Anwender zeigen IPv6 die kalte Schulter

31.07.2003
Von Martin Seiler

Michael Warfield, Senior Researcher und Mitglied des Expertenteams "X-Force" von ISS, kritisiert angesichts dieser Entwicklung die passive Haltung vieler Netzadministratoren: "IPv6 wird von ihnen oft übersehen oder ignoriert, weil sie nicht erkennen, dass dieses Protokoll bereits verfügbar ist. Daher verfügen sie auch nicht über die Kenntnisse, um damit umzugehen."

Das Zögern der Unternehmen hat jedoch einen guten Grund: Schließlich ist es nicht damit getan, lediglich eine Software aufzuspielen, um IPv6 zu nutzen. Vielmehr müssen eine komplett neue interne Adressstruktur entwickelt und alle betroffenen Geräte entsprechend konfiguriert werden. Die Internet Engineering Task Force (IETF) hat bereits verschiedene Methoden standardisiert, um Rechnern, die nur IPv4 beherrschen, die Kommunikation mit IPv6-Geräten zu ermöglichen. Damit können Anwender umgekehrt auch IPv6-Daten über eine IPv4-Verbindung senden.

Wer nicht alle Geräte gleichzeitig auf IPv6 umstellen kann oder will, hat auch die Möglichkeit, beide Stacks laufen zu lassen und zu einem späteren Zeitpunkt den IPv4-Stack zu entfernen. Es ist aber auch denkbar, mit Hilfe von Network Address Translation-Protocol Translation (NAT-PT) die Daten, die von einer IPv4-Maschine kommen, in IPv6-Daten umzusetzen und umgekehrt. NAT-PT lässt sich sowohl im Intra- als auch im Internet einsetzen. Falls beide IP-Stacks parallel laufen, werden die Geräte automatisch IPv4-Daten über IPv4-Adressen versenden und IPv6-Daten über IPv6-Adressen.

Deutschland liegt vorn

Im Rahmen von Testumgebungen wie dem "6Bone" wird IPv6 bereits seit Jahren auf seine Praxistauglichkeit erprobt. Doch auch der politische Druck wächst: So hat die Europäische Kommission im letzten Jahr die Regierungen und Wirtschaftsvertreter der EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Infrastruktur des Internets auf die neue Protokollversion umzustellen.

Deutschland ist im internationalen Vergleich führend, was die Zahl der zugewiesenen Adressblöcke für die nächste IP-Generation betrifft. Nach Angaben des Ripe NCC (Réseaux IP Européens Network Coordination Center) entfallen 20 Prozent aller Zuteilungen von IPv6-Adressräumen auf die Bundesrepublik, dahinter folgen Großbritannien (neun Prozent) und die Niederlande (acht Prozent).