FBI: Chronik eines IT-Desasters

31.03.2005
Von Christian Zillich

Zu Beginn sollten lediglich fünf von insgesamt 42 Mainframe-basierenden Anwendungen webifiziert werden. Beobachter sehen dies bereits als den ersten Fehler in einer langen Reihe an. Green Screens durch ein schöneres Frontend aufzupeppen bringe wenig, wenn die zugrunde liegenden, zum Teil papiergebundenen Prozesse nicht verändert würden, so die Kritik. Nach den Terroranschlägen sollte eine komplett neue IT-Umgebung geschaffen werden, um Informationen effektiver auszutauschen und Beweismaterial zu evaluieren. "Uns wurde gesagt, wir sollten die bisherigen Arbeiten einstellen und stattdessen ein komplett neues Case-Management-System entwickeln", erinnert sich Mark Hughes, President of the System and Network Solutions Group bei SAIC.

Keine klaren Vorgaben

Außerdem sei sein Unternehmen in Ermangelung eines Anforderungskatalogs aufgefordert worden, bei dessen Entwicklung mitzuhelfen. Das FBI habe sich aber in der Folge auf keinen Katalog festnageln lassen, weil das Vorhaben bei der Behörde eine permanente Änderung der internen Abläufe ins Rollen gebracht habe. Außerdem sei geplant worden, das alte System nach der Fertigstellung der neuen Lösung umgehend abzuschalten. SAIC behauptet zwar, diese und andere unrealistische Forderungen frühzeitig kritisiert zu haben. Allerdings hatte der IT-Anbieter zu dieser Zeit bereits einen neuen Vertrag in der Tasche, der mehr finanzielle Mittel versprach.

Bei einem Senats-Hearing im Februar 2005 gab FBI-Chef Mueller zu Protokoll, seine Behörde habe im Juni 2002 einen endgültigen Anforderungskatalog vorgelegt. Laut Hughes kamen jedoch auch nach diesem Zeitpunkt zahlreiche Änderungswünsche, teilweise einer pro Tag. Hughes warnte eigenen Angaben zufolge, dass das Budget sowie der VCF-Liefertermin, der für Dezember 2003 angesetzt war, nicht einzuhalten sein würden, wenn noch mehr Änderungswünsche kämen. Das von SAIC schließlich Ende 2003 gelieferte System war unvollständig und führte bei den Auftraggebern zu großen Enttäuschungen. "Offensichtlich wurde der Stand des Projekts entlang der Informationskette innerhalb des FBI, des Justizministeriums und des Kongresses nicht kommuniziert", beklagt Hughes. "Als wir dann im Dezember 2003 ein unvollständiges System lieferten, war die Überraschung in diesen Ebenen groß."