Das globale Dorf ist eine Fata Morgana

09.12.2003
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Zwar erleben gerade Länder wie Japan oder China einen rasanten Wertewandel, und der Süden Indiens mit seinen Entwicklerzentren ist stark vom westlichen Denken geprägt, doch kulturelle Unterschiede beeinflussen trotzdem den Arbeitsalltag. Ein Teilnehmer erzählte beispielsweise von drei Kollegen, die mit einer Green Card nach Deutschland gekommen waren. Es handelte sich um Inder aus unterschiedlichen Kasten, und derjenige aus der niedrigsten Gesellschaftsschicht wurde aufgrund seiner Qualifikation zum Projektleiter ernannt. Die beiden anderen weigerten sich, seinen Führungsanspruch anzuerkennen: "Sie hörten nicht auf ihn, und das Ganze war eine Katastrophe".

Doch auch deutsche Eigenheiten wirken auf manche Mitglieder eines internationalen Teams befremdlich. Mit ihrer direkten Sprache, offenen Kritik und einer lebhaften Streitkultur verschrecken Deutsche schon viele europäische Nachbarn. Kollegen aus dem asiatischen Kulturkreis schüchtert diese Diskussions- und Arbeitsweise erst recht ein.

Wie können Unternehmen unter diesen Umständen ein Projekt erfolgreich meistern? Die Beraterin Heike Kahles, die lange Jahre bei Hewlett-Packard internationale Teams begleitet hat, stellte in ihrem Vortrag Erfolgsfaktoren vor. Dazu gehören beispielsweise gemeinsame Ziele und Perspektiven, mit denen sich die Teammitglieder identifizieren können. Weiterhin seien eine genaue Aufgabenbeschreibung und Regeln für den Projektverlauf nötig, ebenso regelmäßige Kommunikation und ein Klima, in dem gegenseitige Wertschätzung und Respekt den Kollegen gegenüber herrschen.

Manager müssen alle Tonarten beherrschen

Dreh- und Angelpunkt des erfolgreichen Projekt-Managements bleibt jedoch die Führungskraft. Wie sieht der optimale Projektleiter aus? Nach Ansicht von Kathrin Köster ist es eine Frau, die technisches Fachwissen mitbringt. "Frauen haben bessere Antennen und sind sensibler. Sie merken früher, wenn es Schwierigkeiten gibt", fügt die Professorin für International Business, Leadership and Organisation an der FH Heilbronn hinzu. Ungeeignet seien dagegen deutsche Ingenieure ohne internationale Berufserfahrung, denen die nötige Sensibilität gegenüber einem anderen Kulturkreis fehle. "Projektleiter sollten in der Lage sein, ihren Führungs- und Kommunikationsstil schnell zu wechseln und das ganze Instrumentarium beherrschen", empfiehlt Köster.

Auch die Arbeits- und Herangehensweise an neue Aufgaben variiert stark. Während deutsche Teammitglieder Projekte gerne klar strukturieren und komplexe Themen bevorzugen, probieren viele Chinesen oder Japaner lieber verschiedene Alternativen aus. Warten viele Chinesen auf konkrete Anweisungen des Chefs, fühlen sich amerikanische oder auch europäische Entwickler schnell bevormundet oder um ihre kreativen Ideen gebracht, wenn das Briefing zu detailliert ausfällt. Verstehen dagegen die asiatischen Kollegen nicht so genau, was sie machen sollen, warten sie einfach auf weitere Anweisungen, ohne nachzufragen.