Interview mit Bitkom-Vize Heinz-Paul Bonn

"Der Mittelstand muss umdenken"

06.02.2006

CW Mittelstand: Wenn der Mittelständler so auf die Kosten achten muss, wird er dann in Zukunft doch noch den Wert von ASP- oder Hosting-Modellen für sich erkennen?

Bonn: In einer "ALDI-sierung" unserer Welt, in der jedes Unternehmen immer leistungsfähiger werden muss, damit es die sinkenden Preise überleben kann, kommt es nicht darum herum, Outsourcing ernsthaft zu prüfen. Und wenn sich die Angebote für ihn rechnen, wäre der Mittelständler schlecht beraten, wenn er sie nicht nutzen würde. Das heißt aber nicht, dass sich die IT-Anbieter zurücklehnen und sagen können, die müssen ja sowieso. Nein, der Mittelständler wird sehr darauf achten, dass die Serviceangebote für seine Belange passen.

CW Mittelstand: Glauben Sie, dass das Volumen im Mittelstand dem durchschnittlichen Wachstum folgt, oder steigt die Nachfrage da stärker an?

Bonn: Ich glaube, dieser Bereich wird stärker wachsen als der Durchschnitt. In einigen Branchen wird das Wachstum weit über dem vom Bitkom prognostizierten Wert liegen. Die Erwartungen unserer Mitglieder - und die fragt der Bitkom ja ab - werden übrigens gestützt durch Nachfragestudien, in denen Mittelständler direkt befragt worden sind. Daraus geht hervor, dass die allgemeine Investitionsbereitschaft steigt und in IT ebenfalls mehr investiert werden soll als in den Vorjahren.

CW Mittelstand: Welche Auswirkungen hat das auf die Anbieter?

Bonn: Sie werden sich von ein paar liebgewonnenen Gewohnheiten trennen müssen. Beispielsweise wird durch Themen wie SOA und Konvergenz die Segmentierung der Mittelstandsmärkte geringer. Diese großen Themen können nur mit Hilfe der großen Leitarchitekturen abgearbeitet werden. Da gibt es keinen Gebietsschutz mehr. Die kleinen Anbieter werden sich umstellen und eher die Partnerschaft mit den Großen suchen und sich innerhalb dieser Partnerschaften differenzieren müssen.

CW Mittelstand: Auch die Großen landen bei Mittelständlern nicht gerade einen Erfolg nach dem anderen.

Bonn: Wer nach China geht und dort Geschäfte machen will, braucht einen Dolmetscher. Das Gleiche gilt für den Mittelstand. Sie kommen im Mittelstand nicht ohne mittelständische Anbieter aus. Die großen Anbieter der Leitarchitekturen können zwar den Mittelstand adressieren, aber sie können es nicht wirtschaftlich und nicht schnell genug. Das hohe Engagement, das sie im Mittelstand aufbringen müssten, würde die Skaleneffekte, die sie mit den großen Architekturen erreichen, wieder zunichte machen. Aber der mittelständische Anbieter muss ebenfalls umdenken. Er muss sich spezialisieren. Spezialgebiete lassen sich noch wirtschaftlich bearbeiten, das große Ganze nicht mehr.

CW Mittelstand: Werden die Ecosysteme, die Netzwerke also zwischen Vertreibern und Systemhäusern auf der einen und den großen Anbietern auf der anderen Seite, jetzt langsam Wirklichkeit?

Bonn: Die hat es schon immer gegeben, nur waren die früher anders definiert. Es hieß: Partnerschaft ist, wenn der Partner schafft. Das ist heute anders. Allerdings müssen beide Seiten noch etwas in Kultur investieren. Wir Mittelständler müssen uns mit den Speziallösungen stärker einbringen und nicht mehr "geheime" Lösungen stricken, und die Anbieter müssen ihre Systeme ergonomisch so konstruieren, dass die mittelständischen Softwareanbieter leichter damit umgehen können.