IT erobert die Welt der Autos

Chancen für Berater mit Benzin im Blut

29.01.2015
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Momentan dreht sich in der Automobilbranche alles um das vernetzte Auto. Aber auch Zukunftsthemen wie Big Data stehen bei IT-Beratern auf der Agenda.

Autonom fahrende Autos kurven durch die Straßen von Kalifornien und sorgen für Aufsehen. Was wie ein Experiment aus den nahe gelegenen Hollywood-Studios wirkt, könnte schon 2020 Alltag sein. Technische Innovationen haben die Automobilbranche schon immer umgetrieben. Doch seit die IT mit im Fahrzeug sitzt, dreht sich das Innovationskarussell noch schneller.

Berater tragen Anzüge - das gilt auch für die Produktionshallen der Autohersteller. Um sich mit den Experten dort auf Augenhöhe unterhalten zu können, reicht ein gepflegtes Äußeres jedoch nicht aus. Neben Technikverständnis und der für Consultants selbstverständlichen Kommunikationsstärke sollten Interessenten Spaß an Autos haben und mindestens Grundwissen mitbringen.
Berater tragen Anzüge - das gilt auch für die Produktionshallen der Autohersteller. Um sich mit den Experten dort auf Augenhöhe unterhalten zu können, reicht ein gepflegtes Äußeres jedoch nicht aus. Neben Technikverständnis und der für Consultants selbstverständlichen Kommunikationsstärke sollten Interessenten Spaß an Autos haben und mindestens Grundwissen mitbringen.
Foto: industrieblick - Fotolia.com

Internet-Giganten wie Apple oder Google drängen mit aller Macht in die traditionsreiche Autobranche. Manchen stolzen Autobauer hierzulande plagen deshalb Zukunftsängste: Keiner will zum Lieferanten von Blechkarossen degradiert werden. Andreas Baier, Geschäftsführer Automotive von Accenture, hält denn auch Kooperationen zwischen den etablierten Herstellern und den neuen Akteuren für wahrscheinlich: "Die Digitalisierung sowie Vernetzung der Fahrzeuge treibt die Automobilhersteller gerade mächtig um."

Zum digitalen Geschäftsfeld zählt Baier die Datenspeicherung in der Cloud, Social Media, die Integration von Smartphones und Tablets in die Fahrzeuge sowie Big Data. Letzteres werde interessant, weil die Hersteller schon heute über massenhaft fahrzeugbezogene Daten verfügten, diese aber noch nicht in ausreichendem Maße nutzten. Dabei ließen sich daraus interessante Serviceangebote entwickeln.

Andreas Baier, Accenture: "Personalisierte Angebote sind technisch möglich, werden aber kaum angeboten."
Andreas Baier, Accenture: "Personalisierte Angebote sind technisch möglich, werden aber kaum angeboten."
Foto: Accenture

Hier sieht Baier Nachholbedarf seitens der Autobranche. Akteure wie Google und Apple wüssten das, sie hätten die Kunden mit ihren Wünschen fest im Visier. "Den Fahrern ist es vermutlich egal, wer ihnen die Dienstleistungen anbietet. Viele Autohersteller überlegen intensiv, wie und mit welchen Angeboten sie die Kunden erreichen können."

Big Data ermöglicht personalisierte Angebote

Die Autobranche erfindet sich neu. Manche versuchen sich als Mobilitätsanbieter, steigen in Car-Sharing-Projekte ein. Andere schmieden Allianzen mit Händlern, Werkstätten und Versicherungen oder denken über neue Dienstleistungen und Kooperationen nach. "Personalisierte und auf den Kunden zugeschnittene Angebote wären technisch möglich, werden bisher aber kaum angeboten", kommentiert Baier. Wieso also nicht dem Fahrer direkt im Display des Wagens einen Hinweis auf den nächsten Service-Check geben und die Adresse der Werkstatt mit Terminvorschlag mitliefern? Das spart dem Kunden Zeit und sichert dem Vertragspartner Aufträge.

Auch vor dem lukrativen Feld Unterhaltung schrecken viele zurück. "Dabei sind Verbraucher laut einer Umfrage von uns durchaus bereit, für die Dienste im Auto zu bezahlen. Vielleicht fehlen einfach attraktive Angebote", mutmaßt Baier. Schließlich entwickelten sich auch Navigationssysteme und Apps mit aktuellen Staumeldungen zu Bestsellern.

Versicherungen interessieren sich schon längst für die gesammelten Daten. In England gibt es bereits Rabattmodelle für rücksichtsvolle Fahrer. Striktere Datenschutzbestimmungen und größere Vorbehalte lassen manchen Autobauer und auch Versicherungen hierzulande zögern. Doch Baier ist überzeugt, dass es attraktive Modelle geben wird, die den Autofahrern Vorteile bringen und dabei die gesetzlichen Bestimmungen einhalten.

