COMPUTERWOCHE-Roundtable

Digitalisierung fordert auch die IT-Dienstleister heraus

30.03.2017
Von Florian Kurzmaier
Welche Aufgabe haben Outsourcing-Dienstleister und Berater im Digitalzeitalter? Wozu werden sie künftig gebraucht? Darüber haben wir in einem Roundtable-Gespräch mit Branchenvertretern diskutiert.

Outsourcing ist kein Thema, das für Strahlkraft und Attraktivität bekannt wäre. Zu sehr stehen Effizienz, Steuerung und Kosten im Fokus. Dennoch: In den meisten Unternehmen ist Outsourcing ein elementarer Bestandteil der IT-Strategie, des Risikomanagements und des effizienten Betriebs. Durch die Digitale Transformation wird das, was Dienstleister an Sourcing-Leistungen und -Beratung erbringen, zunehmend komplex. Das betrifft Faktoren wie die Preisgestaltung, die Laufzeit der Sourcing-Partnerschaften und den Mindset der Beteiligten, wie eine Diskussion unter Providern, Personaldienstleistern und Beratern zeigte.

Beim Sourcing-Roundtable der COMPUTERWOCHE diskutierten (v.l.n.r.): Heinrich Vaske (IDG), Carl Mühlner (Damovo), Oliver Kömpf (Hays), Richard Küster (ISG), Christian Neuerburg (ADECCO), Marcus Bluhm (HPE), Dr. Jakob Rehäuser (Ardour) und Klaus Nötzold (SEPICON).
Beim Sourcing-Roundtable der COMPUTERWOCHE diskutierten (v.l.n.r.): Heinrich Vaske (IDG), Carl Mühlner (Damovo), Oliver Kömpf (Hays), Richard Küster (ISG), Christian Neuerburg (ADECCO), Marcus Bluhm (HPE), Dr. Jakob Rehäuser (Ardour) und Klaus Nötzold (SEPICON).
Foto: René Schmöl

Der digitale Wandel wird "dramatisch gehyped"

"Die Bandbreite im Kontext der Digitalen Transformation ist so extrem, dass es strategisch nicht den einen richtigen Weg gibt", meint Klaus Nötzold vom Beratungshaus SEPICON. Gleichzeitig seien die Aufmerksamkeit für die Digitalisierung und auch die Erwartungen daran überzogen. "Dieses Thema wird im Augenblick so dramatisch gehyped, dass wir uns als Berater ein bisschen zurücknehmen sollten. Die Diskrepanz zwischen dem, was da geredet und was dann auch getan wird, ist geradezu dramatisch", warnt der Outsourcing-Berater.

Wo Unsicherheiten und Aktionismus zusammentreffen, ist es schwer, die richtigen Entscheidungen in der IT-Strategie zu treffen. Carl Mühlner, der für das Beratungshaus Damovo mit am Tisch sitzt, hält die allgemeine Aufgeregtheit für wenig hilfreich. Die Angst, in Sachen Digitalisierung etwas zu verpassen, führe "meist zu schlechten Entscheidungen, Schnellschüssen und manchmal auch zu Ignoranz".

Richard Küster, Partner bei ISG, beobachtet, dass der "Drive aus den Fachabteilungen kommt, die ihre Geschäftsprozesse verbessern oder erweitern wollen". Er hat allerdings den Eindruck, dass sich die Kunden ihrer Modernisierungs- und Transformationsbedarfe durchaus bewusst sind und diese Dinge auch in ihren Sourcing-Vereinbarungen verankern. "Die Kunden kaufen mit ihren Sourcing-Vereinbarungen die Transformation mit ein", so Küster. Zwar werde es klassische SLA-Themen wie Verfügbarkeit oder Antwortzeiten auch in Zukunft geben, grundsätzliche werde die Leistung aber anders bemessen - nämlich ergebnis- beziehungsweise erfolgsorientiert.

Dienstleister müssen sich um IT und OT kümmern

Aus dem kulturellen Wandel beim Kunden erwachsen auch den Dienstleistern große Herausforderungen. Mühlner ist sich sicher, dass in unruhigen, von raschen Veränderungen geprägten Zeiten am Ende die Partnerfähigkeit über den Erfolg eines Sourcing-Dienstleisters entscheidet. Wichtig sei es, den Blick nicht nur auf die IT zu richten, sondern - in Zeiten des Internet of Things (IoT) - auch verstärkt auf die produktionsnahe Operational Technology (OT).

Klaus Nötzold von SEPICON stellt indes die Fähigkeit der Dienstleister heraus, "Multi-Service-Umgebungen managen und veredeln" zu können. "Gelingt das nicht, fehlen die echten Mehrwerte für Sourcing-Partnerschaften." Ein neues Selbstverständnis sei insofern nicht nur bei den Anwendern, sondern zu allererst bei den Dienstleistern gefragt.

Tatsächlich besteht zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Sachen digitalem Wandel durchaus eine Diskrepanz - sowohl bei Anwendern als auch bei Dienstleistern, so zeigte die Diskussion. Sich von Silicon-Valley-Startups inspirieren zu lassen, ist aus Sicht der Diskutanten vielleicht hilfreich, aber nicht die Lösung. Marcus Bluhm von HP Enterprise etwa meint, dass die eigentliche Herausforderung darin liegt, die "Change-Resistenz" in vielen Unternehmen zu überwinden. "Da sitzen ja eben nicht die Mittzwanziger, die Gamer oder Quereinsteiger, sondern eher die Leute im mittleren Alter", fügt Bluhm hinzu.

