SAP bringt den ESA-Zug nicht ins Rollen

30.11.2005
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

SAP-Anwender warten ab

Die haben es aber anscheinend nicht so eilig, wie es die SAP gerne hätte, so die Ergebnisse der Raad-Consult-Umfrage. Interessant ist vor allem die Entwicklung in Sachen Release-Stände während der zurückliegenden zwölf Monate. Im Vergleich von 2004 und 2005 haben die R/3-Versionen ab 4.6c und alle älteren Ausführungen verloren, wobei der Anteil von 4.6c von etwa 61 auf 57 Prozent nur leicht abnahm. Von dem Rückgang profitierte jedoch in erster Linie das Release R/3 Enterprise. Dessen Anteil schoss von etwa 18 Prozent im Jahr 2004 auf aktuell ungefähr 32 Prozent in die Höhe. Dagegen nahm der Mysap-Anteil im Jahresvergleich nur wenig von etwa 15 auf 17 Prozent zu. Diese Entwicklung lässt sich bereits seit etwa zwei Jahren beobachten, berichtet Niehörster. Nach Ankündigung von R3/Enterprise 2003 hätten die Anwender Mysap-Projekte vorerst auf Eis gelegt: "R/3 Enterprise hat Mysap ausgebremst."

Langsam verabschieden sich die SAP-Anwender von ihren alten Releases. Das Ziel der Reise heißt jedoch nur in wenigen Fällen Mysap.
Langsam verabschieden sich die SAP-Anwender von ihren alten Releases. Das Ziel der Reise heißt jedoch nur in wenigen Fällen Mysap.

Daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern, vermutet Niehörster. Bei der Frage, inwieweit die SAP-Anwender mit ihrer bestehenden Systemlandschaft zufrieden sind, ergaben sich zwischen Mysap-Nutzern und Anwendern älterer Release-Stände keine signifikanten Unterschiede. Abgefragt wurden beispielsweise Kriterien wie Datenintegration, Stammdaten-Management, Brancheneignung und die Möglichkeiten, Prozessänderungen in die Software zu übertragen.

Mit Altsystemen zufrieden

Generell seien die Kunden zufrieden mit ihrer SAP-Umgebung, stellt der Marktbeobachter fest. Demnach hätten sich gerade in puncto Flexibilität - das wichtigste Argument der SAP für ESA - die Nutzer älterer SAP-Versionen genauso zufrieden geäußert wie Mysap-Kunden. "Wie soll SAP einem Kunden mit einem Altsystem den Wechsel erklären, wenn sich keine höhere Zufriedenheit mit einem neuen System nachweisen lässt?", fragt sich Niehörster angesichts dieser Antworten.

Die Marktbeobachter von Raad Consult rechnen daher auch mit nur wenigen Migrationsprojekten im kommenden Jahr. 86 Prozent der Befragten gaben an, keine Umstellung zu planen. Von den verbleibenden 14 Prozent erklärten neun Prozent, auf R/3 Enterprise wechseln zu wollen. Lediglich fünf Prozent kündigten eine Migration auf Mysap an.

Die Gründe, die gegen einen Umstieg sprechen, sind vielfältig. In einer Umfrage der Deutsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) vom Oktober 2005 gaben 25 Prozent der abwartenden Unternehmen an, sie sähen keinen Bedarf an einem Wechsel. 22 Prozent erklärten, sie wollten ihren Vertrag wegen der befürchteten hohen Kosten nicht umstellen.

Doch gerade hinsichtlich des Kostenaspekts könnte sich aus Sicht Niehörsters in den kommenden beiden Jahren einiges ändern: "Durch die veränderte technische Infrastruktur der Service-orientierten Architekturen werden die tradierten Preismodelle versagen." SAP müsse deshalb zügig ein neues Preismodell entwickeln, um Anwendern mit ESA-Komponenten eine Kalkulationsgrundlage zu bieten. Niehörster geht davon aus, dass sich die künftigen Preislisten der SAP stärker am Nutzen sowie branchenspezifischen Aspekten orientieren werden.

Die SOA-Connection kämpft

SAP ist nicht der einzige Anbieter von Business-Applikationen, der zurzeit an einer Service-orientierten Architektur (SOA) arbeitet. Auch Hersteller wie beispielsweise Oracle verfolgen ähnliche Pläne und bemühen sich, dies ihren Kunden zu erklären - mit gemischtem Erfolg. So fordern Oracle-Kunden seit Monaten mehr Informationen über das "Project Fusion" und wie es mit den übernommenen Produktlinien von Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel weitergeht. Von der Verunsicherung des Wettbewerbers hofft SAP zu profitieren. Wenn Oracle mit der Integration seiner Zukäufe Schwierigkeiten haben sollte, sei dies eine Chance für SAP, erklärte kürzlich SAP-Vorstandsprecher Henning Kagermann.

Die Chancen SAPs scheinen dabei nicht schlecht zu stehen. Die Befragung von Nicht-SAP-Kunden durch Raad Consult ergab, dass deren Budgets im kommenden Jahr um 0,7 Prozent steigen werden. Dabei äußerten sich die Anwender jedoch nicht immer zufrieden. Raad Consult fragte auch hier Kriterien wie Datenintegration, Stammdaten-Management, Brancheneignung und Flexibilität ab. Vor allem Oracle schnitt in allen Kategorien schlechter ab als der Durchschnitt.

Pascal Brosset, Senior Vice President für SAPs Pricing-Strategie, hatte vor kurzem in einem computerwoche-Gespräch entsprechende Pläne bestätigt. SAP wolle seine Lizenz- und Preismodelle verstärkt danach ausrichten, welchen Wert die Software beim Kunden schafft. Dabei werde sich das Pricing an allgemein anerkannten Branchenmetriken orientieren. Lizenz- und Preismodelle würden jedoch nicht von Grund auf umgekrempelt, wiegelte der SAP-Manager ab.

Aussagen über Änderungen in SAPs Preisliste hätten in der Vergangenheit regelmäßig für große Unruhe gesorgt, erzählt Niehörster. SAP wolle jetzt nicht die Anwender ausbeuten, sondern vielmehr ein nutzenbezogenes Preismodell entwickeln. Das den Kunden plausibel zu erklären sei jedoch schwierig. Es stehe zu befürchten, dass die daraus resultierenden Unsicherheiten die eine oder andere Mysap-Migration hinauszögerten.

SAP sollte das neue Modell möglichst pragmatisch angehen, mahnt der Raad-Consult-Chef. Schon heute würden die aktuellen Preislisten als undurchschaubar kritisiert, unter anderem, weil sie immer länger geworden seien. Lediglich die jüngste Ausgabe sei dünner ausgefallen, berichtet Niehörster schmunzelnd: "Das liegt aber nur daran, dass die Schriftgröße um zwei Punkte reduziert wurde.“