DSAG-Technologietage 2015

SAP-Anwender wünschen sich mehr Unterstützung und Standardisierung

27.02.2015
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nach wie vor bildet das klassische On-Premise-ERP für das Gros der SAP-Kunden das Herz ihrer IT-Infrastruktur. Die neuen Entwicklungen rund um HANA und die Cloud schauen sich die Anwenderunternehmen zwar an, abgeschlossene Projekte gibt es jedoch nur wenige. Wichtiger sind Konsolidierung und Rollout-Vorhaben.

Die SAP-Anwender sind sich offenbar nicht sicher, wie sie die neuen technischen Entwicklungen ihres Software­lieferanten einordnen sollen. Die Herausforderung bestehe darin, Details und Strukturen der aktuellen SAP-Technologien unter verschiedenen Aspekten zu beleuchten und einzuordnen, hieß es anlässlich der Technologietage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) Ende Februar in Mannheim. Im SAP-Produktportfolio sei heute in vielen Bereichen praktisch jede verfügbare Technologie in irgendeiner Form vertreten. Das mache die Einführung von entsprechenden Produkten aufwändig und erschwere den Wechsel von Anwendungen sowie deren Weiterentwicklung.

"Ich sehe eine zentrale Aufgabe der SAP darin, die Anwendungen zu standardisieren", forderte Hans-Achim Quitmann, zuständig für den Bereich Technologie bei der DSAG, in seiner Eröffnungs-Keynote. Je besser die einzelnen Komponenten untereinander kommunizierten, umso schneller ließen sich neue Lösungen auch einsetzen. Quitmann verglich die SAP-Software mit einer Schraube. "Ist sie standardisiert, lässt sie sich ohne Anpassungsaufwand in genormte Bauteile eindrehen - schnell und einfach. Das erwarten wir im übertragenen Sinn auch von SAP-Lösungen."

SAP-Budgets mit wenig Innovationspotenzial

Die Unsicherheit hinsichtlich der Bewertung neuer SAP-Entwicklungen gerade im Umfeld der In-Memory-Datenbank HANA sowie verschiedenster Cloud-Lösungen dürfte mit ein Grund dafür sein, dass nach wie vor nur ein geringer Teil der IT-Budgets für die Implementierung neuer und innovativer Prozesse aufgewendet wird. Etwa ein Fünftel der Budgets fließt in neue Geschäftsprozesse, hat die jüngste Investitionsumfrage der DSAG ergeben. Bestehende Geschäftsprozesse und Rollouts schlucken demnach 37 Prozent der Ausgaben. "Um Innovationskräfte freizusetzen und den Wandel hinsichtlich Digitalisierung und Internet of Things deutlich voranzutreiben, sind 20 Prozent des Budgets für neue Geschäftsprozesse zwar ein guter Anfang", bilanzierte DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck, "aber unter dem Strich noch zu wenig."

Hans-Achim Quitmann, zuständig für den Bereich Technologie bei der DSAG
Hans-Achim Quitmann, zuständig für den Bereich Technologie bei der DSAG
Foto: DSAG e.V.

Insgesamt wollen die SAP-Anwender hierzulande wieder mehr Geld für IT in die Hand nehmen, lautet das zentrale Ergebnis der DSAG-Umfrage. Demnach sollen die ­IT-Budgets 2015 um 3,5 Prozent steigen, das ist doppelt so viel wie im Vorjahr (1,7 Prozent). Die SAP-Budgets sollen sogar um fünf Prozent zulegen, das ist allerdings ein Prozentpunkt weniger als noch im Jahr 2014. Knapp ein Zehntel der Unternehmen hat kein Geld für SAP-Produkte übrig.

