Entwicklungsstörung

Geldgier schlägt Open-Source-Gedanken

Kommentar  03.04.2024
Von 


Steven J. Vaughan-Nichols schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld. Er beschäftigte sich bereits mit Business und Technologie als 300bps noch Highspeed war.
Zuerst bauen sie mit Open Source Programme. Dann bauen sie mit Open Source ihr Geschäft auf, nur um es anschließend aufzugeben und Kasse zu machen.
Auch mit Open Source kann man Geld verdienen -aber offensichtlich nicht genug.
Auch mit Open Source kann man Geld verdienen -aber offensichtlich nicht genug.
Foto: studiostoks - shutterstock.com

Im Grunde genommen wird jede Software mit Open Source entwickelt. Laut einer Untersuchung von Synopsys enthalten 96 Prozent aller Codebases Open-Source-Software. In letzter Zeit gibt es jedoch einen sehr beunruhigenden Trend. Ein Unternehmen entwickelt seine Anwendung mit Open Source, verdient damit Millionen und dann - und nur dann - wechselt es die Lizenz und lässt seine Mitwirkenden, Kunden und Partner im Stich, während es versucht, Milliarden einzustreichen. Ich habe es satt.

Der jüngste Übeltäter in diesem IT-Melodram ist Redis, Anbieter einer gleichnamigen - und äußerst populären - In-Memory-Datenbank. Das israelische Unternehmen wird mit rund zwei Milliarden Dollar bewertet - und das ganz ohne KI!

Redis zufolge "werden alle zukünftigen Versionen von Redis unter Open-Source-Lizenzen veröffentlicht. Beginnend mit Redis 7.4 wird Redis doppelt lizenziert unter der Redis Source Available License (RSALv2) und der Server Side Public License (SSPLv1). Folglich wird Redis nicht mehr unter der BSD 3-Klausel-Lizenz vertrieben."

"Arrested Development"

Für alle diejenigen, die keine Open-Source-Lizenzierungsexperten sind: Diese Ankündigung bedeutet, dass Entwickler den Code von Redis nicht mehr verwenden können. Sie können ihn sich zwar ansehen, aber sie können ihn nicht exportieren, ausleihen oder verändern. Redis hat diesen Trick bereits 2018 bei einigen seiner Tochterfirmen angewandt. Aber jetzt geht es um die Kronjuwelen des Unternehmens.

Redis ist bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das so vorgeht. Im vergangenen Jahr tauschte HashiCorp die Mozilla Public License (MPL) für sein Hauptprogramm Terraform gegen die Business Source License (BSL) 1.1 aus. Die neue Lizenz soll verhindern, dass jemand Terraform Konkurrenz macht.

Würde es Sie überraschen zu erfahren, dass HashiCorp sich kurz darauf nach einem Käufer umsah? Mich nicht. Schon vor dieser letzten Runde von Lizenzänderungen haben MongoDB und Elastic ähnliche Änderungen vorgenommen.

Open Source ist kein Geschäftsmodell

Es gibt drei Gründe, warum die Unternehmen das getan haben:

  1. Sie alle haben irgendwann einmal "Open Source" als Geschäftsmodell missverstanden. Das war es damals nicht, ist es heute nicht und wird es auch nie sein.

  2. Nachdem sie diesen ersten Fehler gemacht hatten, mussten sie auf die harte Tour feststellen, dass sie zwar Millionen verdienen konnten - andere Unternehmen, in der Regel Hyperscaler wie Amazon Web Services (AWS), aber genauso viel, wenn nicht mehr, mit ihren Programmen verdienten. Sie taten dies, indem sie ihre Software als Dienstleistung für Unternehmen anboten.

  3. Schließlich wollen die Risikokapitalgeber, die sich hinter dem Finanzvorhang verbergen, keine sehr erfolgreichen Unternehmen, sondern Unicorns. Wenn ein Unternehmen vor dem Börsengang keine Milliarde Dollar wert ist, ist es in ihren Augen kein Gewinner. Willkommen im Silicon Valley!

Was ist also die einfachste Lösung - abgesehen davon, Mitarbeiter zu entlassen und durch schlecht ausgebildete KI-Bots zu ersetzen? Weg mit der Open-Source-Lizenz. Die Unternehmen haben zwar ihre Programme mit der Hilfe anderer entwickelt, sie haben ihre Kunden dank der Open-Source-Lizenz bekommen, aber warum sollten sie jemand anderem ein Stück des Kuchens überlassen?

Doch nichts bleibt ohne Folgen: Die Softwarefirmen sind verärgert. Mindestens zwei Linux-Distributionen, Fedora und openSUSE, erwägen, das Redis-Programm einzustellen. Sollten sie dies tun, kann man davon ausgehen, dass ihre großen kommerziellen Brüder, Red Hat Enterprise Linux (RHEL) und SUSE Linux Enterprise Server (SLES), nachziehen werden. Wirklich wütend darüber sind jedoch die Entwickler. Schließlich ist es ihre Arbeit, die in halbproprietären Tresoren verschwindet, ohne dass sie sie jemals daran arbeiten können.

Erste Forks in Arbeit

Als Reaktion haben mindestens zwei Gruppen von Programmierern das Projekt geforkt. Den Anfang machte Drew DeVault, Gründer und CEO von SourceHut, mit Redict. Ihm folgte Madelyn Olson, leitende Ingenieurin bei Amazon ElastiCache, ebenfalls ein Open-Source-Fork von Elastic. Zwar ist dieser noch namenlose Redis-Fork kein AWS-Projekt, wie Olson betont, AWS arbeitet aber an einer eigenen Antwort.

Das ist möglich, weil Redis zwar seine Lizenz geändert hat, aber die unter Open-Source-Lizenz erstellten Versionen nicht zurückziehen kann: Man kann mit früheren Versionen des Codes immer noch machen, was man will - gemäß den Bedingungen der alten Lizenz. Das ist in der Open-Source- und High-End-IT-Szene eine große Sache, aber auch für jeden Softwarenutzer, wenn man bedenkt, wie wichtig Open Source für die Softwareentwicklung ist. Angenommen, die Programmierer haben genug davon, dass Unternehmen ihren gespendeten Code nehmen und beschließen, sich das nicht länger gefallen zu lassen.

Einige Unternehmen, die die Lizenz wechseln, begründen dies damit, dass sie den Entwicklern das bezahlen wollen, was sie wert sind. Ich bin sehr dafür, dass Open-Source-Programmierer mehr Geld verdienen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass selbst die besten Entwickler nicht diejenigen sein werden, die mit diesen Vorschlägen richtig Geld verdienen. Das große Geld werden die Risikokapitalgeber, die Private-Equity-Gruppen und die hohen Tiere machen.

Das ist nicht das, worum es bei Open Source geht. Geld verdienen, klar. Selbst Richard M. Stallman, der Gründer von Free Software, sagte: "Es ist nichts Falsches daran, für seine Arbeit bezahlt werden zu wollen oder sein Einkommen zu maximieren, solange man keine destruktiven Mittel einsetzt. Aber den Nutzern eines Programms Geld abzuknöpfen, indem man ihre Nutzung einschränkt, ist destruktiv."

Hier sind Stallman und ich ausnahmsweise einmal einer Meinung. (mb)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.