Salesforce schmiedet an SaaS-Imperium

09.05.2008
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der Software-as-a-Service-Spezialist (SaaS) hat ehrgeizige Ziele und sagt dem klassischen Softwaremarkt rund um SAP, Oracle und Microsoft den Kampf an.

Das herkömmliche Anwendungsgeschäft ist tot." Mit dieser Botschaft empfing Marc Benioff, CEO von Salesforce.com, rund 2000 Besucher auf der Kundenkonferenz Dreamforce am 7. und 8. Mai im Londoner Barbican Centre. Ein Beleg für diese These sei, dass keine neuen Softwarehersteller klassischen Typs auf dem Markt auftauchten. Investoren würden ihre Taschen nur noch für neue Ideen wie eben das On-Demand-Modell öffnen. Die Granden des alten Softwarezeitalters hätten an ihrem Grab selbst mitgeschaufelt: "Die Akquisition von Siebel durch Oracle hat dem herkömmlichen CRM-Geschäft ein Ende gesetzt", behauptet der Salesforce.com-Chef. "Die Übernahme von Bea beendete den Markt für Application Server."

Der Erfolg scheint dem kalifornischen Softwareanbieter, der im kommenden Jahr sein zehnjähriges Firmenjubiläum feiert, recht zu geben. Im vergangenen Geschäftsjahr 2007/08 (Ende: Januar 2008) stand ein Umsatz von fast 750 Millionen Dollar zu Buche, das waren 51 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Für das laufende Fiskaljahr peilt das Management Einnahmen von mehr als eine Milliarde Dollar an.

Großen Anteil daran soll der europäische Markt haben. Benioff zufolge legten die Geschäfte in Europa zuletzt um 69 Prozent zu - deutlich mehr als im Stammland USA. Weltweit zählt Salesforce.com rund 41 000 Kunden und etwa 1,1 Millionen Nutzer. Davon kommen derzeit jedoch nur 7000 Anwenderunternehmen oder 140 000 Endanwender aus Europa. Dennoch gibt sich die US-Company zuversichtlich, die Geschäfte außerhalb der USA ankurbeln zu können. Europa-Chefin Lindsey Armstrong verweist darauf, dass die beiden größten Kunden des Anbieters nicht aus Amerika kommen. Außerdem will das Unternehmen im kommenden Jahr jeweils ein zusätzliches Rechenzentrum in Asien und in Europa errichten.

Um die ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen, setzen die Salesforce.com-Verantwortlichen ganz auf die Plattformkarte. Längst steht das angestammte On-Demand-Geschäft mit Customer-Relationship-Management-Lösungen (CRM) nicht mehr im Vordergrund. Mit Force.com offeriert der Softwarehersteller seinen Kunden eine Platform as a Service (PaaS), auf der sie eigene Applikationen entwickeln und anbieten können.

Mit der bisherigen Nutzung von Force.com zeigt sich das Salesforce.com-Management zufrieden. Kunden hätten schon über 60 000 Applikationen auf Basis der SaaS-Plattform entwickelt, hieß es in London. Partner würden rund 800 eigene On-Demand-Anwendungen auf dem Online-Marktplatz für Mietanwendungsmodule AppExchange anbieten.

Salesforce.com will seine Plattform kontinuierlich ausbauen: Neben der CRM-Lösung nennt Benioff Content-Management, Collaboration, Office-Productivity und Enterprise Resource Planning (ERP) als weitere Bausteine. Seine Fühler hat er bereits ausgestreckt: Mit dem erst kürzlich bekannt gegebenen Bündnis mit Google integriert Salesforce.com die Office-Tools aus dem "Google-Apps"-Angebot in seiner Plattform. 2000 Kunden hätten die zusätzlichen Funktionen schon freigeschaltet, sagt Benioff. ERP-Funktionen steuert der britische Softwareanbieter Coda bei, der seine neue Financials-Lösung komplett auf der Salesforce.com-Plattform entwickelt hat. Ziel ist, die komplette Palette von Business-Software auf der eigenen Plattform anbieten zu können, bestätigt Joachim Schreiber, Managing Director von Salesforce.com in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Partner brauchen Geduld

