IT-Studenten zieht es zu Siemens und IBM

22.08.2002
Von Katja Müller

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Studenten sind faszinierende Produkte und Dienstleistungen, was sich in der hohen Bewertung von Daimler-Chrysler (Rang fünf) und BMW (Rang sechs) niedergeschlagen haben könnte. Zudem hat sich offenbar herumgesprochen, dass BMW seine Personalpolitik nicht dem Zufall überlässt: Rund 200 Millionen Euro steckt der Konzern beispielsweise jährlich in die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter.

Verfehlte Personalpolitik wird abgestraft

Abgestraft wurden indes die IT-Anbieter Oracle, Cisco und Infineon, die sich nur in Boom-Zeiten hierzulande um das Thema Recruiting kümmerten und mittlerweile ihre Aktivitäten auf ein Minimum reduzierten oder sogar abstellten. Halbleiterhersteller Infineon lieferte 2001 ein Paradebeispiel einer verfehlten Personalpolitik, da zwischen der Ausschreibung von 1000 offenen Stellen und Entlassungen von bis zu 5000 Mitarbeitern nur wenige Monate lagen.

Ungeachtet der schwierigen Marktlage und der zurückhaltenden Einstellungspolitik der meisten IT-Unternehmen schrauben die Studenten ihre Einkommenswünsche nicht zurück: Die Mehrheit rechnet noch immer mit einem Einstiegsgehalt von durchschnittlich umgerechnet 44 00 Euro (im Vorjahr hofften die Befragten auf zirka 43 00 Euro). Allerdings würden die meisten ein langfristiges Verdienstpotenzial einem hohen Anfangseinkommen vorziehen. Laut Gehalts-Check 2002 der IG Metall liegen die Studenten mit ihrem Wunscheinkommen jährlich rund 2800 Euro über den von den Firmen gezahlten Salären für Universitätsabsolventen der Bereiche Ingenieur-, Informatik- und Naturwissenschaften.

Studentinnen forderten in der Umfrage im Übrigen jährlich rund 400 Euro weniger als ihre männlichen Kommilitonen. Dass Frauen in Gehaltsverhandlungen zurückhaltender sind, bestätigen auch andere Studien.Eine Kostenfrage dürfte für viele Befragte das Trainee-Programm sein, auf das die meisten verzichten würden. Trainees werden zwar eingearbeitet und geschult, verdienen dafür aber im Vergleich zu Direkteinsteigern weniger. Die Mehrzahl der Studentinnen jedoch würde sich für ein solches Programm entscheiden.

Nahezu einig sind sich die weiblichen und männlichen Studenten, wenn es um die berufliche Nebentätigkeit geht. Fast 80 Prozent arbeiten neben dem Studium. Das Plus im Geldbeutel scheint ihnen wichtiger zu sein als der Nachweis eines offiziellen Praktiums: Rund zwei Dritteln der Befragten fehlen nach dem achten Semester jegliche Erfahrungen in dieser Richtung.

Kaum Erfahrungen im Ausland

Noch geringer ist die Anzahl derer, die ein Praktikum oder ein Semester im Ausland absolviert haben: Nur etwa jeder zehnte Befragte entschloss sich, während seines Studiums außer Landes zu gehen. Da jedoch die meisten später lieber international als nur regional arbeiten wollen, scheint die Ursache mangelnder Mobilität woanders zu liegen. „Etwa 80 Prozent unserer 2500 Informatikstudenten haben einen Job, indem sie beispielsweise für jemanden programmieren. Da kann man es sich nicht leisten, wegzugehen“, erklärt Ernst Mayr, Dekan der Fakultät Informatik an der Technischen Universität München.

Zudem sei das Studium sehr anspruchsvoll. Wer in den ersten Semestern fehle, verpasse wichtige Grundlagen. „Die Fehlzeiten addieren sich zum Schluss wieder drauf“, konstatiert Mayr. Mehr Mobilität bewiesen die Studenten angesichts der Frage, ob sie bereit seien, für eine Anstellung den Wohnort zu wechseln. Fast 75 Prozent könnten sich vorstellen, für ein Jobangebot die Koffer zu packen. In Anbetracht der gespannten Lage am Arbeitsmarkt wissen viele Absolventen, dass sie möglicherweise ohnehin keine Wahl zwischen einem Unternehmen vor Ort oder in einer anderen Stadt haben -, sondern die Angebote nehmen müssen, die sie bekommen.

Rund zwei Drittel wären überdies bereit, bis zu 45 Stunden Arbeit in der Woche zu leisten. 2001 hatten sich nur rund 61 Prozent damit einverstanden erklärt. Größere Chancen auf dem Stellenmarkt erhoffen sich die Informatikstudenten, von einer möglichst breit angelegten Ausbildung, in der es weniger um Spezialisten- als um Generalistentum geht. Dass die jungen Informatiker deswegen eher eine Führungs- als eine Fachlaufbahn anstreben, ist jedoch ein Trugschluss. Zwar übernehmen rund 77 Prozent während einer Gruppenaufgabe „gern die Verantwortung und treiben die Sache voran“, doch schnell verantwortlich oder selbständig tätig zu sein, wünschen sich die wenigsten. Als „deutlich karriereorientiert“ bezeichneten sich nur etwa ein Drittel der angehenden Absolventen. mmerhin knapp 58 Prozent meinten, sie hätten manche Prüfungen schon eher absolvieren können. 

 

Die Studie

Für das „Absolventenbarometer 2002“ befragte das Institut für Personal-Marketing Trendence, Berlin, insgesamt 3649 Informatikstudenten an 48 Fachhochschulen und Universitäten. Die Teilnehmer studierten bereits rund neun Semester und waren zum Zeitpunkt der Umfrage (April bis Juni 2002) durchschnittlich 25 Jahre alt. 88,2 Prozent der Befragten sind Männer, 11,8 Prozent Frauen. Mehr Informationen zur Studie gibt es unter www. trendence.de oder unter der Rufnummer 030/394 066-0.