"Eine spezielle Logistik"
CW: Wo kommt denn diese Konkurrenz her?
RÜHL: Insbesondere dort, wo kein besonderes Produkt-Know-how erforderlich ist und die Teile auch mit der Post verschickbar sind, könnten uns die Amazons dieser Welt durchaus in die Quere kommen. Deshalb bauen wir an unserem Standort in Frechen gerade eine spezielle Logistik auf, mit der auch Kleinstbestellungen für den Privatbereich wirtschaftlich abgewickelt werden können.
CW: Zudem gibt es Bestrebungen, Stahlhandelsplattform unabhängig von den großen Anbietern zu betreiben.
RÜHL: Das sehen wir noch nicht als Gefahr für uns. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, denen fehlt der Zugang zur Branche, zu den Herstellern und zu den Kunden. Aber das kann sich schnell ändern. Man sollte auf alles vorbereitet sein - auch auf Konkurrenz von außen.
CW: Wie konkret ist Ihre Idee von einer Industrieplattform derzeit?
RÜHL: Aktuell sind noch verschiedene Ansätze denkbar. Beispielsweise könnte es sein, dass wir das gemeinsam mit einem oder mehreren Partnern machen. Aber wenn man hier mitspielen will, muss man früh anfangen und den Markt genau beobachten. Zunächst konzentrieren wir uns aber auf den konzernweiten Rollout unserer Webshops bis zum Jahresende und die Entwicklung innovativer Tools zur Erhöhung des Kundennutzens, für die wir bereits viel positive Resonanz erhalten haben.
CW: Das klingt aber eigentlich mehr nach einem traditionellen Supply-Chain-Management, das es in Ihrer Branche offenbar noch nicht gibt.
RÜHL: Doch, das gibt es, zumindest in Ansätzen. Aber unsere Branche ist tatsächlich sehr traditionell. Hier werden Aufträge immer noch gern per Telefon oder Fax erteilt. Letztendlich geht es aber um deutlich mehr als nur um die Optimierung der Supply-Chain. Es geht um vollständig digital vernetzte Kunden- und Lieferantenbindungen und die Abwicklung sämtlicher Prozesse über eine digitale Industrieplattform.
"Autark arbeiten lassen"
CW: Sie suchen bewusst den Kontakt zu Vor- und Querdenkern. Warum haben Sie sich bei kloeckner.i vor allem mit dem Berliner Company Builder etventure zusammengetan?
RÜHL: Wir brauchen Leute, die nicht nur Theorien entwerfen, sondern aktiv mitarbeiten. Das etventure-Team hat zur Vorbereitung auf unser erstes Treffen unsere potenziellen Kunden angerufen, anstatt irgendwelche Präsentationen zu erstellen. Das hatte ich in dieser Form noch nicht erlebt.
CW: Wie eigenständig dürfen oder müssen kloeckner.i und Ihr neuester Coup, kloeckner.v, eigentlich arbeiten?
RÜHL: Bei kloeckner.i ist eine enge Kooperation mit den anderen Unternehmensbereichen erforderlich, schließlich sollen die Prozesse entlang der bestehenden Liefer- und Leistungskette digitalisiert werden. Beispielsweise sitzt der Leiter unserer IT, Michael Hilzinger, in der Geschäftsführung von kloeckner.i. Das ist schon deshalb notwendig, weil die Applikationen, die dort entstehen, den Zugriff auf unser Kern-SAP-System brauchen. Und man muss schon dafür sorgen, dass die beiden Bereiche nicht aneinander vorbei arbeiten. Bei kloeckner.v sollen hingegen disruptive Veränderungen des bestehenden Geschäftsmodells entwickelt werden. Dafür muss man die handelnden Personen weitestgehend autark arbeiten lassen. Im Gegensatz zum Wettbewerb wird kloeckner.v aber von uns mit allen relevanten Informationen versorgt.
CW: Das heißt, Sie kanibalisieren sich selbst.
RÜHL: Ja, aber unter unserer Kontrolle. Wir wollen nicht so lange warten, bis einer kommt und das einfach macht. Deshalb bezahlen wir bewusst Leute dafür, unsere Wertschöpfungskette anzugreifen.
CW: Was lassen Sie sich den Spaß kosten?
RÜHL: In diesem Jahr hat kloeckner.v rund zehn Millionen Euro zur Verfügung. Aber die arbeiten auch mit etablierten Venture-Capital-Firmen zusammen.
CW: Im vergangenen Jahr hat Klöckner seinen Aktionären nach drei Jahren wieder eine Dividende ausgezahlt. Inwiefern lässt sich die Profitabilität auf Ihre Anstrengungen in Sachen Digitalisierung zurückführen?
RÜHL: Die Profitabilitätssteigerung im abgelaufenen Geschäftsjahr war noch weitestgehend anderen Initiativen geschuldet - im Wesentlichen den nachlaufenden Effekten aus unserem abgeschlossenen Restrukturierungsprogramm und ersten Beiträgen aus zusätzlichen Optimierungsmaßnahmen. (sh)
- Zehn Thesen zur Digitalisierung
In Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister Dimension Data hat Crisp Research Ende letzten Jahres die unabhängige Studie "Digital Business Readiness" umgesetzt. Ziel war es, ein Stimmungsbild deutscher Unternehmen zum aktuellen Stand ihrer digitalen Transformation zu zeichnen. Hier finden Sie Zehn Thesen, die sich aus dieser Studie ableiten lassen - 1. Die digitale Transformation ist bereits in vollem Gange ...
... und hat mittlerweile sämtliche Branchen mehr oder minder fest im Griff. Dennoch steht die Wirtschaft noch am Anfang eines langen Transformationsprozesses. - 2. Die digitale Transformation wird die Unternehmen ...
... in den kommenden Jahren in Gewinner und Verlierer spalten. - 3. Das Gros der deutschen Unternehmen hat erkannt, ...
... welche weitreichenden Implikationen der digitale Umbruch nach sich zieht. Die absolute Mehrheit sieht sich gut bis sehr gut dafür aufgestellt. Allerdings haben nur 42 Prozent bislang eine funktionierende Digitalstrategie. - 4. 39 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich als Profiteure ...
... und Gestalter des digitalen Wandels. 61 Prozent bezeichnen sich als Mitläufer und Skeptiker. - 5. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Digital Excellence ...
... und der erfolgreichen Implementierung einer Digitalstrategie. So haben bereits zwei Drittel (67 Prozent) der Digital Champions (Profiteure und aktive Gestalter) ihre Strategie erfolgreich implementiert und mit der Umsetzung in die Praxis begonnen. - 6. Die IT-Abteilungen sind die entscheidenden Akteure, ...
... wenn es gilt, die Strategie zu entwerfen und die Aktivitäten im Prozess der digitalen Transformation zu steuern und umzusetzen. Allerdings wirkt das Thema weit über die Grenzen der IT-Abteilung hinaus. - 7. Die Kunden sind Treiber der digitalen Transformation.
Von ihnen gehen die Veränderungen aus. - 8. Das Rechenzentrum ist das Epizentrum der Digitalisierung.
Für mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) ist es die alles entscheidende Basis der Digitalisierung. - 9. Für eine zukunftssichere Infrastruktur ...
... sind Investitionen nötig, die über das Rechenzentrum hinausgehen. - 10. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen glauben, ...
... dass sie für eine konsequente Umsetzung der digitalen Transformation professionelle Partner brauchen. Diese sollten eine hohe Kompetenz bei der IT-Integration sowie umfangreiches Prozess- und Branchen-Know-how mitbringen.