Ob die Lockrufe bei Softwarepartnern so leicht Gehör finden, wie sich das der Anbieter vorstellt, bezweifelt Helmuth Gümbel, Analyst von Strategy Partners. Schließlich müssten die Softwarehersteller, die On-Demand-Lösungen entwickelten, einen längeren finanziellen Atem mitbringen, da gerade am Anfang Mieteinnahmen längst nicht so viel einbrächten wie Lizenzumsätze. Dafür müssten die Softwarefirmen auch deutlich weniger in ihre Entwicklungen investieren, hält Schreiner dagegen. Die entsprechenden Entwicklungslizenzen für Force.com seien kostenlos. Außerdem ließen sich die On-Demand-Applikationen online entwickeln. Damit entfielen die Kosten für die eigene Entwicklungsinfrastruktur.

Dennoch wird Salesforce.com Geduld aufbringen müssen, meint Gümbels Analystenkollegin Karin Henkel. Nach wie vor gebe es gerade im Mittelstand viele Vorbehalte bei den Anwendern, Daten und Anwendungen nach außen zu vergeben. "Es braucht Zeit, bis hier ein Umdenken stattfindet", prognostiziert die Expertin, "und eine neue Generation von CIOs heranwächst, die mit Online-Diensten wie Youtube oder Facebook groß geworden ist."

Je mehr junge Leute nachrücken, desto stärker wird der Trend, entgegnet Schreiner. Mittlerweile sei das On-Demand-Modell schon akzeptiert. Allerdings ändere sich damit auch die Rolle des CIO. Wer sich krampfhaft an seinen IT-Besitzstand klammere und seine Funktion als Chief Infrastructure Officer verstehe, manövriere sich selbst auf das Abstellgleis. "Dann heißt CIO Career is over."

Konkurrenz wirbt für Salesforce

"Außerdem spielt uns die Konkurrenz in die Hände", sagt Schreiner. Wenn Microsoft, Oracle und SAP eigene On-Demand-Entwickungen ankündigten, dann aber bei der Auslieferung ins Stolpern kämen, machten sie Werbung für Salesforce.com. Seinem Chef Benioff ist ebenfalls nicht bange vor der Konkurrenz. Google an seiner Seite, scheut der CEO auch nicht die Konfrontation mit dem weltgrößten Softwarehersteller Microsoft: "Der Feind meines Freundes ist auch mein Feind", gibt sich der Salesforce.com-Chef kampfbereit. Für SAP hat er dagegen nur Spott übrig. Der deutsche Softwarekonzern habe in Sachen SaaS keinen Plan, höhnt Benioff. Selbst mit einem riesigen Entwicklerheer sei es dem Konkurrenten nicht gelungen, eine vernünftige On-Demand-Lösung auf die Beine zu stellen. "SAP kann ja seine Applikationen auf Force.com entwickeln."

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Analysten zum SaaS-Markt

Marktforscher prophezeien dem weltweiten Geschäft mit Mietsoftware goldene Zeiten. Gartner geht für die kommenden Jahre von jährlichen Wachstumsraten in Höhe von rund 22 Prozent aus. 2011 soll bereits ein Viertel aller global ausgelieferten Software als Mietprodukt via Internet ausgeliefert werden. Die Experton Group beziffert das Marktvolumen von SaaS-Lösungen in Deutschland für das laufende Jahr auf 300 Millionen Euro. Zunehmend würden auch unternehmenskritische Anwendungen ins Netz verlagert, sagt Andreas Burau, Research Director der Experton Group. Techconsult-Analyst Alexander Kubsch zufolge sei die Frage nicht mehr ob, sondern wie schnell sich SaaS durchsetzen wird.

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