Nur Visionäre brauchen kein Berufsprofil

15.10.2004
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Diese Voraussetzung erfüllten indes die wenigsten Kandidaten. Bei Booz Allen Hamilton ist man darum zu gewissen Abstrichen bereit, erklärt Bussmann: "Wenn ein Bewerber vom Profil nicht hundertprozentig, dafür aber menschlich gut zu uns passt, bekommt er eine Chance." Letztlich zählten in der Beratung neben Fach- und Branchenwissen analytisches und strukturiertes Denken sowie eine sehr hohe Sozialkompetenz.

Noch höhere Anforderungen an die deutschen IT-Profis stellt nach Meinung von Arbeitsmarktexperten die verstärkte Verlagerung von Arbeit in Billiglohnländer dar. Um gegen die Konkurrenz mithalten zu können, müssen die hiesigen IT-Profis auf jeden Fall Englisch beherrschen sowie als Moderator und Integrator auftreten können. Wer dazu nicht in der Lage ist, wird zu den Verlierern gehören. Fragt sich nur, wie angesichts der Konkurrenz in Offshore-Ländern das ideale Profil eines Informatikers aussehen sollte.

An der Frage, ob die Hochschulen den Nachwuchs angemessen auf diese Situation vorbereiten, scheiden sich die Geister. Während die einen mehr Praxisbezug fordern, lehnen andere dies kategorisch ab. Ihrer Meinung nach bietet eine fundierte Grundlagenausbildung die beste Chance, das lange Berufsleben zu meistern. Davon ist auch Christian Boos, Geschäftsführer des Sicherheitsdienstleisters Arago in Frankfurt am Main, überzeugt: "Auf Grundlagenwissen wird tatsächlich zu wenig Wert gelegt. Viele der zu Jobprofilen führenden Studiengänge sind weder Fisch noch Fleisch." Statt die Studenten darauf festzunageln, sich ein fundiertes und tiefes Wissen anzueignen, versuche man sie zu überzeugen, möglichst viele Felder der Informationstechnologie bereits im Studium abzudecken.

Mangel an guten Ideen

Systembedingt zwinge diese Angebotsbreite zu Inhaltsarmut. Gerade im Bereich Sicherheit kann man seiner Meinung nach die Folgen am deutlichsten sehen. Das breite Fundament falle ob der schnellen Änderungszyklen schnell in sich zusammen. Für den Arago-Chef stehen die Anforderungen fest: Er erwartet von den potenziellen Mitarbeitern tiefes Grundlagenwissen für das jeweilige Gebiet. Boos: "Wer bei uns im Bereich Security arbeiten möchte, muss wissen, wie TCP funktioniert und welche Algorithmen verwendet werden." Darüber hinaus müsse der Bewerber teamfähig sein. Einzelkämpfer seien in der IT fehl am Platz. Schließlich sei auch ein privates Engagement eine wichtige Voraussetzung: "Gerade im Bereich Sicherheit muss sich ein Mitarbeiter auch privat für das Thema interessieren, sonst wird ihn die Entwicklung unglaublich schnell überholen."

Dass die deutschen Hightech-Profis einige qualitative Defizite haben, ist hinter vorgehaltener Hand immer wieder zu hören. Dies ist nach Meinung von Personalberatern auch der Grund, warum sich die Green Card so lange gehalten habe und warum so manches Unternehmen oder Forschungsinstitut so gerne auf hochqualifizierte IT-Experten aus dem Ausland zurückgreife. Der Personalchef eines IT-Unternehmens, der lieber nicht genannt werden will: "Wir finden in Deutschland nicht genügend qualifizierte Talente. Wenn unser Haus also weiter eine Vorreiterrolle spielen will, müssen wir auch in Zukunft auf ausländische Computerexperten zurückgreifen."