Mittelstandsfinanzierung im Umbruch

Emanzipation vom Bankkredit

12.06.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Allerdings hat diese Form der Kapitalbeschaffung ihren Preis: Eine erwartete Rendite von mehr als 20 Prozent pro Jahr muss erst einmal erwirtschaftet werden - besonders schwierig in einer Krise. Auch ist der Markt für Beteiligungen hierzulande nicht sonderlich weit entwickelt: Das Ziel müsse sein, ihn zu „verstetigen“, sagte unlängst Hans Reich, Chef der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), im „Handelsblatt“. Überdies legt nicht jeder Unternehmer auf einen Kommanditisten Wert, der regelmäßig Aufklärung über die finanzielle Situation des Unternehmens verlangt - da könne man ja gleich zur Bank gehen.

Trotz allem zeichnet sich ab: Die Finanzierung des Mittelstands befindet sich im Umbruch, und dass die „alten Zeiten“ wiederkommen, ist ausgeschlossen. Mit den vielfach zitierten neuen Eigenkapitalrichtlinien für Banken hat das nur am Rande zu tun - Basel II forciert zwar die Entwicklung, hat sie aber nicht zu verantworten. Zudem sei absehbar, dass sich die unmittelbaren Auswirkungen der Reformfür den Großteil der kreditsuchenden Unternehmen in einem akzeptablen Rahmen bewegen, sagt Gregor Taistra, Projekt-Manager bei der KfW. Dennoch komme auf die Mittelständler ein kultureller Wandel zu, dessen Folgen sich noch nicht abschätzen ließen: „Die Unternehmen müssen sich stellen.“

Umdenken ist angesagt

Vor allem müssen sich viele Mittelständler der Tatsache stellen, dass, gemessen an den Basel-II-Vorgaben, ihre Ausstattung mit Eigenkapital künftig nicht mehr ausreicht. Diese war in der Vergangenheit aus verschiedenen, vornehmlich steuerlichen Motiven niedrig gehalten worden, was sich einst rechnete, nun aber rächt: Je schlechter die Bonität der Kreditnehmer ist, desto teurer wird künftig das Geld. Das Dilemma ist, „dass sich der Bankkredit als Standard- Finanzierungsinstrument in den Köpfen vieler Unternehmer zu sehr festgesetztfestgesetzt hat“, berichtet Rating-Experte Martin Wambach von Rödl&Partner.

Beispiel Leasing: Jeder kennt es, aber nur etwa jeder zweite Unternehmer nutzt es gegenwärtig. Meistens wird es bei Firmenwagen in Betracht gezogen, andere Investitionen wie etwa Computer werden hingegen auf die herkömmliche Art und Weise finanziert. „Dem Thema Leasing wird insgesamt zu wenig Bedeutung beigemessen“, moniert Wambach. Die Banken seien zwar ein Finanzierungspartner, aber nicht der einzige - und sind auch immer seltener daran interessiert, alleiniger Partner zu sein.

Finanzinnovationen nutzen

Neben der derzeitigen Konjunkturlage stellten vor allem Finanzierungsfragen den Mittelstand vor Herausforderungen, beschrieb Anfang des Jahres auch das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Situation. Häufig werde die Finanzierung noch nicht mit der erforderlichen Intensität und Professionalität behandelt. „Gerade amMittelstand sind die Finanzinnovationen der letzten zehn Jahre fast völlig vorbeigegangen“, stellt einBeobachter den Firmenlenkern ein schlechtes Zeugnis aus.

Factoring erhöht Liquidität

Wachgerüttelt werden die Manager meist erst in einer finanziellen Krise ihres Betriebs; allerdings sei es dann häufig zu spät und der Handlungsspielraum gering - Zwangslagen werden im Zweifel von anderen Marktteilnehmern ausgenutzt: „Die Emanzipation von der Bank braucht einen zeitlichen Vorlauf“, fordert Wambach daher die Unternehmer zum rechtzeitigen Handeln auf.

So kann sich etwa das Factoring dazu eignen, die Liquidität der Firma zu verbessern. Jedoch nicht einmal fünf Prozent der Unternehmen nutzen es bereits aus, hat eine aktuelle Forsa-Umfrage ergeben. Beim Factoring werden Forderungen gegenüber gewerblichen Kunden an einen Dienstleister abgetreten, der sich um die Abwicklung kümmert und in der Regel das Ausfallrisiko trägt. Je nach Aufwand zahlt sichdie Finanzierungsalternative, die immer noch unter dem Hautgout der Halbwelt leidet, nicht nur für große Mittelständler, sondern auch für kleinere Firmen aus.

