Jäger und Gejagte

01.09.2004
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Die zweite Reihe der Softwareanbieter steht mitten in einer entscheidenden Phase: Die Firmen kaufen Marktanteile hinzu, oder sie werden gekauft. Zwischen den Davids und den Goliaths ist kaum noch Platz für Mitstreiter.

Der DV-Leiter eines mittelständischen Maschinenbauers klagte unlängst über "seine", vom Vorgänger hinterlassene ERP-Lösung: "Das schlimmste Programm, mit dem ich jemals arbeiten musste." Die Frage, wann und auf welche Plattform er denn angesichts der (genüsslich) berichteten Schwächen migrieren werde, überraschte ihn: "Ich führe mit Sicherheit kein neues ERP-System ein, solange das Alte noch halbwegs läuft."

Softwareanbieter haben die Zurückhaltung in Anwenderkreisen bemerkt - wenn schon nicht durch direkte Kundengespräche, dann zumindest über die Entwicklung ihres Lizenzgeschäfts. Die Luft ist raus aus der Branche, vor allem der Sommer hat die Hoffnung auf einen starken Aufschwung eingetrübt. So viele Umsatz- und Gewinnwarnungen wie zum zweiten Kalenderquartal hat es schon lange nicht mehr gegeben. Fußballreporter würden von einem "unansehnlichen Klein-Klein im Mittelfeld" sprechen und vehement den entscheidenden Pass in die Tiefe des Raums fordern. Dort stehen jedoch die Controller dicht gestaffelt und verteidigen ihre Budgets - um jeden Preis.

Die weiten Pässe der Anbieter kommen folglich immer seltener bei den Vorderleuten an: SAPs jüngster Vertrag mit dem US Postal Service (35 Millionen Dollar) und Peoplesofts Kontrakt mit Mexikos Steuerbehörden (50 Millionen Dollar) bilden die Ausnahmen. Statt dessen optimieren Anwender lieber die vorhandenen Systeme. Druck, neue Programme zu kaufen, gibt es gegenwärtig nur in Einzelfällen. Die Zeit der Sonderkonjunkturen (Jahr 2000, Euro) ist vorbei; innovative Vertriebsargumente wie Basel II oder die Erfüllung rechtlicher Vorgaben in den USA (Sarbanes-Oxley Act) ziehen nicht - im Gegenteil.

Sarbanes-Oxley wirkt sich aus

Der Sarbanes-Oxley-Act, der neue Bilanzprüfungs- und Haftungsregeln mit sich bringt, könnte gravierende Auswirkungen auf den Umsatz von Softwareanbietern haben - allerdings anders als ursprünglich gedacht. Die Investmentbank JMP Securities reduzierte vergangene Woche ihre SAP-Einschätzung von "market perform" auf "market underperform". Das Kursziel wurde auf 30 Dollar gesenkt, was etwa 20 Prozent unter dem aktuellen Kurs liegt. Hintergrund sei die Entscheidung einiger US-amerikanischer Firmen, die Implementierung von ERP-Systemen einzufrieren. In den kommenden Monaten würden keine neuen Programme eingeführt, so JMP, sondern verstärkt die bestehenden Anwendungen an das Gesetz angepasst. Die größten Auswirkungen habe dies auf ERP-Anbieter, worunter vor allem der Marktführer SAP leiden werde, hieß es. Ein SAP-Sprecher in den USA widersprach dieser Einschätzung.