Die IT hat eine schlechte Reputation. Sie wird oft als zu teuer und unflexibel beschrieben. In der letzten Dekade versprach Outsourcing das Problem zu lösen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu verbessern - mit fraglichen Ergebnissen. Seit ein paar Jahren bietet nun die agile Bewegung eine Alternative. Der Ansatz besteht in der Reduktion von allem unnötigen Ballast. Anwender agiler Techniken beschreiben den Ansatz als leistungsfähig und angenehm. Für Manager, die im klassischen Projekt-Management aufgewachsen sind, ist das schwer nachzuvollziehen.
- Fünf Gründe für den agilen Ansatz
Neue Methoden der Softwareentwicklung begeistern die Mitarbeiter und die Kunden. Da stellt sich die Frage, woher es kommt, dass "Agilität" derartig beliebt ist? Alexander Ockl nennt Fünf Gründe: - Weniger Prozess - dafür mehr Mensch
Offenbar haben wir gelegentlich das Prozessrad zu weit gedreht. Mit Know-how in den Prozessen wollten wir gute Software wie am Fließband im "billigen Ausland" herstellen lassen. Probleme lassen sich mit noch ausgefeilteren Prozessen und Rollen beseitigen, so dachten wir. Aber inzwischen wissen wir, dass wir am so genannten Fließband meist individuell arbeiten. Und talentierte Mitarbeiter haben auch im Ausland inzwischen ihren Preis. - Persönliche Motivation statt Existenzangst
In der agilen Welt zählt der Mensch wieder etwas. Statt verteilt zu sitzen, schauen sich agile Teams wieder in die Augen. Effektive, direkte Kommunikation ersetzt endlose, anonyme Telefonkonferenzen und überlaufende E-Mail-Postkörbe. Größerer Gestaltungsspielraum und überschaubare Rollen geben Mitarbeitern das Gefühl, endlich wieder etwas bewegen zu können. Das setzt Kräfte frei. Und motiviert, anstatt zu frustrieren. - Entfaltete Stärken statt Fesseln
Endlich wieder kreativ sein und nicht starre Prozesse befolgen müssen! Kein Wunder also, dass gerade Entwickler und Analysten diesen Ansatz lieben. Im agilen Umfeld sind sich alle bewusst, wie wichtig ein gut zusammengestelltes Team ist. Das übersehen wir in der "alten IT-Welt" häufig - zwischen den vielen Prozessdetails und virtuellen Teams. Unsere Kunden freuen sich auch, denn schließlich steht wieder die Lösung ihrer Probleme im Vordergrund. - Gemeinsam entwickelte Arbeitsweise
Neue Prozesse bedeuten in unserem herkömmlichen Alltag häufig neue Rollen. So entstehen Teamveränderungen und Umstrukturierungen. Die vorgegebene Arbeitsweise passt aber vielfach nicht zum Team. Agile Methoden wie Scrum zeigen, dass es auch anders geht. Den "Toyota-Weg" als Vorbild, organisieren sich schlanke Teams innerhalb eines groben Rahmens am besten selbst.Es lohnt es sich, ein funktionierendes Team - wie im Fußball - nicht zu stark zu verändern. Gemeinsam entwickelt, richtet sich die Arbeitsweise nach den Möglichkeiten der Mitarbeiter. - Eine nachvollziehbare Teamleistung
Schreit unser Umfeld nach Agilität, so sollten wir nicht dagegen reden, sondern genau hinschauen. Agilität und gute Prozesse wollen das Gleiche. Müssen wir dennoch verteilt arbeiten, so sollten wir unbedingt auf die menschliche Komponente achten. Frei nach Felix Magath bei der Vorstellung des Spielers Raul sollte es "unsere Verpflichtung sein", die Mitarbeiter "so in Szene zu setzen", dass Sie "ihre Fähigkeiten voll ausspielen können". Andernfalls schließt auch Raul keine Tore, sondern wird zu einem mittelmäßigen und schließlich frustrierten Mitspieler.
Was ist anders? Im Rahmen des agilen Vorgehens, insbesondere nach Scrum, arbeiten Teams weitgehend selbstorganisiert und übernehmen Verantwortung. Es gilt der Grundsatz, dass beispielsweise Aufgaben wie Planung und Steuerung am besten bei denen liegen sollten, die auch mit der Umsetzung betraut sind. Dabei wird die Planung kontinuierlich auf der Basis neuer Erkenntnisse ausgerichtet. Die hohen Freiheitsgrade agiler Teams ermöglichen effizientes Arbeiten. Im agilen Kontext gibt es keinen klassischen Projektleiter, der mittels Diagrammen das Projekt simuliert und plant. Die Planung verläuft nach agilen Prinzipien und basiert auf empirischen Fakten, wodurch sich das Risiko der Fehlplanung reduzieren lässt. Stattdessen wird das Projekt permanent am Projektziel ausgerichtet, was eine Einhaltung der Rahmenbedingungen wie Termin und Budget erleichtert. Die agile Vorgehensweise basiert auf der Erkenntnis, dass der Verlauf von Projekten, insbesondere großen, nicht ausreichend vorherzusehen ist und daher eine umfassende Vorabplanung wenig weiterhilft. Die Annahme, dass sich das Projektergebnis linear zu den eingesetzten Mitarbeitern entwickelt (Chinesen-Prinzip) ist ebenso widerlegt, da es die gruppendynamische Prozesse und äußere Einflussfaktoren nicht einbezieht.
Teams organisieren sich selbst
Der Begriff Ressourcenplanung spiegelt das zugrundeliegende maschinistische Menschenbild, nachdem Menschen wie Teile einer Maschine beliebig austauschbar sind. Zudem basiert es auf Misstrauen, das eine Überwachung und Steuerung der Mitarbeiter erfordert. Dagegen stellen agile Methoden das Team als produktive Einheit in den Mittelpunkt. Teams organisieren sich selbst und verfolgen ein gemeinsames Ziel. Die Kultur der Teamverantwortung im agilen Kontext steht in Kontrast zu den Methoden des klassischen Managements, das weitgehend hierarchisch organisiert ist. Daher entstehen an dieser Schnittstelle häufig Reibungen bei der Einführung agiler Vorgehensweisen.
Der Wert agiler Vorgehensweisen erschließt sich vor allem in der praktischen Arbeit und weniger durch die Lektüre entsprechender Publikationen. Da das Management aber in der Regel nicht in Projekten mitarbeitet, bleibt ihm diese Erfahrung verschlossen. Daher gibt es immer wieder Konflikte zwischen Mitarbeitern in den Projekten, die agile Techniken stark befürworten, und dem Management, das sich schwer vorstellen kann, wie ein Vorhaben ohne umfassende Projektleitung ablaufen soll. Zudem entsteht ein Bild der Bedrohung, wenn immer wieder Gerüchte kursieren, dass beispielsweise Projektleiter im agilen Kontext keine Zukunft haben. Diese Polemisierung ist wenig hilfreich, da sie nur der Frontenbildung dient.