Schwierig: internationale ERP-Projekte
Aber nicht nur die oft dürftige globale Ausrichtung nationaler ERP-Hersteller stellen Unternehmens- und IT-Verantwortliche bei der Internationalisierung ihres Betriebs vor Herausforderungen. Auch die Umsetzung folgender Voraussetzungen für eine erfolgreiche ERP-Installation ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
1. Harmonisierte Prozesse: Internationale ERP-Projekte sollen Kosten sparen und die Prozesseffizienz steigern. Das kann nur gelingen, wenn betriebliche Abläufe konsequent harmonisiert und standardisiert werden. Das Zauberwort lautet hier Diversifizierung. IT-Veranwortliche müssen klar zwischen globalen, harmonisierten und standardisierten Prozessen sowie lokalen, individuellen und flexibel-anpassbaren Abläufen trennen.
- Raad-Studie ERP im Mittelstand
In der Raad-Studie wurden die Anwender unter anderem gefragt, welche Anbieter sie für relevant halten. SAP-Nutzer waren nicht darunter. Hier gehen offenbar Markenbekanntheit und tatsächliche Verbreitung deutlich auseinander. - Raad-Studie ERP im Mittelstand
Die Fertigungsindustrie ist eine Kernbranche der ERP-Anbieter. Der SAP trauen die befragten Leiter des Finanzwesens/Controlling eine hohe fachspezifische Kompetenz zu. Microsoft kommt hier auf 37 Prozent. Lässt man die Microsoft-Kunden außen vor, sinkt die Quote auf 28 Prozent. Infor leidet Raad Research zufolge darunter, dass vielen Nutzern in den Fachabteilungen noch nicht klar geworden ist, dass die von ihnen genutzte Software (etwa das Rechnungswesen von Varial oder die auf Fertigung spezialisierte ERP-Lösungen „Baan“ beziehungsweise „ERP LN“) nun zu diesem Softwarekonzern gehören. - Raad-Studie ERP im Mittelstand
Auch die Vertriebsleiter kennen vor allem SAP und Microsoft. Ihr Votum ähnelt dem der Finanzverantwortlichen im Unternehmen. Auch hier liegt Infor etwas hinten, da laut Raad Research den Firmenbereichen mit wenig Softwareherstellerbezug wie dem Vertrieb Infor als Markenname nur schwer zu vermitteln ist. - Raad-Studie ERP im Mittelstand
Produktionsleiter beurteilen SAP und Microsoft ebenfalls gut. Sind aber deutlich skeptischer als ihre Vertriebs- und Finanzkollegen. Unklar bleibt dabei, welche bestehende Software die befragten Unternehmen einsetzen.
2. Abbildung der Organisationsstrukturen: Ein globales ERP-Projekt hat in aller Regel das Ziel, die unternehmensinterne Integration, die die Business-Software auf der lokalen Ebene eines Standorts zwischen all seinen Abteilungen hergestellt hat, nun auch auf globaler Ebene zwischen allen Ländern umzusetzen. Damit kommt ein neues Ordnungskriterium hinzu. Es ist wichtig, die komplexe Organisationsstruktur sauber und einheitlich zu definieren und in der ERP-Lösung abzubilden. IT-Manager müssen sich damit beschäftigen, ob das ERP-System das überhaupt kann. Nichts ist schlimmer als beispielsweise ein tschechischer Mitarbeiter im Telefonverkauf, der sich zunächst durch einen für ihn zum Großteil belanglosen Adressstamm wählen muss, um dann versehentlich einen Artikel zu verkaufen, den die tschechische Niederlassung gar nicht im Sortiment führt.
3. Sicherstellung der gruppenweiten Datenpflegeprozesse: Mit harmonisierten Prozessen und unternehmenseinheitlichen Organisationsstrukturen werden ERP-Systeme gegliedert. Damit nun alles rund läuft, muss die Datenqualität stimmen. Sie entspricht quasi der Oktanzahl eines auf Hochleistung gezüchteten ERP-Motors. Stimmt die Datenqualität nicht, dann klopft und knallt es. Die Ansprüche sind in globalen ERP-Installationen in aller Regel weitaus größer, als viele Betroffene es sich vor einem Projekt vorstellen können. Der Datenpflegeprozess - im gängigen ERP-Deutsch spricht man auch vom Master Data Management (MDM) - muss organisiert werden.
4. Unterstützung mehrerer Sprachen: Ein leidiges Thema ist die Sprachvielfalt, die eine globale ERP-Installation managen und unterstützen muss. Häufig gilt: Die Anzahl der Länder entspricht der Anzahl der Sprachen. Damit stoßen die Anwenderunternehmen nicht nur an die Grenzen des eigenen Supports, auch viele ERP-Systeme sind damit überfordert. Zwar sind heute nahezu alle Lösungen grundsätzlich mehrsprachig, in zahlreichen Sprachen erhältlich und Unicode-fähig. Auf einen echten multilingualen Betrieb ist aber so gut wie kein ERP-System vorbereitet. So fehlen in aller Regel Prozesse, um etwa ein Übersetzungsbüro über ein Portal in den ERP-Prozess einzubinden. Auch vor dem Druck eines komplexen Dokuments, etwa eines Angebots, Offerte fragen die Systeme selten ab, ob alle relevanten Konditionentexte und das Kleingedruckte bereits übersetzt wurden. Am Ende stehen häufig recht peinliche Dokumente. Einem russischen Investor wurde etwa ein wichtiges, schriftliches Angebot in russischer Sprache unterbreitet, die aber mit deutschen und englischen Versatzstücken gemischt war. Die Sprachstrategie betrifft jedoch nicht nur das System an sich, sondern auch die eigene Projektorganisation. Dazu ein Tipp: Die naheliegende Entscheidung, Englisch als Projektsprache zu definieren, sollte sehr gründlich überlegt werden: Die Projekteffizienz leidet, wenn die Mehrheit der Projektmitarbeiter sich ständig stammelnd in einer Fremdsprache abmüht.