Der Mittelstand entdeckt Osteuropa

26.05.2004
Von 
Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.

Neben den EU-Neulingen sind es vor allem Rumänien, die Ukraine und Russland, die sich schon einen Namen als "Nearshore-Länder" gemacht haben. "Für Standorte, die unter drei Flugstunden zu erreichen sind, hat sich der Begriff Nearshore etabliert - das trifft auf fast alle osteuropäischen Länder zu", sagt Timm Beyer, Vorstand des auf Nearshore-Projekte spezialisierten IT-Beratungsunternehmens Skilldeal AG in Berlin. Mit der EU-Osterweiterung werde sich nach Beyers Einschätzung wenig ändern. "Die Rechtssysteme der Beitrittskandidaten sind schon jetzt an westlichen Standards ausgerichtet; das wird sicher noch besser werden, aber auch die bisherigen Verhältnisse waren kein entscheidendes Hemmnis für gemeinsame Projekte", so Beyer. Wichtiger sei, dass durch den EU-Beitritt die Länder im Osten auch im Bewusstsein an Westeuropa heranrückten. "Die MOE-Länder werden eher als potenzielle Partner wahrgenommen", sagt Beyer. Neben den gefallenen Zollschranken,

die allerdings für Dienstleistungen wenig Bedeutung haben, nehme vor allem die "gefühlte Rechtssicherheit" zu.

Verständigungsprobleme bleiben

Schon jetzt blicken viele Unternehmen auf Nearshore-Projekte mit MOE-Partnern zurück. Beyer hat für die Studie "Auslagerung von IT-Dienstleistungen nach Mittel- und Osteuropa" 55 mittelständische deutsche Unternehmen befragt. 38 Prozent hatten bereits Projekte mit osteuropäischen Partnern betrieben, 78 Prozent können sich eine solche Zusammenarbeit gut vorstellen. Dabei spielen Kosteneinsparungen die entscheidende Rolle: Mehr als 80 Prozent bezeichneten die angebotenen Preise der MOE-Unternehmen als gut oder sehr gut. 76 Prozent schätzen die Fachkenntnisse der Osteuropäer. Ein Knackpunkt bleibt allerdings die Kommunikation, die als das größte Hemmnis wahrgenommen wird. Während knapp 40 Prozent damit zufrieden waren, stuften ebenso viele die Kommunikation als schlecht oder sogar sehr schlecht ein.

Trotz möglicher Risiken veranlassen knappe IT-Budgets und Kostendruck immer mehr mittelständische Unternehmen, über Offshore-Projekte nachzudenken. Wie viel sie einsparen können, hängt von der Art des Projekts und dem gewählten Land ab.

Denn auch in den osteuropäischen Ländern sind die Gehälter keineswegs homogen. Wer allerdings mit der Erwartung an ein Offshore-Projekt herangeht, Einsparungen in voller Höhe der Gehaltsdifferenz zu erzielen, wird mit Sicherheit enttäuscht: Kosten für das Einrichten von Prozessen, Projekt-Management und Qualitätssicherung, Reisen und Kommunikation schlagen in erheblichem Maße zu Buche. Erfahrungsgemäß sind Kosteneinsparungen in Höhe von 20 bis 30 Prozent gegenüber rein deutschen Projekten realistisch.