SAP oder Microsoft – sonst nichts

Bionorica digitalisiert die Mitarbeitergespräche

23.09.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Ein Viertel des Aufwands gespart

Seit dem Oktober vergangenen Jahres arbeiten einige Bereiche mit der neuen Lösung: die Personalabteilung selbst, die interne IT sowie die Abteilungen Controlling und Finanzbuchhaltung. Dazu HR-Chefin Schels: "Keine lange Suche, keine Kopien, keine manuelle Archivierung - ich möchte das nie wieder auf Papier machen." Und Kunzelmann bestätigt: "Ich habe 25 bis 30 Prozent des Aufwands in den eigenen Mitarbeitergesprächen eingespart."

HR-Chefin Andrea Schels: "Wir hatten unsere Anforderungen im Kopf, aber die IT hatte teilweise erst einmal eine ganz andere Wahrnehmung."
HR-Chefin Andrea Schels: "Wir hatten unsere Anforderungen im Kopf, aber die IT hatte teilweise erst einmal eine ganz andere Wahrnehmung."
Foto: Bionorica SE

Sukzessive werden nun auch die anderen Bereiche die Lösung verwenden - erstmals bei den jetzt anstehenden Halbjahresgesprächen. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, weil sie nicht ganz so aufwendig sind wie die Jahresendgespräche", so Kunzelmann. Deshalb könnten die Führungskräfte jetzt relativ entspannt die aktuellen Stellenbeschreibungen und die für 2015 festgelegten Ziele aufnehmen. Ältere Personalgesprächsbögen zu erfassen hält er wie auch Schels für unnötig. Ohnehin gebe es die Zielvereinbarungen in der heutigen Form erst seit 2011. Und dieser Zeitraum sei noch relativ gut überschaubar.

Weiche Kriterien mit harten Merkmalen

In der Endstufe soll die Anwendung auch für Ausschreibungen verwendet werden, so dass sich die Kriterien aus der Suchanzeige nahtlos in die Zielvereinbarungen übertragen lassen. Besonderen Wert legt das Unternehmen dabei auf den "Cultural Fit", also auf nichtfachliche Eignungskriterien der Mitarbeiter. Diese weichen Kriterien - pro Mitarbeiter bis zu zehn - werden vom System mit überprüfbaren Verhaltensmerkmalen hinterlegt und abgefragt.

Im Mitarbeitergespräch können Führungskraft und Angestellte diese Informationen gemeinsam anschauen, denn die Lösung ist mobil und iPad-tauglich. Außerdem lassen sich die Daten auch über einen Beamer visualisieren. Und wer immer noch einen Ausdruck verwenden möchte, kann das tun - sofern er die Informationen im Nachgang überträgt.

Die Gesprächspartner können sofort gemeinsam überprüfen und dokumentieren, ob die Stellenbeschreibung noch aktuell ist, inwieweit die Ziele bereits erfüllt sind und welche Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll erscheinen. Letztere werden dann gleich in einem Bogen für das kommende Jahr erfasst. Für den HR-Bereich erleichtert das die Organisation von Inhouse-Schulungen: Die Personaler sehen quasi auf Knopfdruck, wie viele Mitarbeiter ein bestimmtes Training benötigen.

Zwang zu verbindlichen Abläufen

Der Aufwand dafür hielt sich im Rahmen: Etwa neun Monate lang war das Kernteam aus zwei Bionorica-Mitarbeitern (einer aus HR, einer aus IT) und einem externen Berater mit dem Projekt beschäftigt - zeitweilig ergänzt durch weitere Spezialisten aus dem Unternehmen.

Nach den größten Herausforderungen befragt, sagt Kunzelmann: "Die lagen sowohl auf der organisatorischen als auch auf der IT-Seite. Letztere hatte damit zu kämpfen, dass sie hinsichtlich der Formulargestaltung keine Kompromisse eingehen durfte; das war anspruchsvoll in der Realisierung und aufwendig zu testen, denn es handelte sich ja um eine Individualentwicklung, wo - anders als bei einer Standardapplikation - erst einmal alles durchgespielt werden muss."

Organisatorisch galt es, die Balance zwischen der gewünschten Transparenz und einem gefühlten Zwang zur Standardisierung zu bewältigen: "Wenn so lange Abläufe nur auf dem Papier existieren, kann jeder den Prozess ein bisschen anders auslegen. Mit der Digitalisierung muss man sich auf einen verbindlichen Ablauf einigen."

Wie Schels aus der HR-Sicht ergänzt, war es am Anfang auch nicht leicht, den ITlern genau klarzumachen, was die Personaler tatsächlich wollten - trotz Pflichtenheft und detaillierter Spezifikation: "Wir hatten unsere Anforderungen im Kopf, aber die IT hatte teilweise eine ganz andere Wahrnehmung. Letztlich haben wir uns dann immer verstanden, aber vorher kam es zu so manchem Aha-Erlebnis."

Ob diese Anwendung den HR-Bereich teilweise überflüssig macht? "Im Gegenteil", lacht Schels: "Sie versetzt uns erst in die Lage, unsere Aufgabe zu erfüllen." Vorher sei es beinahe unmöglich gewesen, zweimal im Jahr rund 1500 Formulare "vollumfänglich" zu prüfen. Routineprüfungen nimmt das System der Personalabteilung jetzt ab. Über eine "Ampelfunktion" hält es sogar nach, ob alle Gespräche wirklich stattfinden. Wer sich das Halbjahresgespräch sparen will, hat schlechte Karten: Will er dann ein Jahresendgespräch führen, wird ihm die rote Ampel gezeigt. Die springt erst auf grün, wenn der Mitarbeiter das Resultat des Halbjahresgesprächs bestätigt hat.

Foto: Bionorica SE

Die Charakteristika und Highlights des Systems

Das Wesentliche auf einen Blick:

  • Alle Stellenbeschreibungen mit Ziel/Zweck, Kernaufgaben und Anforderungsprofil inklusive Soft Skills (Kernkompetenzen) werden elektronisch abgebildet.

  • Die Kernkompetenzen werden automatisch aus den Stellenbeschreibungen in die Zielvereinbarungsgespräche übernommen, Jahresziele in Form von Projekten manuell ergänzt.

  • Die Führungskräfte dokumentieren die Zielvereinbarungsgespräche im System.

  • Der Prozess wird für die HR-Manager im Ampelsystem dargestellt, um Transparenz über den Fortschritt der Gespräche im Gesamtunternehmen herzustellen.

  • Die Leistung des Mitarbeiters wird im Jahresendgespräch vom System sofort errechnet und interaktiv dargestellt.

  • Das gesamte System ist iPad-fähig und mehrsprachig.