Das Interesse an den neuen SAP-Produkten und -Entwicklungen ist da, bleibt aber überschaubar. Jeweils 17 Prozent der SAP-Anwender wollen in diesem Jahr in HANA und SAPs Cloud-Lösungen investieren. In rund einem Fünftel der Unternehmen sind Vorhaben rund um In-Memory, Cloud und Industrie 4.0 geplant. Der Anteil der Firmen, die hier bereits abgeschlossene Projekte vorweisen können liegt im unteren einstelligen Prozentbereich. Im Cloud-Umfeld löst sich die Bremse allmählich, doch noch immer sind Datenschutz-Sorgen ein Grund für die Zurückhaltung vieler Anwender. Sechs von zehn Unternehmen hätten angegeben, dass die Unsicherheit ihre Investitionsentscheidung beeinflusst habe, sagte DSAG-Vorstand Lenck. "Wir brauchen besseren Schutz." Auch angesichts der jüngsten Ankündigung von S4/HANA gibt es auf Seiten der Anwender etliche Fragen. Manche Details, vor allem aber die Preismodelle seien noch unklar, moniert Lenck und verlangt Antworten auf Fragen wie: "Was ist bei S4/HANA anders als bei der Business Suite?"

Angesichts dieser Unwägbarkeiten verwundert es nicht, dass nach wie vor Projekte rund um das klassische On-Premise-ERP bei den meisten Unternehmen im Vordergrund stehen. Dabei geht es vorrangig um Themen wie Konsolidierung und Rollout-Vorhaben. Angesichts dieser Prioritäten dürfe SAP seine Bestandskunden nicht vergessen, mahnen die DSAG-Verantwortlichen. "Bestehende Produkte müssen im Rahmen der Wartung weiterentwickelt werden", fordert Lenck. Es gebe zwar Vorreiter unter den DSAG-Mitgliedern, die sich mit innovativen Geschäftsprozessen beschäftigten. "Der Großteil ist jedoch noch mit den klassischen Themen rund um SAP-ERP befasst." SAP müsse deshalb für beide Zielgruppen weiterhin adäquate Lösungen bereitstellen.

SAP soll Einzellösungen stärker bündeln

Lenck sieht die SAP-Anwender derzeit mit dem vom Softwarekonzern zugesicherten Wartungs­fenster bis 2025 in einer komfortablen Situation. Allerdings bräuchten die Unternehmen diese Sicherheit auch, genauso wie Perspektiven, was nach 2025 passiert. Allem Anschein nach planen deutsche SAP-Anwenderunternehmen die Digitalisierung eher langfristig. Um sich darauf vorbereiten zu können, sei SAP jedoch aufgeru­fen, seine Kunden mit einem bedarfsgerechten Produktportfolio zu unterstützen, formulierte DSAG-Vorstand Quitmann seine Erwartungshaltung. Je weniger technologische Komponenten es gebe, umso einfacher werde es, stabile Prozesse zu gewährleisten und Lösungen zu warten. Das Ganze wirke sich so auf die Kosten aus und bringe damit auch betriebswirtschaftliche Vorteile. "Es ist mir ein großes Anliegen, mit SAP dahingehend ins Gespräch zu kommen, wie sich die einzelnen Lösungen in einer grundlegenden Strategie wieder bündeln lassen."

Ob die SAP-Verantwortlichen in den Unternehmen für die Ausrichtung ihrer Systeme jedoch so viel Zeit bekommen, ist indes fraglich. Es gelte schließlich die neuen Anforderungen aus den Fachbereichen zeitnah mit stabilen Prozessen zu unterstützen, stellte Quitmann fest. Gelingt das nicht, könnten die Fachbereiche das Heft selbst in die Hand nehmen. Derzeit werde bereits fünf Prozent des in den Unternehmen verfügbaren SAP-Budgets von den Lines of Business (LoBs) verantwortet - gut 20 Prozent von den IT-Abteilungen und rund drei Viertel von der Geschäftsführung. Jeder Fünfte geht allerdings davon aus, dass der Einfluss der Fachabteilungen in den kommenden Jahren steigen wird. Angesichts dieser Entwicklung kündigten auch die DSAG-Verantwortlichen an, sich künftig stärker um Fachabteilungen kümmern zu wollen.