Juniper schafft sich neue Feinde

16.03.2004
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Im Gegensatz zur Konsolidierung unter den Sicherheitsanbietern unterscheidet sich die jüngste Transaktion von Juniper indes in einem entscheidenden Punkt: Hier bewegt sich ein Unternehmen in ein angrenzendes Marktsegement, ähnlich wie es im vergangenen Jahr der Hardwarekon-zern EMC mit den Übernahmen von Documentum, Legato und VMware vorgemacht hat. Analysten gehen davon aus, dass nun auch andere Netzausrüster wie Cisco, Nokia oder 3Com ihre Diversifikation intensiver vorantreiben werden, da die angestammten Reviere über kurz oder lang gesättigt sind und der Preisdruck anhält.

Cisco unter Druck

Speziell Cisco musste herhalten, als es um die neue Strategie von Juniper ging. Der Konzern stehe in der Schusslinie des Aufsteigers, hieß es in diversen Berichten. Das Timing war insofern gut gewählt, als Cisco im Kerngeschäft unter Druck geraten ist. IDC-Analyst Lee Doyle erwartet dieses Jahr für die Umsätze im Netzausrüstermarkt für Unternehmenskunden einen Anstieg im mittleren einstelligen Prozentbereich. Hier ist Cisco laut DellïOro Marktführer mit einem Anteil von 90 Prozent. CEO John Chambers forderte daher unlängst Analysten dazu auf, sich beim prognostizierten Wachstum des Konzerns grob am Bruttosozialprodukt zu orientieren - die Aktie des Unternehmens brach trotz guter Quartalszahlen aufgrund dieser Aussage ein und hat sich bis dato nicht wieder erholt.

Besser als das Kerngeschäft entwickeln sich Ciscos neuere Segmente ("Advanced Tech"), etwa für Security, drahtlose Verbindungen, Speicherlösungen und Voice-over-IP-Produkte. Deren Anteil am Umsatz des Konzerns betrug im vergangenen Quartal jedoch nur rund 15 Prozent. Das Volumen der Wachstumsmärkte ist noch gering, verglichen mit dem angestammten Router- und Switch-Geschäft. Dennoch kann es sich Cisco nicht leisten, die Segmente zu ignorieren - es könnte ja über Nacht ein Boom stattfinden. Im Gegensatz zu Juniper ist Cisco jedoch schon länger in allen Märkten vertreten. Ein Analyst verglich Juniper daher auch mit einem Jagdmesser, während Ciscos Portfolio an ein Schweizer Offiziersmesser erinnert - allerdings mit einer großen Klinge.

Juniper konnte sich zuletzt von Cisco abkoppeln, weil die Company auf Highend-Router spezialisiert ist, die an Service-Provider und vornehmlich Carrier verkauft werden. Hier haben die Marktbeobachter der Dell'Oro Group im vergangenen Jahr einen Anstieg des Marktvolumens um 22 Prozent gemessen. Daher wuchs Juniper auf Ciscos Kosten bei den Gesamtmarktanteilen für Core-Router, zumal sich eine Highend-Produktlinie des Konzerns verspätete. Ein Vergleich der Unternehmen ist angesichts der komplementären Produktschwerpunkte allerdings nur eingeschränkt möglich.

Die Produktportfolios von Juniper und Netscreen weisen ebenfalls deutliche Unterschiede auf - Router für Carrier auf der einen Seite, Firewalls und VPNs für Unternehmen auf der anderen. Aus der Transaktion einen direkten Angriff auf Cisco ableiten zu wollen, erfordert daher eine gehörige Portion Fantasie. Indes legt sich Juniper mit dem Deal zumindest eine Vertriebsorganisation zu, die nachweislich an Firmen verkaufen kann. Juniper-CEO Scott Kriens ließ sich zudem mit den Worten zitieren, die Trennung in Carrier- und Unternehmenskunden sei sowieso passé.