AS/400: In die Jahre gekommen, aber nicht gealtert

11.03.2004
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Auch die Anwendung von Windows auf der I-Series ist "noch wenig verbreitet", so die Beobachtung von Jörg Zeig, I-Series-spezialisierter IT-Berater der Firma Zebis aus dem siegerländischen Kreuztal und technischer Leiter der Common. Hier seien die Business-Partner nicht aktiv genug, ihre Beratung sei lückenhaft. "IBM könnte mehr Druck machen." Zeigs direkter Counterpart bei IBM, deren technischer Berater für die I-Series und technischer Ansprechpartner für die Common, Thomas Barlen, mag nur von einem "langsamen Start" reden, inzwischen komme die Windows-Integration gut an. Am besten ist die Konsolidierungs-Message dort angekommen, wo Anwender neben der I-Series auch Unix-Maschinen der P-Series nutzen. Hier ist das Interesse an einer AIX-Konsolidierung nach Beobachtung von Berater Zeig besonders groß.

Nicht unproblematisch ist auch IBM zweites Lieblingsthema, "Capacity on Demand" (CoD). Die Möglichkeit, zusätzliche Prozessoren freizuschalten, gibt es seit Januar 2003 nicht nur als permanente Option, sondern in der Variante "On/Off CoD" auch temporär zur Vermeidung zeitlich begrenzter Überlastung der Systeme. "Das probieren viele", erklärt IBMer Barlen. Das müssten dann wohl größere Anwender sein, wirft Berater Zeig ein. Denn Capacity on Demand funktioniert nur ab dem I-Series-Modell "825" aufwärts. Das Angebot fehlt für das bei kleinen Unternehmen sehr verbreitete Modell "810". Zeig: "Auch für kleinere Kunden wäre Capacity on Demand wünschenswert."

IBM tut sich schwer, in seiner Mittelstandskundschaft neue IT-Themen zu verbreiten. HTML, Java, XML und selbst das viel beworbene Websphere sind in der I-Series-Welt kaum etablieren. "Dabei sind die Produkte gut", meint Zeig. "Aber die alten AS/400-Hasen haben eine Hemmschwelle vor neuen Techniken. Sie kennen die Begrifflichkeiten, aber welche Vorteile die Produkte mit sich bringen, haben viele noch nicht verstanden."

Genauso reserviert steht die Anwenderschaft Neuerungen wie Integration der Altanwendungen in Browser, Benutzeroberflächen oder grafikgestützter Systemadministration gegenüber. Berater Zeig bringt es auf den Punkt: "Die größten Stärken der AS/400 und der I-Series sind gleichzeitig ihre größten Schwächen. Warum sollte man neue Anwendungen einsetzen, wenn die alten wunderbar laufen?" Ein großer Teil der I-Series-Anwender arbeitet unverändert mit Programmen aus AS/400-Tagen. Dank Slic- und Timi-Microcode ist eine Softwarelandschaft gewachsen, die sich durch Stabilität auszeichnet. Und gerade beim Mittelstand verbieten die derzeit knappen IT-Etats alles, was über der Aufrechterhaltung des Systembetriebs hinausgeht.

Wohl angesichts dieser Situation und nach schwerer Kritik der Anwender hat IBM im Januar letzten Jahres die Preise der I-Series-Rechner radikal gesenkt. Trotzdem sind diese Maschinen vergleichweise teuer. Doch einer Studie von IDC vom Juli 2003 macht sich eine I-Series für 100 Anwender nach 261 Tagen bezahlt. Bei dreijährigem Betrieb ist eine I-Series in kleineren Firmen um 34 Prozent kostengünstiger als ein Intel-basierender Server und um 60 Prozent preiswerter als eine Unix-Maschine. Berechnet über fünf Jahre, beträgt der Preisvorteil schon 95 beziehungsweise 91 Prozent. Für große Unternehmen gelten ähnliche Verhältnisse. Die Gründe sind in erster Linie die größere Zahl unterstützter Benutzer, die weniger IT-Personal erfordernde Administration, die geringeren Ausfallzeiten und die dadurch erhöhte Produktivität der Anwender. Eine weitere Studie der Meta Group und Aussagen aus Common-Kreisen bestätigen diesen Befund.

Ein Problem besonderer Art bildet jedoch RPG, die AS/400- und I-Series-typische Programmiersprache. "RPG ist in die Jahre gekommen, aber nie gealtert", meint Zeig, gesteht aber ein, dass sie allgemein als geradezu antik gelte. Sie ist dem IT-Nachwuchs unbekannt, weil an den Universitäten und Fachhochschulen eher C++ und Java gelehrt werden als RPG. "Jüngere lernen RPG meistens erst, wenn sie in einer Firma anfangen", gesteht IBM-Berater Barlen. Bestehende Förderprogramme von Big Blue für Hochschulen haben nicht die erhoffte Wirkung. Das Problem für IBM: Der Nachwuchs wird später im Beruf die Maschinen kaufen, die er kennt. Das wäre der Tod der I-Series.