Mehr Entlassungen als gewollte Jobwechsel

12.08.2005
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Wer neue IT-Mitarbeiter mit Berufserfahrung sucht, muss Überzeugungsarbeit leisten. Selbst wenn die Perspektiven beim jetzigen Arbeitgeber schlecht sind, schrecken Beschäftigte vor einem Wechsel zurück. "Viele nehmen dauerhaften Ärger oder einen Karriereknick in Kauf, statt nach einer Alternative zu suchen", vermutet Yasmine Limberger, verantwortlich für das Recruiting des Beratungsunternehmens Avanade aus Kronberg im Taunus. Viele Unzufriedene bleiben, weil sie fürchten, bei einem neuen Arbeitgeber die Probezeit nicht zu überstehen, wenn dieser sparen wollen.

Auch das Geld spricht oft gegen einen Neubeginn. Hofften viele in der Vergangenheit auf eine kräftige Gehaltserhöhung, wenn sie den Job wechselten, sehen sich viele heute sogar mit einem niedrigeren Angebot konfrontiert.

"In den letzten Jahren haben einige IT-Unternehmen ihr Gehaltsgefüge nach unten korrigiert. Das schreckt berufserfahrene Bewerber davor ab, den Job zu wechseln, selbst wenn es in der jetzigen Firma nur wenige Perspektiven gibt", erläutert Sven Kolthof, Partner der Rarecompany AG in Heidelberg. Der Vergütungsexperte Hofferberth kann diesen Trend bestätigen: "Auch Headhunter können längst nicht mehr so viel bieten. Außerdem gibt es nach den schwierigen Jahren am IT-Arbeitsmarkt einen Unsicherheitsfaktor." Wenn das Risiko nicht einmal über das Gehalt verringert werden kann, reduziert sich die Flexibilität noch stärker.

In Jobbörsen und Foren tummeln sich dagegen viele Wechselwillige. Die 2001 gegründete IT-Beratung Syngenio AG beschäftigt an vier Standorten rund 50 Mitarbeiter. Auf vier freie Positionen für unterschiedliche Niederlassungen innerhalb des letzten halben Jahres erhielt der Gründer und Vorstand Michael May kürzlich rund 550 Bewerbungen, die meisten erreichten ihn online. "80 Prozent der eingehenden Bewerbungen konnte ich sofort aussortieren. Vielen Anschreiben fehlte der logische Aufbau, andere hatten unglaublich viele Rechtschreibfehler", wundert sich May über die schlechte Qualität. Selbst wenn die Unterlagen überzeugen, erwarten die Bewerber mehrere Vorstellungs- und Auswahlgespräche. Rund die Hälfte der offenen Positionen kann der Syngenio-Mann über Empfehlungen von Mitarbeitern besetzen.

Mittlerweile haben viele Unternehmen ihre Personalpolitik angepasst. Da sie weniger neue Mitarbeiter einstellen, durchlaufen diese eine intensivere Prüfung, ob sie fachlich und menschlich in das Firmengefüge passen. Selbst ein unbefristeter Arbeitsvertrag garantiert keinen Job auf Lebenszeit. Firmen haben mehr in die Leistungsbeurteilung ihrer Angestellten investiert und verfolgen sehr genau deren Entwicklung. "Leistungsschwache Mitarbeiter stehen stärker unter Beobachtung", weiß der Towers-Perrin-Mann Hofferberth. Auch die Probezeit nutzen Unternehmen heute konsequenter, um sich schneller wieder von Angestellten zu trennen, die den Anforderungen nicht gewachsen sind.