IT-Berater für die Autobauer

Seine Liebe zu Autos hat Sebastian Schömann lange vor seinem Einstieg in die Unternehmensberatung A.T. Kearney entdeckt - nämlich beim Münchner Autobauer BMW in der Produktentwicklung. Heute geht es dem Autofreund, der im Digital Transformation Team tätig ist, das sowohl mit IT als auch mit Automotive zu tun hat, um die digitalen Veränderungen in der Autobranche. "Im Grunde sind die Kunden immer online", so Schömann. Um die daraus entstehenden Potenziale für die Automobilindustrie zu nutzen, entwerfen die Consultants entsprechende Konzepte. Dabei komme man nicht ohne IT-Lösungen aus.

Nach Schömanns Beobachtung ist IT-Kompetenz in den Fachabteilungen der Autohersteller eine Selbstverständlichkeit: "Die klassische Trennung zwischen Business und IT wird durch die Digitalisierung aufgelöst." Heute gelte es bei jedem neuen Projekt zu klären, ob das Unternehmen über ausreichend IT-Kapazitäten und Mitarbeiter mit den richtigen Kompetenzen für die veränderten Herausforderungen verfüge.

IT-Profis holen gegenüber Ingenieuren auf

Modelle wie "Connected Car" sind für Schömann ein gutes Beispiel: "Wenn das Fahrzeug an den Kunden ausgeliefert wird, beginnt für den Hersteller die Notwendigkeit, IT-basierende Dienstleistungen bereitzustellen und ein damit verbundenes entsprechendes IT-Backbone zu betreiben." Anders als früher gebe es hierfür nicht die Servicestation, wo das Auto in Intervallen gewartet werde. Da das Fahrzeug immer mit dem Hersteller verbunden sei, müsse der die Infrastruktur überall zur Verfügung stellen und für ihren Betrieb sorgen können.

Zudem fragt es sich laut Schömann, ob der Autobauer sein Händlernetz entsprechend trainiert hat oder ob er die Servicekompetenz selbst aufbaut. Die dritte Möglichkeit wäre, diese Aufgabe an einen externen Partner auszulagern. Voraussetzung für das Gelingen sind dem Berater zufolge intelligente IT-Lösungen. So müssten klassische IT-Betreibermodelle aufgebaut werden: "Hier kommen auf die IT-Berater in der Tat große Aufgaben zu. Gemeinsam mit dem Kunden entscheiden sie, wie die erforderlichen Prozesse angepasst und welche Fähigkeiten benötigt werden, um neue Partner zu steuern."

Die Aufgaben für IT-Berater in der Automobilbranche sind also vielfältig. Das schlägt sich in den Anforderungen an Beschäftigte und deren Skill-Profile nieder. "Wir suchen ganz unterschiedliche Qualifikationen und freuen uns über Bewerbungen von Informatikern, Maschinenbauern und Ingenieuren gleichermaßen", sagt Accenture-Manager Baier.

Unterschiedliche Kompetenzen innerhalb von Teams zusammenzustellen und die Vernetzung unter den Beteiligten zu fördern ist eine Aufgabe, die sich für Autohersteller genauso stelllt wie für IT-Beratungsunternehmen. "Die Hersteller trennen noch zu stark zwischen den Zuständigkeiten von Ingenieuren, Informatikern und Maschinenbauern",sagt Baier. "Doch die unterschiedlichen Disziplinen werden bald noch enger zusammenarbeiten", prophezeit der Accenture-Mann: "Noch bestimmen die Ingenieure im Fahrzeugbau die Richtung, doch die IT-Spezialisten holen auf und werden immer wichtiger."

Hart, aber herzlich

Thomas Weber, A.T. Kearney: "In der Automobilbranche darf sich ein Berater nicht umpusten lassen."
Thomas Weber, A.T. Kearney: "In der Automobilbranche darf sich ein Berater nicht umpusten lassen."
Foto: A.T. Kearney

Für IT-Profis, die im Automotive-Sektor arbeiten möchten, hält Thomas Weber, Principal bei A.T. Kearney, folgenden Rat bereit: "Stallgeruch ist ideal, aber bei uns erhalten auch nicht so erfahrene Kandidaten eine Chance." Wichtig sei, sich an eine technisch orientierte Umgebung anzupassen, in der mitunter ein rauer Ton herrsche. "In der Automobilwelt darf sich ein Berater nicht allzu schnell umpusten lassen", betont Weber. Hier gehe es "hart, aber herzlich" zu. Junge Berater würden sofort beim Klienten eingesetzt und mit den Mitarbeitern des Kunden zusammenarbeiten. "Das ist für sie spannend, motivierend und weiterbildend zugleich."

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