"Die IT-Industrie befindet sich an einem Wendepunkt“

30.01.2002
Mit Peter Mark Droste, General Manager von Compaq Deutschland, sprach CW-Redakteur Christoph Witte.

CW: Wie hat Compaq das Jahr 2001 überstanden? DROSTE: Wir hatten kein sehr gutes Jahr. Das erste Quartal war gut – außer im Consumer-Geschäft, das ist uns weggebrochen. Darauf folgte ein ziemlich schlechtes zweites und ein sehr schlechtes drittes Quartal. Das vierte Quartal war wieder ordentlich. Den anderen Landesgesellschaften ging es ähnlich. Es gab einen regelrechten Dominoeffekt: Zuerst die USA, dann England, Deutschland, Frankreich. Im vierten Quartal haben wir uns wieder verbessert. In dieser schlechten Phase hat uns das Speichergeschäft immer geholfen: ein Geschäft, das profitabel und schneller gewachsen ist als der Markt. Wir haben dort, gemessen an verkauften Megabytes und nach Umsatz, den bisherigen Weltmarktführer EMC überholt. Geschafft haben wir das vor allem durch eine grundsolide Information an unsere Kunden und durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, weniger über Marketing und Werbung. Neben dem Thema Speicher hat sich auch das Thema Service gut entwickelt. Mit ein Grund für unser entäuschendes Abschneiden im dritten Quartal war ein relativ schwieriger Produktübergang auf unsere neuen Business PCs der Linie EVO, wo es Verfügbarkeitsengpässe gab.

CW: Stichwort Service: Ihr Chef Michael Capellas hat vor gut einem Jahr angekündigt, Compaq zu einem Serviceunternehmen umbauen zu wollen. Bis jetzt scheint da nicht sehr viel erreicht worden zu sein. DROSTE: Dieser Eindruck mag entstehen. Aber wir haben umstrukturiert und sind jetzt gut aufgestellt. Die Themen Systemintegration, Outsourcing und den gesamten Kundenservice haben wir zusammengefasst zu dem Bereich Compaq Global Services. Davon versprechen wir uns einige Synergien. Beide Gruppen haben zum Teil ähnliche Geschäfte getätigt und mussten daher gleichartige Ressourcen aufbauen – im SAP-Umfeld beispielsweise, in dem beide Einheiten parallel tätig waren.

CW: Was will Compaq mit der Betonung des Beratungsgeschäfts erreichen? So einzigartig ist dieser Ansatz inzwischen ja nicht mehr. DROSTE: Wir wollen früher in die Wertschöpfungskette einsteigen als bisher. Plattformentscheidungen fallen beim Kunden erst relativ spät, und natürlich ist es für uns interessant, diese Entscheidung so früh wie möglich zu beeinflussen. Außerdem wollen wir nicht nur wegen des Wachstums in diesem Segment stärker mitmischen, sondern auch um das schlecht voraussagbare Geschäft mit Access-Produkten – also PCs, Notebooks und PDAs – mit kontinuierlicheren Umsatzströmen auszugleichen. Unsere Idee ist es, beim Kunden der Berater zu sein, der ihm hilft, eine bestimmte Lösung zu implementieren. Diese Geschäftsidee bleibt übrigens erhalten, wenn es zu dem Merger zwischen Compaq und HP kommt.

CW: Aber das Data-Center-Geschäft, auf das Sie mit Ihrem Lösungsansatz zielen, wächst doch, abgesehen vom Storage-Geschäft, relativ langsam. Außerdem müssen Sie sich da gegen die Konkurrenz von IBM und Sun durchsetzen. DROSTE: Klar, da brauchen Sie eben gute Produkte. Wenn Sie Compaq allein betrachten – und das müssen wir, schließlich agieren HP und wir im Markt noch wie Konkurrenten – sind wir im Bereich des High Performance Technical Computing dank Tru 64 Unix einer der stärksten Anbieter. Ich glaube, dass Compaq auch allein für das Service- und Lösungsgeschäft jetzt bestens aufgestellt ist.

CW: Die Idee, Berater und Plattformlieferant des Kunden in Personalunion zu werden, gibt für Hersteller sicher viel Sinn. Doch da sich auch andere Unternehmen so aufgestellt haben wie Compaq, sich also weniger auf das Hardwaregeschäft verlassen wollen wird sich doch das IT-Geschäft fundamental verändern. DROSTE: Es ist so ähnlich wie Andy Grove (Mitbegründer und Chairman von Intel, Anm. der Redaktion) in seinem Buch „Only the paranoid survive“ beschreibt: Die Industrie befindet sich an  einem entscheidenden Wendepunkt – schon weil es in Zukunft viel weniger IT-Lieferanten geben wird als heute. Es wird neben dem geplanten Merger zwischen Compaq und HP weitere Zusammenschlüsse geben. Wenn die Fusion klappt und wir uns als der Lösungsanbieter schlechthin aufstellen, dann lautet die Herausforderung für uns ganz klar IBM.

Ein wichtiger Unterschied zu IBM würde darin bestehen, dass das Hardwaregeschäft für uns weiterhin große Bedeutung hat. Die durch die Fusion entstehenden Skaleneffekte können wir gut nutzen. Aber während die IBM bereits zirka 40 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit Services verdient, liegt bei uns in Deutschland dieser Wert zurzeit bei 25 Prozent.