"Die IT-Industrie befindet sich an einem Wendepunkt“

30.01.2002

CW: Gemessen an den ehrgeizigen Zielen, die Compaq im Servicesegment hat, müsste der Umsatz in diesem Geschäft aber weitaus stärker ansteigen als die zwei Prozent, die Ihr Unternehmen in diesem Bereich weltweit im dritten Quartal zugelegt hat. DROSTE: Ja, absolut. In Deutschland haben wir im gleichen Zeitraum allerdings um sieben Prozent zugelegt. Unter anderem wollen wir eine Ausweitung des Geschäfts auch durch die Umstellung des Vertriebsmodells erreichen. Auf Dauer wird der Berater der Vertriebsmann sein. Das wird der so genannte Client Principal, der beim Kunden ist und dem dieser in IT-Angelegenheiten am stärksten vertraut, weil er auf der einen Seite seine Geschäftsprozesse versteht und auf der anderen Seite aber auch hohes technisches Know-how mitbringt.

CW: Früher konnte sich ein IT-Hersteller über Technologie vom Wettbewerb differenzieren. Das geht heute nicht mehr. Heute versucht Compaq, sich über ein Feld abzugrenzen, dass es noch nicht ganz beherrscht – eben den Service. DROSTE: Aber der Trend geht dorthin, und wenn Sie sehen, dass in Deutschland kein Player über zehn Prozent Marktanteil im Servicesegment hat, ist da noch ein weites Feld zu beackern. Wir selbst haben 3,5 Prozent Marktanteil, können also noch enorm wachsen. Außerdem wird Service immer stärker zum Produkt.

CW: Also Service out of the box ? Das wäre ja ein Geschäft, das Compaq traditionell beherrscht. DROSTE: Ja, und das geht weiter. Denken Sie an Computing on Demand, wo der Kunde Computer- oder Speicherkapazität je nach aktuellem Bedarf kauft. Das sind flexible Modelle, bei denen der Kunde nur das bezahlt, was er braucht.

CW: Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie im Servicesegment aus? DROSTE: Wir wollen der Serviceanbieter für den Mittelstand und für Großunternehmen sein. Dabei gehen wir in Deutschland von einer Wachstumsrate von über fünf Prozent aus. Besonders gute Chancen sehen wir im Outsourcing-Geschäft.

CW: Wie groß ist Ihr Outsourcing-Geschäft heute? DROSTE: In Deutschland beschäftigen wir damit etwa 150 Leute. Zum Umsatz im Segment Professional Service trägt es rund 33 Prozent bei – stark wachsend.

CW: Dabei handelt es sich aber doch wahrscheinlich um PC-Outsourcing und andere Dinge, seltener um komplette Rechenzentren, oder? DROSTE: Doch auch. Neben dem Outtasking schließen wir jetzt erste Deals ab, wo wir auch komplette IT-Mannschaften mit übernehmen.

CW: Zurzeit ist es etwas gespenstisch, mit Vertretern von HP oder Compaq zu diskutieren. Die Fusion hängt wie ein Damoklesschwert über Ihnen. Viele Entscheidungen, die jetzt vielleicht getroffen werden, müssen mit dem Merger nochmals überdacht werden. Kurz: Im Markt herrscht große Unsicherheit darüber, wie es weitergeht. DROSTE: Ich würde lügen, wenn ich das völlig dementieren würde. Ich denke, HP agiert ähnlich: Wir positionieren uns am Markt nach wie vor als Mitbewerber. Ich habe meinen Leuten immer wieder gesagt: Ihr arbeitet für unsere Kunden und für Compaq. Wir konzentrieren uns auf den Markt, nicht auf uns selbst.

CW: Schlagen die emotionalen Wogen bei diesem Deal ähnlich hoch wie damals bei Digital und Compaq? DROSTE: Nein. Das ist heute viel mehr Business as usual. Vielleicht, weil viele Mitarbeiter das schon einmal erlebt haben und wissen, was sie erwarten können.

CW: Nehmen Ihnen die Kunden noch die Roadmaps ab, die über ein Jahr hinausgehen? Die Anwender wissen doch überhaupt nicht, welche Produktlinien nach dem Merger noch weiterexistieren. DROSTE: Doch, ganz einfach, weil wir ihnen 100-prozentigen Investitionsschutz bieten, und das bekommen sie auch schriftlich. Nehmen Sie nur unsere Architekturen. Wir haben den Übergang von Alpha auf Itanium geklärt. HP verfährt ähnlich mit seinen PA-Risc-Chips. Das läuft zusammen im Jahr 2004. Tru 64 und HP-UX laufen parallel, so dass es ein gemeinsames Unix geben kann. Bei den Himalaya-Systemen, den fehlertoleranten Maschinen, bleibt die Roadmap so wie veröffentlicht. Und bei den Standardprodukten wie PCs, Notebooks und PC-Servern, da werden wir so entscheiden, wie der Großteil unserer Kunden das will. Hier besteht für den Anwender ja auch keine Gefahr.

CW: Wann kommt die IT-Industrie wieder richtig in Schwung? DROSTE: Ich rechne mit einem Aufschwung Ende 2002.