Cost-Cutting mit Gen AI?

Kurzsichtiger Geiz lohnt sich nicht!

Kommentar  04.07.2023
Von 
Matt Asay ist Autor der US-Schwesterpublikation Infoworld.com.
Unternehmen, die Generative AI lediglich als Werkzeug sehen, um Stellen abzubauen und Kosten einzusparen, sind auf dem Holzweg.
Kurzfristig sparen schlägt langfristig produktiv sein?
Kurzfristig sparen schlägt langfristig produktiv sein?
Foto: Divinia Epiphania - shutterstock.com

Wenn Sie gerade darüber nachdenken, wie Sie mit (generativer) künstlicher Intelligenz (KI) Arbeitsplätze abbauen und weiter Kosten senken können: Lassen Sie das.

Ein aktueller Report (PDF) von Goldman Sachs legt nahe, dass im Zuge des KI-Siegeszugs bis zu 300 Millionen Jobs überflüssig werden könnten. "Etwa zwei Drittel der aktuellen Arbeitsplätze sind bis zu einem gewissen Grad der KI-Automatisierung ausgesetzt. Generative AI könnte dabei rund ein Viertel der momentanen Jobs ersetzen", heißt es im Bericht der Investmentbanker.

Tatsächlich ist es realistisch, dass der ein oder andere Manager mit Sparzwangsneurose sich durch den Gen-AI-Boom dazu berufen fühlt, neue Cost-Cutting- beziehungsweise Layoff-Möglichkeiten aufzutun. Die Gewinner werden am Ende allerdings diejenigen Unternehmen sein, die Wege finden, ihre Mitarbeiter mit Hilfe generativer KI zu befähigen und produktiver zu machen. Auch - aber nicht nur - im Bereich der Softwareentwicklung.

KI falsch gedacht?

Nicht, dass zu sparen per se etwas Schlechtes wäre. Ist das aber die oberste Maßgabe, ergibt sich eine extrem eingeschränkte Perspektive auf die Technologie. Einige der wichtigsten Technologietrends der letzten Dekaden wurden zunächst als Cost-Cutting-Möglichkeit vermarktet, entwickelten sich aber schnell darüber hinaus. Die Cloud und Open Source sind nur zwei Beispiele. So rühmte sich Amazon Web Services etwa im Jahr 2008 noch damit, die kosteneffektivste Lösung zu sein, um Applikationen zu den Kunden zu bringen. Das hat sich grundlegend gewandelt, wie ein Forbes-Interview mit AWS-CEO Andy Jassy aus dem Jahr 2015 belegt: "Die Cloud kostet zwar weniger, aber was die Kunden wirklich interessiert ist Agilität", ließ der Manager damals wissen. Diese Botschaft der Agilität steht nach wie vor im Fokus - versierte Cloud-Kunden profitieren davon weit mehr als von Cost-Cutting-Maßnahmen.

Für Unternehmen, die sich der Herausforderung stellen, bessere Wege zu finden, um Kunden zu erreichen, anzusprechen und mit Dienstleistungen zu versorgen, ist die Mitarbeiterproduktivität entscheidend - sie sehen die Mitarbeiter als ihr größtes Kapital. Vom Marketing über den Vertrieb bis hin zum Support, von der Entwicklung bis hin zum Finanzwesen - sie müssen den Einfluss jedes einzelnen Mitarbeiters maximieren. Ihre Aufgabe besteht also nicht in erster Linie darin, Wege zu finden um Kosten zu reduzieren, sondern vielmehr die Produktivität zu steigern.

Gen-AI-Programmier-Tools können die Softwareentwicklung optimieren. Gleichzeitig können diese Werkzeuge Entwickler jedoch nicht ersetzen, wie unter anderem unser Test von Amazon CodeWhisperer, Google Bard und GitHub Copilot X zeigt. Betrachten Sie es so: Generative-AI-Tools können 80 Prozent der Arbeit übernehmen, so dass die Entwickler genug Zeit für die restlichen 20 Prozent haben.

In anderen Disziplinen verhält es sich ähnlich: Das National Bureau of Economic Research hat in einer aktuellen Untersuchung (PDF) ermittelt, dass Kundendienstmitarbeiter, die KI einsetzen, 14 Prozent produktiver sind als diejenigen, die die Tools nicht verwenden. Aus diesem Umstand zu folgern, dass man nun 14 Prozent der Mitarbeiter entlassen könnte, wäre falsch. Vielmehr geht es darum, die bestehenden Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, bessere Arbeit zu leisten. Und "besser" heißt in diesem Fall nicht unbedingt mehr - schließlich kann ein übermäßiger, einseitiger Fokus auf Geschwindigkeit, etwa im Bereich der Softwareentwicklung, ins Unglück führen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.