Marketing in der Wirtschaftskrise

26.11.2002
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Welche Daten herangezogen und wie sie gewichtet wurden, behielt Kasper für sich. Lieber sprach sie über den Erfolg der Arbeit: Mit Hilfe des Data-Mining-Projekts seien 90.000 Kunden herausgefiltert worden, die die Vorteile des Online-Banking mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schätzen wissen - und damit die Rentabilität des LBBW-Geschäfts steigern könnten. Demzufolge lasse sich die Anzahl der Online-Kunden um 30 Prozent erhöhen. Im Umkehrschluss habe sich herausgestellt, dass rund 670.000 Kunden den Verlockungen des Internet-Banking eher reserviert gegenüber stehen. Sie gezielt anzusprechen ist deshalb eine teure und vergebliche Liebesmüh.

Wie die Allgemeine Deutsche Direktbank AG (Diba) den „Kundenwert“ steigert, beschrieb Mark Papenberg. Der junge Diba-Manager hat quasi im Alleingang ein System zur Kundensegmentierung und -wertberechnung für den Finanzdienstleister entwickelt. Auslöser für das Projekt sei die erfolgreiche „Extra-Konto-Kampagne“ gewesen, die der Diba von 2001 bis 2002 mehr als eine Million neuer Kunden eingebracht habe. Aus dieser Masse will die in Frankfurt am Main ansässige Bank die „richtigen“, sprich: einträglichen, Kunden herausfiltern.

Dazu fließen die im operativen Banksystem „Kordoba“ aufgelaufenen Stamm- und Transaktionsdaten in ein Marketing-Data-Warehouse, das auf der Version 8.2 des SAS-Systems basiert. Dort werden sie so lange abgeglichen, aggregiert und diversen Berechnungen unterworfen, bis sich der aktuelle „Wert“ und das künftige „Potenzial“ des jeweiligen Kunden beziffern lassen. In eine Matrix übertragen, bestimmen diese beiden Kennzahlen die Zugehörigkeit zu einem der vier Kundensegmente: Standard (wenig Wert und Potenzial), Individual (hoher Wert bei geringem Potenzial), Wachstum (derzeit nicht sehr profitabel, aber ausbaufähig) und Premium. Die Kunden im letztgenannten Segment sind per definitionem besonders lohnende Ansprechpartner für Cross-Selling-Angebote und erhalten deshalb hohe Priorität hinsichtlich des Call-Center-Routing, des Beschwerde-Managements und der Weiterleitung zu Beratern.

Laut Papenberg verkörperte dieses Projekt einen der heute viel zitierten „Quick Wins“: Überschaubaren Kosten von einem Mannjahr plus SAS-Lizenzen im unteren fünfstelligen Euro-Bereich stünden deutliche Vorteile gegenüber, deren Auswirkungen sich zwar nicht beziffern, gleichwohl aber spüren ließen.

Tausche Rabatt gegen Informationen

Das Topmanagement der Bank ist offenbar ebenfalls von der wettbewerbsentscheidenden Bedeutung des neuen Instruments überzeugt. Wie Papenberg stolz berichtet, wird die Diba im kommenden Jahr eine 20-köpfige Database-Management-Gruppe direkt unterhalb der Vorstandebene installieren - unabhängig von der Informationstechnik.