3GSM World: Breite Abwehrfront gegen Microsoft

27.02.2003
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Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
CANNES (COMPUTERWOCHE) - Auf der Mobilfunkmesse 3GSM World in Cannes wurde zwar viel über UMTS geredet, doch für den professionellen Anwender ist dies nur ein weiteres Transportmedium, das ihm künftig neben Wireless LANs zur Verfügung steht. Ganz pragmatisch sahen auf der Messe IT- und TK-Branche beide Funkverfahren nicht mehr als Konkurrenten, sondern als komplementäre Technologien.

Auf den ersten Blick könnte die diesjährige 3GSM World in Cannes eigentlich als voller Erfolg gewertet werden: Der Heilsbringer UMTS, der mit höheren Bandbreiten dem Mobilfunkmarkt zu neuem Schwung verhelfen soll, ist endlich im Anmarsch. Mit einer funktionsfähigen UMTS-Funkzelle demonstrierten die Aussteller das Potenzial der neuen Technik in Form von unidirektionalen Videoübertragungen oder Videokonferenzen über die ersten Handys der dritten Mobilfunkgeneration (3G), wie UMTS auch bezeichnet wird.

Foto: hi
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Eher ernüchternd dürfte dagegen für den IT-Entscheider das Messeresümee ausfallen, wenn er sich die Frage stellt, wie sein Unternehmen von der künftigen mobilen Welt profitieren soll. Die TK-Industrie entwickelte nämlich bislang wenig Phantasie, um den Corporate Customer von den Vorzügen der schnelleren UMTS-Netze zu überzeugen - und die Multimedia Messages, Klingeltöne oder animierte Bilder zum Download sowie die bereits hinlänglich bekannten Location Based Services (etwa zur Restaurantsuche) dürften Unternehmen wenig Mehrwert bieten. Angesichts der andauernden Einfallslosigkeit witzelte man in Cannes bereits darüber, ob 3G für „Girls, Games und Gambling“ stehe.

Dagegen gab es in Cannes keine Diskussionen mehr darüber, ob UMTS aufgrund der schnellen Verbreitung von Hotspots mit WLAN-Technik seine Bedeutung für die professionelle Datenkommunikation verlieren wird. Vertreter der TK-Branche und der IT-Industrie bewerteten beide Funkverfahren unisono als komplementäre Techniken. Unter Integrationsaspekten sollte der IT-Manager deshalb neben WLANs auch UMTS in seine Entscheidung vorwegnehmend einbeziehen.

Aus technischer Sicht gibt das Sinn, denn letztlich handelt es sich in beiden Fällen um IP-Netze, die sich eigentlich nur in der physikalischen Übertragungsmethode auf Netzebene 2 unterscheiden. Damit, so argumentiert etwa Jonathan Hindle, Strategic Technology Manager Mobile Networking bei Cisco, bereite es einem Carrier, der bereits ein IP-Backbone besitzt, wenig Probleme, sowohl Hotspots mit WLAN-Technologie zu betreiben als auch gleichzeitig UMTS anzubieten.

Für Chris Bray, IBMs Chef für das Wireless E-Business in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (Emea), könnte sich dabei folgendes Szenario herauskristallisieren: An öffentlichen Plätzen wie Messen oder Flughäfen, wo mit einem hohen Datenaufkommen zu rechnen ist, ergänzen Hotspots die eher für die Fläche ausgelegte UMTS-Infrastruktur. Ins gleiche Horn stößt Marc Rotthier, HP-Vice-President für Europa, den Mittleren Osten und Afrika (Emea), der zudem davon überzeugt ist, dass UMTS nicht die erforderliche Bandbreite aufweist, um an hochfrequentierten Orten alle potenziellen User zu versorgen.

Das Bild einer konvergenten Welt aus Hotspots und UMTS hat jedoch noch einen Schönheitsfehler. In der Praxis funktioniert das Roaming zwischen Mobilfunknetz und WLAN-Hotspot - also der einfache, im besten Fall sogar unterbrechungsfreie Wechsel zwischen den beiden Netzen - noch nicht. Über diese Tatsache können auch Endgeräte wie Samsungs „Nexio S155“ oder Nokias Dualuse-Funkkarten für Notebooks, die sowohl WLANs als auch Handy-Netz unterstützen, nicht hinwegtäuschen. Das Einloggen in unterschiedliche Hotspots klappt heute ebenfalls nicht problemlos.

Mobile IP für das Roaming

Ein erster Ansatz, die lästigen Konfigurationsarbeiten für den normalen Geschäftsreisenden ohne großes Netzwerk-Know-how zu vereinfachen, ist Intels „Configuration Guideline for Hotspots“. Diesen Leitfaden hat der Chiphersteller im Rahmen seiner Centrino-Strategie - einer Chipfamilie für Notebooks mit integrierter WLAN-Funktionalität - erarbeitet, um Hotspot-Betreiber zu einer einheitlichen, funkzellenübergreifenden Konfiguration zu bewegen.

Langfristig, so Stacy Smith, Intel-Vice-President Emea, muss das Ziel aber ein automatisches Roaming sein. Eine Lösung hierfür könnte „Mobile IP“ sein. Allerdings ist sich die Industrie noch uneins darüber, welche Voraussetzungen hierzu erforderlich sind. Während etwa Cisco-Manager Hindle die Ansicht vertritt, dass entsprechende Roaming-Szenarien bereits heute mit IP, Version 4, zu realisieren sind, erfordert dies laut Maurice Merks, Chief Technology Officer der Network & Service Provider Business Unit bei HP, IPv6. Merks begründet diese These damit, dass für ein reibungsloses Roaming jedes Endgerät eine eigene IP-Adresse benötigt. Und dies könne aufgrund des knappen Adressraumes von IPv4 erst mit der nächsten Generation des Internet-Protokolls gewährleistet werden.

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