Linux-Desktops: Nur Fenster nach Windows-Norm?

30.10.2001
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Doch damit ist das Rennen nicht entschieden. Das starke Commitment und die Mitarbeit von Sun, das Gnome als Standard-Desktop ihrer Workstations anbieten will, stärken das Projekt immens. Zielstrebig sind die Arbeiten an der Version 2.0 aufgenommen worden. Trotz technologischer Fortschritte dämpften die Teilnehmer der alljährlichen Linux-Desktop-Sommerlochdiskussion die Hoffnungen. So zum Beispiel Intel -CEO Craig Barret: Weil er eine mit Windows vergleichbare Vielfalt von Applikationen vermisst, sieht er für Linux in der nahen Zukunft wenig Chancen. Da passte die Mitteilung von Dell, den Verkauf von Desktop-Linux-Systemen einzustellen, wie die Faust aufs Auge. Steve Smith, Dell-Verantwortlicher für Client-Systeme in Europa,

kanzelte Linux als technisches Betriebssystem ab, das nicht für Anfänger ausgelegt sei.

Die Kritik ist nicht ganz nachzuvollziehen. Applikationen gibt es für Linux reichlich, professionelle und ausgereifte Office-Applikationen eingeschlossen. Zu den bekannten Desktop-Produkten „KOffice“, „Star-Office“, „Gimp“, „Gnome Office“, „Wordperfect“ und „Applixware“ gesellten sich dieses Jahr zwei weitere Lösungen: „Hancom Office“ vom größten koreanischen Softwarehersteller Hancom sowie „Ximian Desktop“ aus dem Bostoner Softwarehaus Ximian, der Firma des Gnome-Initiators Miguel de Icaza.

Was den Erfolg des Linux-Desktops gefährdet, ist die altbekannte Tatsache, dass Linux gegen ein Monopol ankämpft. Microsoft Office gilt als die Büro-Applikation schlechthin. Für Linux ist die Software jedoch nicht verfügbar. Und auch bei einem ausgereiften Linux-Office-Paket wie Star-Office lassen sich zwar Windows-Dateien lesen und schreiben, doch hapert es mit der originalgetreuen Formatierung. Einer Umfrage von „Heise online“ zufolge halten PC-Anwender das Fehlen eines zu Microsoft vollständig kompatiblen Office-Büropaketes denn auch für das größte Manko von Linux. Mehr als 90 Prozent der Linux-Anwender, so das Ergebnis, setzen auf dem Desktop ein weiteres Betriebssystem ein – fast immer Windows. Das deckt sich mit den Zahlen von IDC, nach denen sich Linux auf dem Desktop mit gerade zwei Prozent gegenüber

Marktführer Microsoft wie David gegen Goliath ausnimmt. Linux hat also auf dem Desktop das Henne-Ei-Problem: Solange auf der einen Seite die kritische Masse an Installationen nicht vorhanden ist, scheuen die Softwarehersteller die Kosten für die Unterstützung dieser für sie zusätzlichen Plattform. Solange es aber auf der anderen Seite nicht die nachgefragte Software unter Linux gibt, sehen die Anwender keine Möglichkeit für einen Wechsel.

Kein Preisvorteil für die Kunden