Jäger und Gejagte

01.09.2004
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Betroffen von der Sommerschwäche waren wieder einmal die Softwerker der zweiten Reihe, etwa Siebel, BMC, Veritas, Sybase, Filenet und selbst Peoplesoft. Gründe für den Einbruch wurden viele genannt - hohe Ölpreise, Angst vor Terror und Krieg, starker Wettbewerbsdruck, Preisverfall, viele Arbeitslose. "Die makroökonomischen Belastungsfaktoren haben zugenommen und die Unsicherheit der Anwender verstärkt", fasst Knut Woller den Verlauf des Juni zusammen. Der Softwareanalyst der Hypovereinsbank (HVB) geht davon aus, dass das "Underspending der IT-Budgets" auch über die Monate Juli und August angehalten haben könnte. Für die Anbieter ist der Sommer folglich doppelt dumm gelaufen - Geld wäre zwar verfügbar gewesen, es wurde nur nicht investiert.

Satte Anwender - hungrige Anbieter

Dass viele Softwaremärkte, vor allem im Großkundensegment, gesättigt sind, kommt hinzu. Einstellige Wachstumsraten bestimmen gegenwärtig die Tagesordnung, eine rasche und grundlegende Belebung zeichnet sich zudem nicht ab. Scott Kriens, Chef des Netzausrüsters Juniper, fand den eingängigsten Vergleich: "Die wirtschaftliche Erholung wird keine Flut sein, die alle Boote gleichermaßen anhebt." Der Bericht Oracles zum ersten Fiskalquartal, der Mitte September ansteht, kann Zeichen setzen, wo die Reise der Softwarebranche in den kommenden Monaten hingeht.

Derweil schreitet die Konsolidierungswelle unter den Lieferanten weiter fort. Das Motto: Große Unternehmen kaufen andere Unternehmen und werden riesig; kleine Firmen hingegen lassen sich entweder kaufen, bleiben in ihrer Nische oder lösen sich auf. Beispiele für früher undenkbare Transaktionsansätze gibt es genügend: Sun Microsystems hatte mit dem Gedanken gespielt, Novell zu übernehmen; Microsoft war kurze Zeit hinter SAP her, Oracle hat es immer noch auf Peoplesoft abgesehen, Bea Systems und Siebel werden schon länger eine Zukunft als eigenständige Anbieter abgesprochen. Die Zahl der erfolgreichen Übernahmen im Softwaresegment von Januar 2004 bis Ende August schätzt der Börsen- und Wirtschaftsdienst Bloomberg auf über 800. "Damit haben die Aktivitäten das höchste Niveau seit dem Jahr 2000 erreicht", sagt Thomas Gumsheimer, Partner und IT-Experte bei der Strategieberatung Bain & Company.

Softwerker sägen am eigenen Ast

Vor allem die Anbieter der zweiten Reihe stehen vor dem Dilemma, dass sie ohne ein breites Wachstum des Marktes die Vorgaben der Analysten und Investoren nicht mehr erfüllen können. In diesem Fall sinken das Vertrauen und der Aktienkurs, so dass ihre einzige Übernahmewährung - sollten sie nicht auf großen Bargeldreserven sitzen - allmählich entwertet wird. Dies wiederum verstärkt den Preisdruck, denn Marktanteile müssen gekauft werden, was den Ausleseprozess beschleunigt und die Anbieter am Ast sägen lässt, auf dem sie sitzen - die Revolution frisst ihre Kinder. "Zahlreiche mittelgroße Softwareunternehmen sind geborene Übernahmekandidaten", folgert Bain-Partner Gumsheimer.