Lotus Notes 6.5 und Microsoft Exchange 2003 im Vergleich

08.10.2003
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

In Zukunft sollen alle Nicht-Windows-Desktops weitgehend gleichwertig mit einem angekündigten Java-Client unterstützt werden. Er ist nicht Bestandteil der Version 6.5, soll aber noch vor der Fertigstellung von Notes/Domino 7.0 zur Verfügung stehen. Die Rede ist dabei von einem "Rich Client", unklar bleibt aber bis dato noch, ob er tatsächlich alle Funktionen von Notes bieten wird. Lotus hatte schon vor rund fünf Jahren mit der "E-Suite Workplace" einen erfolglosen Anlauf mit Java-basierender Client-Software unternommen. Dank höherer Rechenleistung moderner PCs und erheblicher Fortschritte von Java scheint die Sun-Technik nun reif für den Desktop. Dies belegen etwa komplexe Applikationen wie IBMs integrierte Entwicklungsumgebung "Eclipse".

Die allgegenwärtige Anwesenheitsanzeige verrät dem Anwender, ob ein Kollege per Online-Chat kontaktiert werden kann.
Die allgegenwärtige Anwesenheitsanzeige verrät dem Anwender, ob ein Kollege per Online-Chat kontaktiert werden kann.

In der Zwischenzeit können Linux-Anwender Fortschritte bei DWA in Anspruch nehmen, die auch unter Windows verfügbar sind. Dazu zählt etwa die mit dem Komprimierungsverfahren gzip verdichtete Datenübertragung zwischen Client und Server. Zusätzlich lässt sich über die Veränderung der betreffenden Masken das Layout des Web-Clients an die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Die von IBM als wichtigste Neuerung von Notes/Domino 6.5 gepriesene Integration von Instant Messaging (IM) zeigt, dass sich auf dem Client eine Zwei-Welten-Lösung abzeichnet. Das neue Feature bleibt der Windows-Version vorbehalten, die Variante für den Macintosh geht leer aus. Das deutet darauf hin, dass der einzigen Notes-Variante außerhalb von Windows nicht mehr viel Zukunft gegönnt sein dürfte. Am Ende dieser Entwicklung steht wohl Notes für Windows und ein Java-Client für den Rest der Welt.

Die Einbindung von IM-Funktionen in die Version 6.5 erfolgte durch die Verschmelzung des Clients für "IBM Lotus Instant Messaging and Web Conferencing" (vormals "Sametime") mit Lotus Notes. Damit stehen die wesentlichen Funktionen der Software in allen Anwendungen von Notes zur Verfügung, also bei Mail, Kalender oder Adressbuch. Am stärksten dürfte Anwendern die allgegenwärtige "Presence Awareness" auffallen, die bei allen auftretenden Personennamen (Absender von Mails, Kontakte im Adressbuch, Teilnehmer an Besprechungen) anzeigt, ob die Person über einen Online-Chat erreichbar ist.

Microsoft bemühte sich schon seit einiger Zeit, den Vorsprung IBMs bei der Enterprise-Nutzung von IM-Funktionen aufzuholen. Als Konkurrenz zu Sametime bot die Gates-Company den "Exchange Conferencing Server", dessen Funktionen sie unter dem Codenamen "Greenwich" weiterentwickelte und die ursprünglich in den Windows Server 2003 gepackt werden sollten. Die Marketiers von Microsoft tauften die Software Anfang 2003 auf "Realtime Communications Server" und benannten sie kürzlich auf "Office Live Communications Server 2003" um. Sie soll zeitgleich mit Office 2003 und Exchange 2003 Ende Oktober auf den Markt kommen.

Der Office-Server verfügt über ähnliche Fähigkeiten wie sein IBM-Gegenstück. Dazu gehören neben der allgegenwärtigen Presence Awareness und Online-Chats die gemeinsame Benutzung einer Anwendung ("Application Sharing") oder eines virtuellen Schmierzettels ("Whiteboard"), Videokonferenzen und Dateiübertragung. Diese Funktionen erbringt der in Windows integrierte "Messenger" zwar auch ohne Server, Letzterer fügt aber Features für den Unternehmenseinsatz hinzu. Dazu zählt etwa die Integration mit dem Active Directory, die verschlüsselte Übertragung von Informationen oder die Protokollierung von Chats. Wie bei Sametime lassen sich zudem IM-Funktionen über ein API und Toolkits in eigene Programme integrieren. Microsoft bietet nach der Übernahme von Placeware zusätzlich unter der Bezeichnung "Office Live Meeting" eine gehostete Alternative für derartige Echtzeitanwendungen an. Die Konferenzlösung erlaubt virtuelle Meetings mit bis zu 2500 Teilnehmern. Eine Integration in das hauseigene Büropaket steht indes noch aus.

Nach dem Entschluss von Microsoft, den IM-Server nicht mit Windows Server 2003 auszuliefern, sondern als eigenständiges Produkt zu vertreiben, verfolgen die beiden Kontrahenten ein ähnliches Geschäftsmodell. Sie liefern den IM-Client ohne Aufpreis mit Windows beziehungsweise Notes aus und verlangen für den Server Lizenzgebühren. Die IM-Funktionen sind zweifellos der Bereich, in dem die neuen Versionen von Notes/Domino und Outlook/Exchange am stärksten um die Gunst der Anwender wetteifern. Schließlich haben die meisten Firmen E-Mail-Systeme schon längst eingeführt, Software für die Echtzeitzusammenarbeit ist noch nicht so weit verbreitet.