Online-Lernen in betriebswirtschaftliche Prozesse integrieren

03.02.2003
Von Gunter Heiduck

Das A und O nutzenorientierter Ausbildungsprogramme ist eine sorgfältige Standortbestimmung und ein darauf aufbauender, möglichst auf den einzelnen Mitarbeiter zugeschnittener Lernfahrplan. Ist ein Unternehmen beispielsweise in Fernost aktiv, kann es seinen Mitarbeitern ohne integrierte Weiterbildungsplanung zwar einen Japanischkurs verordnen, per Assessment und fein gerastertes Programm aus Lernobjekten aber möglicherweise die sinnvolleren Lerneinheiten für betriebswirtschaftliches Japanisch auf Einsteiger- oder Fortgeschrittenem-Niveau offerieren. Nach Abschluss der Weiterbildung wird das Erlernte nicht nur getestet, sondern auch in das Qualifikationsprofil des Mitarbeiters aufgenommen. Sprich: Der Zugewinn an Kompetenz jedes Mitarbeiters wird zu einem Aktivposten für die Personalplanung eines Unternehmens.

Beispielsweise kann ein international tätiges Unternehmen rasch ermitteln, welchen Kostenaufwand der personelle Aufbau einer neuen Fertigungsanlage in Lateinamerika verursacht; welches Know-how - etwa Spanischkenntnisse bei deutschen, Fachkenntnisse bei argentinischen Mitarbeitern - vorhanden ist; ob es günstiger ist, die Mitarbeiter komplett vor Ort selbst auszubilden, einen Dienstleister mit der Ausbildung zu beauftragen oder deutsche Techniker nach Übersee zu schicken. Umfragen zeigen, wie gering die Investitionen ins elektronisch gestützte Lernen bislang ausfallen und dass einzelne Anwendungen allenfalls Pilotcharakter haben. Vor allem in mittelständischen Unternehmen scheint das Misstrauen gegen die digitalen Lernmethoden noch sehr groß zu sein. Anders dagegen sind die Weiterbildungsinitiativen der Industrie zu beurteilen.

Lernen im Netz überzeugt schon zahlreiche Banken und Versicherungen sowie große Chemieunternehmen als fortschrittliches Lernumfeld. Hier hat die elektronische Weiterbildung bereits die klassische Präsenzveranstaltung überholt. IBM wickelt schon 45 Prozent der Weiterbildung per E-Learning ab. Höhere Qualität sowie über 40 Millionen Dollar Einsparungen im Weiterbildungsetat lauten die schlagenden Argumente. Das belegt: E-Learning und RoI gehören untrennbar zusammen. Zu dieser Schlussfolgerung kam auch der US-amerikanische Hersteller von Landmaschinen John Deere. Auf Basis einer integrierten E-Learning-Plattform steuert das Unternehmen bereits 1800 Kurse. Ebenso hat der Ölgigant Exxon Mobile seine Weiterbildung in die betriebswirtschaftlichen Anwendungen integriert. Lernprogramme für 180000 Mitarbeiter weltweit werden über das HR-Modul geplant, umgesetzt und auf ihren Effekt überprüft.

Größtmöglicher Komfort für Anwender

"Lernen", sagte der chinesische Philosoph Laotse, "ist wie Rudern gegen den Strom. Wer aufhört, treibt zurück." Um das zu vermeiden, bieten moderne Lernumgebungen dem Anwender größtmöglichen Komfort. Über ein Portal greift er auf alle Angebote zu, selbstverständlich personalisiert und auf seine Bedürfnisse zugeschnitten, sei es ein Web-based Training in Wirtschaftsenglisch für Fortgeschrittene, ein Computer-based Training zu Windows NT oder ein Kurs in Präsentationstechnik, der außer Haus veranstaltet wird. Das Portal vermittelt dem Anwender zahlreiche Informationen, führt ihn durch das Angebot und hilft ihm, seine Weiterbildung angemessen und situationsgerecht selbst in die Hand zu nehmen.

Persönliches Lernkonto

Dazu trägt auch das persönliche Lernkonto bei. Es enthält eine Übersicht über absolvierte und bevorstehende Trainings und vermittelt Einblick in persönliche Qualifikationen und Lernstrategien. Automatisch offeriert das Learning-Management-System konkrete Lernangebote, die es aus dem Delta zwischen Qualifikationsprofil und -bedarf ableitet. Es verfolgt den Lernfortschritt und steuert Lernprozesse. Der Anwender erfährt so jederzeit, wo er steht und welche Lernschritte er noch vor sich hat. Individuell wählbare didaktische Lernstrategien führen durch den einzelnen Kurs und sorgen für die dynamische Anpassung des Kursverlaufs an Lernsituation und Präferenzen des Teilnehmers. Hat er eine Lerneinheit erfolgreich abgeschlossen, werden die Qualifikationen automatisch in seinen Personalstamm übertragen. 

Entscheidend ist es, dass die Lernplattform im Einklang mit den weltweit etablierten Standards für E-Learning steht. Dadurch sind Ausbildungsprogramme wiederverwendbar und lassen sich an unterschiedliche Gegebenheiten dynamisch anpassen. Basis hierfür ist die Scrom-Spezifikation (Srom=Sharable Content Object Reference Model), die von ADL (Advanced Distributed Learning, eine Initiative des Verteidigungsministeriums) in den USA und mit Empfehlung internationaler Organisationen wie AICC, IEEE oder IMS entwickelt und vorangetrieben wird. 

*Dr. Gunter Heiduck ist Vice President für Human-Capital-Management bei der SAP AG in Walldorf.