Die IT fühlt sich für Prozesse verantwortlich

23.10.2002
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

In Bezug auf konzerneinheitliche Prozesse ist Audi indes weit fortgeschritten. So wurde bereits eine durchgängige Stückliste geschaffen. Mit definierten Abläufen für die digitale Produktgestaltung beschäftigte sich das Projekt„Vipro“, und für durchgängige Kundenabwicklungsprozesse steht „KAP“. Um Überschneidungen zu vermeiden, hat Audi eine „Prozesslandkarte“ entworfen, in der jedes Projekt seinen festen Platz erhält.

Lieferanten bestimmen die Entwicklung

Wie sich ein Prozess unternehmensübergreifend gestalten lässt, schilderte Martin Hofmann, Leiter Konzernbeschaffungsplanung und -strategie bei der Volkswagen AG, Wolfsburg. VW hat ein Internet-Portal mit Namen „Supply.com“ eingerichtet, um seine Beschaffungsprozesse mit den Vertriebsprozessen der Zulieferer zu harmonisieren. Das Projekt habe dem Konzern dabei geholfen, so Hofmann, „mit den Lieferanten völlig neu umzugehen“. Im Klartext: Die Zulieferer zeichnen mittlerweile für große Teile der Prozessunterstützung selbst verantwortlich. Sie pflegen nicht nur ihre Daten in der Lieferantendatenbank, sondern bestimmen auch die Weiterentwicklung des Portals.

Das war anfangs gar nicht vorgesehen, ließ Hofmann durchblicken: Im ersten Anlauf sollte Supply.com lediglich Transaktionen abbilden. Tatsächlich habe der Konzern das Portal öffentlich vorgestellt, ohne die Zulieferer in die Diskussion einzubeziehen. Doch glücklicherweise sei der Collaboration-Aspekt nachgeholt worden: „Mittlerweile stünde das System ohne die Lieferanten still,“ bekennt der Beschaffungs-Manager.

Einen Seitenhieb in Richtung Konkurrenz konnte sich Hofmann an dieser Stelle nicht verkneifen: Der von Daimler-Chrysler, Ford und General Motors initiierte Internet-Marktplatz Covisint sei ohne die Beteiligten entwickelt worden und deshalb „ins Stocken geraten“. In diesem Eindruck bestärkte ihn auch Engelbert Wimmer, auf den Automobilsektor spezialisierter Analyst bei der Unternehmensberatung Horváth & Partners Inc. mit Hauptsitz in Berlin: Covisint bewege sich derzeit kaum, weil das Vertrauen der Zulieferer fehle: „Es reicht eben nicht, nur billig einkaufen zu wollen.“

Bei VW profitieren, wie Hofmann es formuliert, auch die Lieferanten davon, „dass die Effektivität nicht an unserer Tür endet“. Konkret sei beispielsweise eine Schnittstelle in Arbeit, mit der die Zulieferer Anfragen direkt in ihre SAP-Systeme übernehmen könne. Zudem plant der Automobilkonzern, digitale Kalkulationsschemata bereitzustellen, mit denen ein Lieferant während einer Online-Verhandlung unmittelbar prüfen kann, ob ein Vertrag für ihn überhaupt noch lukrativ wäre.