Mobility-as-a-Service

Die Mobilität der Zukunft ist plattformbasiert

09.04.2020
Von   IDG ExpertenNetzwerk

Götz Reinhardt ist seit August 2016 Managing Director MEE bei SAP Concur. Bevor er diese Führungsposition bei SAP Concur bekleidete besetzte Götz Reinhardt sechszehn Jahre lang verschiedene Positionen im Mutterunternehmen SAP.

Innovationen in Sachen Mobilität beschränken sich nicht nur auf Elektroautos oder Carsharing. Im Hintergrund etabliert sich zunehmend das Plattform-Geschäftsmodell.
Noch beschränken sich die vorhandenen digitalen Mobilitätskonzepte auf unseren Planeten. Aber wer weiß . . . .
Noch beschränken sich die vorhandenen digitalen Mobilitätskonzepte auf unseren Planeten. Aber wer weiß . . . .
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Wir leben im Zeitalter der Plattform-Ökonomie. Bereits 2018 basierten laut Bloomberg fünf der zehn wertvollsten Unternehmen auf Geschäftsmodellen, die auf Netzwerkeffekte und eine hohe Nutzung von Daten setzen. Auch in der Mobilitätsbranche greift dieses Geschäftsmodell verstärkt um sich. Neben etablierten Unternehmen wie Uber, Free Now oder Lyft setzen beispielsweise auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf Mobility-as-a-Service. Mit der App Jelbi wird das Mobilitätsangebot der BVG - U-Bahn, Bus und Tram - künftig um E-Roller, Mietfahrräder und Mietautos erweitert.

Mobility-as-a-Service bietet Wachstumspotenziale

Mobilität ist ein Grundbedürfnis, das sich weiter diversifiziert und dessen Nachfrage sich wandelt. Nutzer erwarten hier zunehmend die gleiche Flexibilität und Angebotsvielfalt, die sie auch aus anderen Bereichen kennen. Getrieben durch diese Bedürfnisse und neue Technologien entstehen fortwährend neue, innovative Angebote wie Ridehaling-Dienste, Carsharing oder selbst autonomes Fahren. Die Angebote wie Vermittlungsdienste zur Personenbeförderung sind dabei App-basiert, häufig "nur" via Smartphone nutzbar und verdrängen einstmals etablierte Unternehmen vom Markt.

Unterwegs das passende Beförderungsmittel bestellen. Neue Mobilitätsangebote stehen häufig nur via Smartphone zur Verfügung.
Unterwegs das passende Beförderungsmittel bestellen. Neue Mobilitätsangebote stehen häufig nur via Smartphone zur Verfügung.
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Die Revolution der Mobilitätsbranche bringt aber nicht nur einen verschärften Wettbewerb mit sich, sondern bietet auch enormes Wachstumspotenzial. Das nutzen vor allem junge Startups, die auf ein Plattformmodell im Sinne von Mobility-as-a-Service setzen und in Hochgeschwindigkeit auf den Markt drängen. Die aktuellen Zahlen aus dem EY Start-up Barometer 2020 zeigen: 2019 wurde eine Gesamtsumme von 1,6 Milliarden Euro in deutsche Mobility Startups investiert. Damit hat sich das Finanzierungskapital zum Vorjahr mehr als verdreifacht.

Aber auch traditionelle Unternehmen, wie Verkehrsbetriebe oder Automobilhersteller expandieren ihre Geschäftstätigkeit um digitalisierte und auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen zugeschnittene Angebote.
Etablierte PKW-Hersteller, die ihr Geschäft nun beispielsweise um Carsharing-Angebote ergänzen, nutzen gewonnene Daten, um bestehende Produkte zu verbessern oder neue Angebote zu entwickeln. Durch die immer versiertere Aufbereitung von Fortbewegungsdaten können Plattformen im Mobilitätssegment schon jetzt personalisierte Angebote liefern. Der immer reichhaltigere, global verfügbare Datenschatz füttert Algorithmen und reift Künstliche Intelligenzen aus. Und dank der wachsenden Datenaggregate können mit Predictive-Analytics-Anwendungen künftig auch Auslastungen, Streiks und Staus zuverlässig vorhergesagt und Spitzen im Verkehrsaufkommen vorausschauend vermieden werden.