An den verfügbaren Mitteln und Optionen scheint es nicht zu liegen, dass das strategische Thema der Finanzierungsalternativen nur schleppend in Schwung kommt: „Größtes Problem ist, dass unser schönes Produkt zu wenig bekannt ist“, sagt Sonnfried Weber, Geschäftsführer der Bayerischen Beteiligungsgesellschaft (Bay-BG). Gerade die Beteiligungsgesellschaften tun sich schwer, Unternehmer für sich einzunehmen. Viele Mittelständler dächten bis heute, sie müssten bei Beteiligungen stets Anteile der Company abgeben: „Das ist aber nicht so“, erklärt Weber.

So bieten die so genannten Mezzanine-Finanzierungen, etwa die typisch stille Beteiligung, den Vorteil, dass der Fremd- mit dem Eigenkapitalcharakter verbunden wird. Hierbei stellt beispielsweise der Gesellschafter Kapital zur VerfügungVerfügung und erhält im Gegenzug eine Verzinsung sowie gegebenenfalls ein gewinnabhängiges Entgelt, ohne sich weiter im Unternehmen zu betätigen. Der wesentliche Unterschied zum Bankdarlehen ist zudem, dass keine dinglichen Sicherheiten verlangt werden. Dies sei laut Weber gerade in der IT- oder Dienstleistungsbranche interessant, wo die Aktiva normalerweise am Abend nach Hause gingen: „Das haben die Banker gar nicht gerne.“

Im Gegensatz zur typisch stillen Beteiligung ist die atypisch stille Beteiligung unternehmerisch geprägt. Hier hält der Gesellschafter eben nicht still, sondern will bei der strategischen Ausrichtung der Firma mitreden. „Das bedeutet aber nicht, dass er auf das operative Geschäft Einfluss nimmt“, erklärt Rating-Experte Wambach. Dennoch befürchten noch viele Unternehmer, dass sie mit einem Gesellschafter das Heft aus der Hand geben müssen. Allein die Tatsache, dass sie einem Partner Rechenschaft über ihre Entscheidungen abzulegen haben, scheint viele Manager in ihrem Selbstverständnis zu treffen. „Im Mittelstand herrscht vielfach noch die berühmte Herr-im-Haus-Mentalität vor“, konstatiert Werner Schauerte, Vorstandschef des BVK.

Bilanzieren nach IAS

Doch nicht nur der Kapitalzufluss von außen lässt sich verbessern, auch interne Arbeiten können helfen: Parallel zum Abschluss nach HGB (Handelsgesetzbuch) steht es Unternehmen frei, auch nach dem Regelwerk der International Accounting Standards (IAS) zu bilanzieren. Beobachter gehen sowiesosowieso davon aus, dass sich der IAS-Abschluss mittelfristig auch für kleinere Firmen durchsetzen wird. Hier werden die Eigenkapitalquoten tendenziell höher angegeben als laut HGB, erklärt Rating- Spezialist Wambach. Außerdem orientiert sich das Handelsgesetzbuch am Gläubigerschutzprinzip, während gemäß IAS aufgestellteBilanzen eine „fair presentation“ für Investoren darstellen sollen. „Das Thema IAS sollten sich kapitalsuchende UnternehmenUnternehmen unbedingt auf die Fahnen schreiben“, rät Wambach, auch wenn es sich anfänglich hohen Investitionen und einem Mehraufwand etwa bei der Buchführung niederschlagen kann.

Den richtigen Mix finden

Generell gilt für Mittelständler, dass sie sich um einen professionelleren Auftritt bemühen müssen. Dies betrifft nicht nur den Bereich der Finanzen, sondern auch das Marketing oder dieKommunikation. Investoren seien Finanzfachleute und keine Techniker, warnt Wambach vor einer schlecht gemachten Firmendarstellung: „Ich muss mein Unternehmen einem Investor attraktiv präsentieren.“ Die Suche nach Finanzierungsalternativen für den Mittelstand erfordert indes keine Entscheidung zwischen zwei Extremen - die gesunde Mischung ist entscheidend. Der Bankkredit wird fraglos weiter ein wichtiges Finanzierungsinstrument bleiben. Sollte dieser Weg jedoch verstellt sein, hat Rating-Experte Wambach eine bewährte Alternative in petto - die traditionelle „Triple-F-Finanzierung“: „Family, Fools and Friends.“ (uk)