Kampf der ERP-Titanen

SAP - Oracle - Microsoft

06.05.2014
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Kosten und Amortisation

Die Unternehmen kämpfen mit längeren Projektlaufzeiten, achten aber stärker auf den Wertbeitrag ihrer ERP-Vorhaben. Die Dauer, bis die Kosten für die ERP-Einführung wieder hereingeholt sind, hat sich nach Angaben der befragten Anwendervertreter von 2,4 Jahren (Umfrage 2012) auf gegenwärtig 1,7 Jahre verkürzt. Allerdings hat sich den Analysten zufolge auch der Anteil der Unternehmen erhöht - von 31 auf 38 Prozent -, die keine Angaben zur Amortisation ihre ERP-Aufwände machen können. Ab wann sich ein ERP-Projekt rechnet, bleibt oft offen, weil letztlich nur die Unternehmen an dieser Stelle belastbare Aussagen machen können, die zuvor entsprechende Key Performance Indicators (KPIs) definiert haben.

SAP-Projekte sind am teuersten. Im Oracle-Umfeld passen der budgetierte und reale Aufwand am besten zusammen. Angaben in Dollar;
SAP-Projekte sind am teuersten. Im Oracle-Umfeld passen der budgetierte und reale Aufwand am besten zusammen. Angaben in Dollar;
Foto: 2013 Panorama Consulting Solutions

Laut Umfrage dauert die Amortisation im Umfeld von Microsoft-Dynamics-Projekten mit durchschnittlich 24 Monaten am längsten, gefolgt von SAP mit 23 Monaten und Oracle mit 16 Monaten. Dieses Ergebnis erstaunt insofern, als die Implementierungskosten von Microsofts Dynamics-Software mit Abstand am günstigsten ausfallen und man also davon ausgehen sollte, dass sich der Aufwand schneller rechnet. Im Durchschnitt kommt die Einführung von Microsoft-Lösungen auf Kosten in Höhe von 1,8 Millionen Dollar. Oracle liegt mit 2,25 Millionen Dollar in der Mitte, und SAP ist mit 2,55 Millionen Dollar am teuersten.

Wie schon bei der Projektdauer gibt es auch beim Budget in aller Regel ein Delta zwischen dem Plan und dem tatsächlichen finanziellen Aufwand. In der Regel müssen die Unternehmen für ihre ERP-Vorhaben mehr Geld in die Hand nehmen, als ursprünglich vorgesehen war. Im Microsoft-Umfeld fällt die Diskrepanz mit 18 Prozent am höchsten aus. SAP-Kunden müssen im Durchschnitt mit einem 13 Prozent höheren Budget kalkulieren, bevor sie ihre ERP-Implementierung abschließen können. Bei Oracle liegt die Differenz mit drei Prozent am niedrigsten.

Erwartungen

Viele ERP-Implementierungen können die Erwartungen der Anwender nicht erfüllen. Das hat auch die diesjährige Umfrage wieder gezeigt. Lediglich 31 Prozent der SAP-Projekte haben die Hälfte oder mehr der Erwartungen bezüglich der Business-Vorteile bestätigen können. Damit liegt der deutsche Softwarekonzern im Dreier-Vergleich sogar an der Spitze. Im Oracle-Umfeld sind es 17 Prozent, und im Zuge von Microsoft-Vorhaben sagte keiner der befragten Anwender, er habe die Hälft oder mehr erreichen können.

Anwender von Microsofts Dynamics-Lösungen scheinen mit ihrem ERP-Funktionsumfang am zufriedensten. Angaben in Prozent;
Anwender von Microsofts Dynamics-Lösungen scheinen mit ihrem ERP-Funktionsumfang am zufriedensten. Angaben in Prozent;
Foto: 2013 Panorama Consulting Solutions

Diese Zahlen sind aus Sicht von Panorama alarmierend. Sie seien ein Beleg, wie dringend die Unternehmen Business Cases sowie Mechanismen für die Erfolgsmessung ihrer ERP-Projekte entwickeln und umsetzen müssten, meinen die Analysten. Nur damit wären die IT-Verantwortlichen in der Lage, Erfolg beziehungsweise Misserfolg ihrer ERP-Implementierungen festzustellen, den Return on Investment (RoI) zu messen sowie die nächsten Schritte zielsicher zu planen. Angesichts dieser Umstände müsse man auch das Ergebnis interpretieren, wonach angeblich kein Microsoft-Projekt einen signifikanten RoI gebracht habe. Oft könnten schlichtweg Methoden und Prozesse gefehlt haben, diesen zu messen.