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Keine Mobility-Plattform ohne Kollaboration

Neue Angebote sollten auf einem stark umkämpften Markt möglichst schnell eine große Reichweite erzielen und einen Kundenstamm aufbauen. Auch hierfür bieten Mobility-as-a-Service-Modelle eine Antwort. Durch die zunehmende Vernetzung der Datenbasis und eine kluge Ergänzung von Angeboten profitieren Unternehmen auch von einer gemeinsamen Kundenbasis. Diese Mobilitäts-Plattformen werden durch neue Partner, die ergänzende Angebote kreieren, auf dern anderen Seite attraktiver für ihre Nutzer.

Bislang bedeuteten neue Anbieter für den Endnutzer häufig zusätzliche Apps. Die Anwender erwarten wiederum, alle Angebote über eine zentrale Plattform nutzen und gegebenenfalls auch bezahlen zu können. Ob Fern- oder Nahverkehr, ob beruflich oder privat. "Consumerization of IT", die Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzer für den langfristigen Erfolg, ist die Erfolgsformel der Stunde.

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Geschäftsreisende möchten zunehmend auch beruflich die Tools und Apps nutzen, die sie aus ihrem privaten Umfeld kennen. Wer privat lieber ein Uber statt ein Taxi, lieber ein Airbnb statt ein Hotel nimmt, möchte auch auf Dienstreisen nicht mehr darauf verzichten. Zugleich ist die Nutzung neuer Mobility-as-a-Service-Angebote im Unternehmenskontext ungleich komplexer. Hier müssen interne Compliance und für Unternehmen bindende gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Das betrifft gleich mehrere Abteilungen und Zuständigkeitsbereiche:

  • Der IT gebührt die Hoheit über die Integration entsprechender Anwendungen,

  • die Rechtsabteilung hat ein Wörtchen mitzureden, wenn es um Fragen des Datenschutzes geht und

  • Finance hat die Oberhand, wenn entstandene Kosten abgerechnet und genehmigt werden.

Anwendungen, die sich nicht in die angestammte IT-Landschaften der entsprechenden Stakeholder integrieren, erschweren allen Stakeholdern Arbeit und Leben unnötig.

Ob geschäftlich oder privat: Vor allem junge Großstädter setzen auf neue Fortbewegungsmittel.
Ob geschäftlich oder privat: Vor allem junge Großstädter setzen auf neue Fortbewegungsmittel.
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Mobilität der Zukunft - Schöne neue API-Welt

In der digitalen Ära regieren die Schnittstellen. Über sie fließen die notwendigen Daten, um Angebote auf Nutzerbedürfnisse zuzuschustern. Sie ermöglichen Unternehmen aber auch, ihre Angebote gemeinsam anzubieten und vom Kundenstamm zu profitieren oder diesen zu erweitern.

Unternehmen, die dieses Potenzial für sich entdeckt haben, setzen auf offene Application Programming Interfaces (APIs), über die sie Entwicklern Zugriff gewähren. Ein "Sandkasten" ermöglicht Interessenten erste Berührungspunkte und ein Austesten der zur Verfügung gestellten Daten. Werden die Kooperationsabsichten ernst, können gemeinsam neue Angebote entwickelt werden. Insbesondere wenn neue Anwendungen für den geschäftlichen Kontext genutzt werden, sollte auch eine Einhaltung datenschutzrechtlicher Standards und eine Bündelung der Angebote über ein etabliertes Unternehmen sichergestellt werden.

Deutsche Unternehmen verkennen bislang oft das Potenzial von Plattformen, wie eine aktuelle Studie des Bitkom zeigt. Einstweilen scharren die Pioniere unter den Plattformbetreibern mit den Hufen - wie etwa die Google-Mutter Alphabet. Das Tochterunternehmen Waymo tüftelt an der Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Und profitiert dabei von den über Google Street View gesammelten Daten - einer Anwendung, die zu den meistgenutzten Apps und APIs der Welt gehört. (bw/fm)