einführung von Sharepoint bewegt sich nicht nur im Spannungsfeld zwischen zentralistischem Ansatz und den Freiheiten von Fachabteilungen, sondern muss auch den Feature-Mix der Plattform in den Griff bekommen. Die diversen Module bedingen dabei unterschiedliche Nutzungsmuster. Während die üblicherweise zuerst eingesetzten Collaboration-Funktionen mehr Offenheit und Gestaltungsfreiheit für die Benutzer fördern, sind formularbasierende Workflows oder die Nutzung von BI strenger an Prozesse und Berechtigungen gebunden. Neben der führenden Rolle der IT-Abteilung können solche zusätzlichen Anwendungen den Umgang mit der Software verändern.

Überforderung durch Funktionsfülle

Ein häufiger Fehler, der Sharepoint-Projekte scheitern lassen kann, besteht darin, dass nach einer strategischen Entscheidung für die Plattform alle Features gleichzeitig eingesetzt werden sollen. Stefan Pradel empfiehlt, sich anfangs auf spezifische Aufgaben und Funktionen zu konzentrieren. Solche punktuellen Vorhaben ließen sich schnell umsetzen, wobei allerdings zu beachten sei, dass aus Pilotprojekten in Sharepoint-Umgebungen unversehens produktiv genutzte Anwendungen entständen. Und wenn dann weitere Abteilungen daran Interesse finden, sollten die Anwendung und die Infrastruktur im Vorfeld dafür ausgelegt worden sein.

Während der Funktionsumfang und die Heterogenität der Module Anwender dazu verführen, in Sharepoint ein Tool für alle Zwecke zu sehen, bemängeln Kritiker, dass die Microsoft-Lösung alles könne, aber nichts richtig. Aufgrund des breiten Spektrums und der in jedem Bereich vorhandenen Lücken entsteht rund um Sharepoint ein ganzes Ökosystem aus Partnern, die mit ihren Add-ons aushelfen wollen. Dazu zählt unter anderem eine ganze Reihe von nützlichen Erweiterungen, wie beispielsweise "Search+ für Sharepoint 2007" von Intrafind. Es bringt der Suchmaske von MOSS 2007 Boolsche Operatoren bei, erlaubt den Einsatz von Wildcards und unterstützt die Verwendung von Synonymen.