Bundestagswahl gefährdet?

Die größten Wahlhacks

13.09.2017
Von 


Julian Totzek-Hallhuber ist Solution Architect bei Veracode und bringt mehr als 15 Jahre Erfahrung im IT-Sicherheitsumfeld mit. Zudem ist er Autor zahlreicher Artikel, regelmäßig als Sprecher auf Messen anzutreffen und hat bei Projekten von www.webappsec.org (wie zum Beispiel WAFEC) mitgewirkt.

Wahl-Hacking in Lateinamerika

Über einen Zeitraum von acht Jahren manipulierte Andrés Sepúlveda Wahlen in mehreren Ländern Süd- und Mittelamerikas. Vom kleinen Hacker arbeitete sich der Kolumbianer in die Top-Riege der Cyber-Krieger hoch. Er und sein Expertenteam mischten sich unter anderem in Wahlen in Panama, Kolumbien, Costa Rica und Venezuela ein. Seinen größten Auftrag hatte Sepúlveda 2012 in Mexiko. Für ein Honorar von 600.000 Dollar verhalf er Peña Nieto mit Propaganda und Cyberspionage zum Gewinn der Präsidentschaftswahl. Aktuell verbüßt Sepúlveda eine zehnjährige Haftstrafe.

Hackerangriffe auf eine Wahl müssen jedoch nicht unbedingt monetär motiviert oder auf die Verursachung von Schaden ausgerichtet sein. Die Hackergruppe "Anonymous Honduras" manipulierte beispielsweise vor der Präsidentschaftswahl 2013 sechs Webseiten der Regierung und ließ dort eine Nachricht erscheinen, welche die Menschen dazu aufforderte, gegen Wahlbetrug zu demonstrieren.

Eine weitere gute Nachricht: Hacker nutzen nicht alle Sicherheitslücken von Wahlsystemen aus. Nur weil etwas anfällig ist, muss es nicht gehackt werden - solange man schnell die Sicherheitsprobleme erkennt und sofort reagiert. Die argentinischen Präsidentschaftswahlen 2015 erfolgten teilweise über das E-Voting-System "Vot.ar", das auf Papierstimmzetteln mit integrierten RFID-Chips basierte. Der Quellcode von Vot.ar war im Internet mit Fehlern in der Stimmauszählungsfunktion aufgetaucht. Aufgrund dieser Schwachstelle hätten Hacker die Daten auf dem RFID-Chip manipulieren können - haben sie aber nicht. Avast fand den Fehler und informierte den argentinischen Kongress.

Sorge um die Bundestagswahl 2017

Bei der Bundestagswahl 2005 wurden zum ersten - und letzten - Mal in Deutschland Wahlcomputer eingesetzt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte ihren Einsatz 2009 für verfassungswidrig. Das war auch besser so, demonstrierte der Chaos Computer Club doch 2007 wie leicht sich die Wahlmaschinen hacken lassen. Die Experten schafften es in unter einer Minute. Um es auf die Spitze zu treiben, luden sie ein Schachprogramm auf den Wahlcomputer. Auch wenn der eigentliche Wahlvorgang in Deutschland ganz traditionell mit Stift und Papier stattfindet - die Infrastrukturen von Behörden und Parteien sind längst digital und damit auch ein Ziel für Hacker.

Bundeswahlleiter Dieter Sarreither rechnet folglich damit, dass auch die Bundestagswahl im Herbst nicht von Hackerangriffen verschont bleiben wird. Sarreither ließ die Infrastruktur seines Rechenzentrums verdreifachen, außerdem soll im Ernstfall das Abwehrzentrum der Bundesregierung genutzt werden. Durch diese Maßnahmen sei die Wahl ausreichend abgesichert. Gegen Propaganda in Gestalt von "Fake News" will der Wahlleiter unter anderem einen eigenen Twitter-Kanal einsetzen, um Falschmeldungen sofort richtigstellen zu können.

Vorbereitung ist Pflicht

Damit unsere Demokratie funktionieren kann, ist die Integrität und Glaubwürdigkeit des politischen Prozesses essenziell. Wird bekannt, dass dieser Prozess erfolgreich manipuliert werden kann, ist es mit dem Vertrauen der Bürger schnell vorbei. Die Folge sind sinkende Wahlbeteiligung und sozialer Unfriede. Akteure, die sich davon Vorteile versprechen - etwa, weil sie aus dem Ausland nicht vom inneren Frieden im Lande abhängig sind oder sogar vom Chaos profitieren - versuchen daher, das Vertrauen in staatliche Institutionen zu untergraben.

Weil das öffentliche Leben heute zu einem großen Teil digital abläuft, werden kriminelle Hacker zu einer wachsenden Gefahr im Wahlkampf. Systeme von Institutionen, Behörden und Parteien sind bedroht - sie müssen stets auf dem aktuellen Stand der Technik sein, um nicht bekannten Sicherheitslücken zum Opfer zu fallen. Sie müssen Notfallpläne und Reaktionsprozesse in der Schublade haben. Sie müssen bereit sein, sich für den Angriffsfall und sensible Daten nach bestem Wissen und Gewissen schützen. Denn es geht um nicht weniger als die Grundlage unserer Gesellschaft: Das Vertrauen in die gleiche, freie und geheime Wahl. (fm)