Der Mitarbeiter muss zur Unternehmenskultur passen

15.01.2002
Von Diplom-Kulturwirt Robert
Unternehmen sollten bei der Rekrutierung ihrer künftigen Mitarbeiter nicht nur auf die fachliche Qualifikation der IT-Profis achten. Ebenso wichtig ist die Frage, ob sie zur Unternehmenskultur passen und ob sie bereit sind, die Werte mitzutragen, die diesem Arbeitgeber wichtig sind.

Arbeitgeber fordern aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks verstärkt Leistung, Flexibilität und Veränderungsbereitschaft von ihren Mitarbeitern und möchten deren Kompetenz und Fachwissen langfristig zur Steigerung des Unternehmenserfolges nutzen. Dafür bietet das Unternehmen attraktive Gehälter und Bonussysteme, interessante Aufgaben und ein angenehmes Arbeitsumfeld. Dies ist für die Mitarbeiter so lange von Bedeutung, wie es dem Unternehmen gut geht.

In schlechten Zeiten sehen sich die Unternehmen jedoch oftmals nicht in der Lage, die gewünschten oder geforderten Entwicklungsmöglichkeiten sowohl in fachlicher als auch in finanzieller Hinsicht zu erfüllen. Bei variablen Gehaltskomponenten kann es zum Totalausfall kommen. Das reale Einkommen sinkt. Mitarbeiter werden unzufrieden. Schwierige Unternehmenszeiten sprechen sich auf dem Markt herum, die Headhunter treten auf den Plan und Mitarbeiter verlassen den einst umgarnten Arbeitgeber. Die Abwanderung von qualifizierten Mitarbeitern ist für Unternehmen umso schmerzlicher, wenn die Mitarbeiter im Projektgeschäft tätig sind.

In der Regel kann der Verlust eines Projektleiters in einem Großprojekt nicht nur den Plan, sondern das gesamte Vorhaben gefährden. Der Nachfolger, sofern er sich nicht aus dem Projektteam rekrutiert, benötigt Einarbeitungszeit, kennt oftmals nicht den „way of working“ des Teams und muss sich das Vertrauen der Projektmitglieder erst erarbeiten. Es kommt zu Reibungsverlusten und Spannungen.

Jedes Unternehmen hat eine weniger fassbare, informelle Organisation

In kritischen Projektphasen mit Eskalationsstufen sind die Konsequenzen noch nachhaltiger. In jedem Unternehmen existiert eine weniger fassbare, informelle Organisation, in der sich Werte, Einstellungen und Verhalten des Managements und der Mitarbeiter wiederfinden. Diese informelle Organisation beeinflusst, wie „Dinge im Unternehmen gemacht" und welche Verhaltensmuster in der täglichen Arbeit akzeptiert und erwartet werden.

Grundsätzliche Rahmenbedingungen sind also vorgegeben und definieren das Arbeitsumfeld und die Kultur eines Unternehmens. Einschlägige Literatur bietet eine Vielzahl von Definitionen. Allerdings werden unterschiedliche Ansatzpunkte gewählt: die Organisation als kulturelle Einheit, Fachbereiche als eigenständige Kulturen, jeder Mitarbeiter als individuelle Kultur. Einig ist man sich darüber, dass das Wesentliche der Kultur - im Gegensatz zu Philosophie oder Strategie - nur schwer zu vermitteln ist, implizit gelernt wird und innerhalb jeder Organisationseinheit zu finden ist.

Kultur ist somit das Resultat, wie ein Unternehmen aufgebaut ist, auf welche Art und Weise standardisierte Prozesse befolgt, wie Mitarbeiter rekrutiert oder entlassen werden. Neben der vorherrschenden Organisationsform wird sie vor allem durch soziales Verhalten, Einstellungen und Arbeitsweisen aller Mitarbeiter geprägt. Kultur ist somit dynamisch. In einer „gesunden“ Unternehmenskultur identifiziert sich der Mitarbeiter mehr mit dem Unternehmen als mit seinem jeweiligen Aufgabenfeld. Er arbeitet meistens im Team und ist bereit, in unterschiedlichen Projekten unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen. Die hierarchische Position ist dabei nebensächlich.

Risiko- und Fehlertoleranz sind stark ausgeprägt

Der Mitarbeiter wird ermutigt, Konflikte offen anzusprechen und konstruktiv Kritik zu üben. Kontrollmechanismen des Managements sind wenig ausgeprägt, Risiko- und Fehlertoleranz dafür um so mehr. Resultate zählen, nicht der Weg, wie sie erreicht werden. Aber auch der Umgang der Mitarbeiter untereinander ist geprägt von Verständnis, Wertschätzung und Respekt. In einer gesunden Kultur ist Karriere die Bestätigung für fachliche und soziale Kompetenz – und nicht die Folge von Firmenzugehörigkeit.

Dieses Miteinander erfordert jedoch besondere Fähigkeiten von Managern und Mitarbeitern. Nicht jeder ist geeignet oder willens, in solch einem Umfeld zu arbeiten. Bei der Auswahl von Bewerbern müssen nicht nur diejenigen Kandidaten identifiziert werden, die den Anforderungen an den Job gerecht werden, sondern auch über ein hohes Maß an sozialer Kompetenz verfügen, um sich in der bestehenden Unternehmenskultur zurecht zu finden.

Unternehmen müssen also Mitarbeiter rekrutieren, die über die gleichen Basisannahmen verfügen, die durch frühkindliche Sozialisation, Werte und Zeitgeist geprägt wurden. Begeisterungsfähigkeit, Identifikation mit der bestehenden Unternehmenskultur und Motivation zur Weiterentwicklung und Mitgestaltung haben mindestens den gleichen Stellenwert wie die Fachkompetenz, die ein Bewerber bereits mitbringt.