Java und Web-Services erneuern Lotus Notes

14.02.2002
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

Big Blue verspricht sich von diesem XML-basierenden Komponentenmodell gleich mehrere Vorteile. Zum einen bietet es die Chance, für alle Server übergreifend so etwas wie ein Collaborative API zu definieren. Über ein solches konsistentes Lotus-Server-API ließen sich dann die immer wieder beschworenen "Collaborative Components" schon auf Basis der bestehenden Produkte realisieren. IBM will Web-Services nicht nutzen, um auf diesem Weg jede API-Methode zugänglich zu machen, sondern beabsichtigt, logisch zusammengehörige Funktionen zu komplexeren Features zu gruppieren. Sie könnten zukünftig die Bausteine einer Contextual Collaboration abgeben.

Für den Low-Level-Zugriff auf Programmier-Schnittstellen setzt Big Blue weiterhin auf Mechanismen wie RMI oder Corba. Darin zeichnet sich ein Unterschied zur Microsoft-Welt ab, wo DCOM unter .NET zum alten Eisen gehört - entsprechend werden dessen Aufgaben dort Web-Services übernehmen müssen. Das ändert aber nichts grundsätzlich daran, dass die beiden dominierenden Anwendungsmodelle, Java und Windows/.NET, zukünftig auf ein gemeinsames Komponentenmodell bauen.

Derzeit werden Anwendungen zur Online-Zusammenarbeit noch vornehmlich separat genutzt. Im Rahmen der Contextual Collaboration sollen sie Bestandteil von Business-Software werden.

Die Vorteile eines solchen Standards zeigen sich für die IBM auch darin, dass Windows-Versionen der Lotus-Produkte nicht mehr so vieler plattformspezifischer Verrenkungen bedürfen. Bisher musste Notes/Domino die meisten der Redmond-spezifischen Standards unterstützen, von COM über MAPI bis ODBC. Dank Web-Services ergeben sich auch neue Möglichkeiten in puncto Client-Anbindung, vor allem nachdem Microsoft Office mit Hilfe eines kürzlich freigegebenen Add-ons ebenfalls mit dem neuen Standard kompatibel ist. Hinter der geplanten, durchgängigen Web-Service-Fassade kann die IBM ihre Server-Produkte in kleinere Komponenten zerlegen, ohne dass sich dies auf externe Anwendungen auswirkt. Besonders für Domino steht eine stärkere Modularisierung schon länger auf der Tagesordnung. Aus historischen Gründen bringt dieser Server einige Funktionen mit, die heute gängige Bestandteile der IT-Infrastruktur sind. Dazu zählen besonders eine eigene Datenbank sowie

ein integriertes Verzeichnissystem. Während relationale Datenbanken in den Anfangszeiten von Notes noch auf wenige Standarddatentypen beschränkt waren, können ihre objektrelationalen Nachfolger auch beliebige Multimedia-Daten speichern. Der schwindenden Daseinsberechtigung der Notes-Datenbank (NSF) trägt die IBM Rechnung, indem sie mit Domino 6 Funktionen des "Lotus Enterprise Integrator" in das Basisprodukt übernimmt. Damit lassen sich NSFs weitgehend virtualisieren, das heißt, sie dienen bei Bedarf nur mehr als Fenster in eine DB2- oder Oracle-Datenbank. Auf ähnliche Weise soll auch das Domino-Directory in späteren Versionen als Hülle für externe Verzeichnissysteme fungieren.