Mit Kritik am mittleren Management spart auch Klaus Nötzold nicht. Für ihn bremst diese Führungsebene die Transformationsprozesse in den Organisationen oftmals aus. "Change ist eine Bedrohung für jeden mittleren Manager", meint Nötzold. Christian Neuerburg von ADECCO glaubt dennoch, dass für eine grundlegende Veränderung alle Hierachieebenen im Boot sein müssen. "Wenn man die Skalierbarkeit von Agile, DevOps und der ganzen digitalen Transformation nutzen möchte, braucht man einen Change-Prozess, der vom Leadership und den Zwischenabteilungen gleichsam getragen wird. Man muss das von oben her treiben und von unten her befeuern!"

Der IT-Einkauf hat es zunehmend schwer

Mit dem digitalen Wandel verändern sich auch die Rollen der am IT-Beschaffungsprozess beteiligten Parteien IT-Leitung, Einkauf und Vendor-Management. Vor allem die Einkaufsorganisationen geraten den Diskutanten zufolge unter Druck und verlieren an Standing. Hintergrund ist, dass die IT heute zunehmend als Wertschöpfungshebel im digitalen Wandel gilt und der Kostenfokus an Bedeutung verliert. Richard Küster von ISG beobachtet: "Die Bedeutung des klassischen IT-Einkäufers geht langsam zurück. Am Ende geht es nicht mehr um den günstigsten Anbieter, sondern darum, was am Ende herauskommt - und da ist der klassische IT-Einkäufer völlig fehl am Platze."

Klaus Nötzold sieht es ähnlich: "Der Einkauf muss sich von dem Gedanken lösen, dass er die Beschaffungshoheit hat. Er hat sie einfach nicht mehr. Offiziell mag er noch verantwortlich sein, aber die unzähligen inoffiziellen User in der Schatten-IT stimmen dann einfach mit ihren Dropbox-Konten ab." Nötzold plädiert dafür loszulassen, auch wenn das für viele einen Verlust oder gar eine Bedrohung bedeute. Oliver Kömpf vom Personaldienstleister Hays beobachtet ebenfalls, dass die Kommunikation zwischen CIO und Einkauf komplizierter geworden sei. "Oft bekommt der Einkauf keine klaren Ansagen von der IT, was konkret zu sourcen ist. Dann verliert er einiges an Durchschlagskraft. Und am Ende wird die Kluft zwischen IT und Einkauf größer."

Jakob Rehäuser von Ardour warnt Anwender dennoch davor, in der Euphorie rund um den digitalen Wandel die Hausaufgaben zu vernachlässigen. "Für das Thema Digitalisierung ist überall Budget da - manchmal sogar mehr, als man denkt. Wenn dann das Vendor-Management keine allzu große Rolle spielt, können die Dienstleister sehr gute Preise erzielen." Dem Einkauf fehle es oftmals an den notwendigen Kapazitäten und am IT-Fachwissen. Es könne diese Deals nur schwer beurteilen. Deswegen komme es auf ein starkes Vendor-Management an.

Wieviel Flexibilität ist realistisch?

Am Ende der Roundtable-Diskussion steht die Frage, was in Zukunft die Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Kundenbeziehungen sein werden. Flexibilität und die Fähigkeit, Entwicklungen vorherzusehen, werden wichtiger, so der Konsens. "Kunden wollen schon heute erkennen, dass ihr Dienstleister in der Lage ist, noch nicht bekannte Technologien und Services integrieren zu können", glaubt SEPICON-Partner Klaus Nötzold. Auch für ISG-Mann Küster zeichnet sich ab, dass die Flexibilität der Dienstleister ein Schlüssel zum Erfolg sein wird. Großunternehmen wollten ihre Provider für Teilaufgaben, manchmal sogar für den gesamten Umfang eines Vertrags innerhalb eines Jahres austauschen können.

Das sieht Marcus Bluhm von HP Enterprise nicht ganz so dramatisch. Hohe Flexibilität sei vor allem bei den kundennahen Systems of Engagement notwendig, weniger bei den Systems of Records, die das Backend darstellten. "Nehme ich wirklich meine SAP-Umgebung und packe sie 2017 hier, 2018 da und 2019 wieder ganz woanders hin? Wohl eher nicht. Flexibilität kostet viel Geld", gibt der HPE-Manager zu bedenken.

Carl Mühlner warnt abschließend davor, in die typische Falle zu laufen und die Digitalisierung als aus Angst vor Komplexität und Veränderung zu sehr als Bedrohung zu sehen. Der digitale Wandel sei eine große Chance, und die Sourcing-Partner seien dazu da, diesen Schatz gemeinsam mit den Kunden zu heben. "Wir als Dienstleiter und Berater sollten - natürlich nicht ohne entsprechende Kompetenz und Know-how - zwischen der Digitalisierung und unseren Kunden ein 'Kuschelgefühl' erzeugen", schlägt Mühlner nicht ohne ein Augenzwinkern vor.