Cloud-Schwerpunkt

Der Bezug von ERP-Anwendungen aus der Cloud spielt bei den Kunden der drei Software-Titanen bis dato nur eine untergeordnete Rolle. Unter den SAP-Kunden gaben 18 Prozent der Befragten an, ERP-Komponenten aus der IT-Wolke zu beziehen, unter den Oracle-Anwendern liegt deren Anteil bei 28 Prozent, knapp hinter den Dynamics-Cloud-Nutzern, die auf 29 Prozent kommen.

Das verhaltene Interesse rührt aus Sicht der Experten daher, dass sich die erhofften Kostenvorteile durch den Umzug in die Cloud nur in Teilen eingestellt haben. Im Durchschnitt konnte nur knapp jeder vierte der befragten Anwender seine erwarteten Kostenvorteile zu mindestens 40 Prozent erreichen. Vor allem Oracle-Kunden scheinen mit ihren Cloud-Erfahrungen zufrieden. Immerhin vier von zehn Anwendern berichteten, ihre Effizienzziele zu mehr als 40 Prozent erreicht zu haben. Unter den SAP-Anwendern lag dieser Anteil bei 17 Prozent. Die befragten Dynamics-Anwender erklärten dagegen durch die Bank, die erreichten Cloud-Einsparungen hätten ihre Erwartungen lediglich zu unter 40 Prozent getroffen.

Funktionen

Der Funktionsumfang spielt bei der Auswahl von ERP-Software nach wie vor eine wichtige Rolle. Allerdings schafft es kaum eine Implementierung, wirklich sämtliche funktionalen Anforderungen eines Kunden abzudecken. In dieser Hinsicht schneidet Microsoft mit seinen Dynamics-Produkten am besten ab. Sieben von zehn Befragten gaben an, mit ihrem Projekt 40 Prozent oder mehr funktionale Abdeckung erreicht zu haben. Unter den SAP-Kunden liegt dieser Anteil bei 56 Prozent, bei den Oracle-Anwendern sind es vier von zehn.

Nach Ansicht der Analysten kann Microsoft an dieser Stelle mit seinem User Interface punkten, das stark an Office- und Outlook-Oberflächen angelehnt und somit vielen Anwendern bereits bekannt ist. Außerdem verfolge der weltgrößte Softwarehersteller einen Implementierungsansatz, bei dem die Anwender mit einer Basis-Funktionalität starteten, die erst im weiteren Verlauf des Arbeitens ausgebaut werde. Dies gebe den Anwendern das Gefühl einer hohen funktionalen Abdeckung ihrer individuellen Anforderungen.

Dass es in vielen Fällen offensichtlich immer noch funktionalen Anpassungsbedarf gibt, zeigt der Grad des Customizings. Zwei von fünf SAP-Anwendern bezeichnen diesen als extrem hoch beziehungsweise ziemlich hoch. Unter den Oracle-Kunden sind es 37 Prozent, und jeder dritte Microsoft-Anwender spricht von einem hohen Customizing-Grad. Kein oder wenig Customizing benötigen 44 Prozent der Dynamics-Kunden. Im Oracle-Umfeld sind es 29 Prozent, und nur jeder vierte SAP-Anwender gab an, mit wenig beziehungsweise gar keinem Customizing auskommen zu können.

Der nach wie vor hohe Customizing-Grad mache deutlich, dass die ERP-Software in der Regel nicht out of the Box einsatzfähig sei, auch wenn das so mancher Hersteller glauben machen möchte, lautet die Interpretation der Panorama-Consulting-Analysten. Allerdings sollten die Anwender möglichst sparsam davon Gebrauch machen, ERP-Anwendungen zu verbiegen. Das Customizing sollte sich auf die Bereiche beschränken, in denen sich die Anwender eine Differenzierung im Wettbewerb und konkrete Business-Vorteile versprechen, mahnen die Experten. Viele Unternehmen starteten ihre ERP-Implementierung mit dem Vorsatz, ganz auf Anpassungen der Software zu verzichten, und ertappten sich später dabei, wie sie die Anwendungen für nicht optimierte, ineffiziente Prozesse umprogrammierten. Ein Reengineering der Geschäftsabläufe sowie ein organisatorisches Change-Management seien im Zuge einer ERP-Implementierung unerlässlich.