Personalauswahl nach DIN löst Skepsis aus

12.11.2002
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Ähnlich skeptisch sieht es auch Rainer Schmidt-Rudloff. „Die Norm an sich ist unverständlich“, erklärt der stellvertretende Abteilungsleiter für Betriebliche Personalpolitik/Berufliche Bildung bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin. Er beurteilt den Normierungsversuch vor allem wegen des zusätzlichen Aufwands für Unternehmen kritisch. Besonders die gewünschten Qualifikationen für Personalentscheider erfordern nach Meinung von Schmidt-Rudloff viel theoretisches Wissen und fast ein Diplom in Psychologie. „Die berufliche Erfahrung der Personalverantwortlichen wird dabei ignoriert.“

Die Kritik aus akademischen Kreisen, heutiges Personal-Recruiting erfolge nach Gutsherrenart, kann Schmidt-Rudloff nicht nachvollziehen: „Die Auswahlmethoden haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt.“ Ganz will der BDA-Mann die DIN jedoch nicht verteufeln. Er räumt ein, dass sie in einigen Fragen eine Orientierungshilfe geben könne. Die Personalberater halten sich mit Stellungnahmen zur neuen DIN noch zurück und prüfen die Forderungen.

Heinrich Wottawa, Professor an der Ruhr-Universität Bochum: Aus dem Bauch heraus einstellen ist unprofessionell.

Dabei ist Heinrich Wottawa, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, überzeugt, dass Berater durchaus mit einem DIN-Zertifikat werben könnten. „Zukünftig können sich externe Anbieter durch die Norm einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen“, prognostiziert Wottawa. Der Lehrstuhlinhaber für Psychologische Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation weiß allerdings auch um die vielfältige Kritik. „Recruitment-Instrumente gehören zu den stabilsten Verfahren im Unternehmen. Sie in Frage zu stellen hieße zuzugeben, dass man bisher nicht die besten Leute eingestellt hat.“ Außerdem wollten sich Unternehmen beziehungsweise Personalverantwortliche die Entscheidungsfreiheit bei der Bewerberauswahl nicht einschränken lassen.

Von Personalreferenten ist immer wieder zu hören, dass neben Lebenslauf und Zeugnissen Sympathie und subjektive Kriterien eine große Rolle spielen. Sie begründen letztendlich ihre Entscheidung mit einem „Gefühl aus dem Bauch heraus“, das den Ausschlag gibt, ob sie sich für oder gegen einen Bewerber aussprechen. Wottawa hält solches Vorgehen für unprofessionell, die Produktivität der hiesigen Wirtschaft leide darunter. „Vielen Unternehmen sind die Probleme bei der Bewerberauswahl nicht bewusst“, vermutet der Psychologieprofessor. Und hier möchte die Norm Entwicklungshilfe leisten.