Produktstrategien

Workflow- und DMS-Anbieter setzen auf Browser als Client

22.08.1997

Die erst Anfang dieses Jahres in München gegründete Niederlassung der US-Firma Novasoft hat kürzlich die schrittweise Einführung interaktiver Web-Techniken für ihr Dokumenten-Management-System "Novamanage" vorgestellt. Die klassische Variante, bestehend aus dem "Fat"- Client und der Server-Engine mit ihren Dokumenten-Management- und Library-Services sowie Text- und Retrieval-Funktionen, bleibt dabei vorerst unangetastet. Zusätzlich zum Web-Server, der bislang für die reine HTML-Präsentation zuständig war, soll in Kürze ein sogenannter API-Server kommen. Auf ihm werden Javabeans laufen, die den Web-Client von der Logik etwa für Check-in/Check-out-Verfahren oder Versionierung entlasten.

Novasoft

Meldet sich ein Web-Client in dieser Architektur an, werden zunächst die für die Visualisierung zuständigen Applets vom Web-Server geladen. Sie bauen einen Mappenbaum (Folder) auf, geben den Workflow-Status wieder und stellen eine direkte Verbindung zwischen Client und API-Server her. Gleichzeitig wird die User-Berechtigung für bestimmte Aktionen überprüft, so zum Beispiel, wenn der Anwender ein Dokument in einen anderen Ordner verschiebt. Zu den ersten Javabeans, die für den API-Server ab September freigegeben werden, gehört das Modul "Approve". Es ersetzt ursprüngliche Client-Funktionen, mit denen Dokumente und Ordner überwacht, verändert und genehmigt werden können.

Als nächsten Schritt plant Novasoft im Laufe des kommenden Jahres die Zerlegung des API-Servers in eine sogenannte Component-API-Schicht als Kommunikations-Schnittstelle sowie einen Layer für Methoden und Regeln (Methods-API). Die Trennung soll zu mehr Unabhängigkeit bezüglich der Client-Anbindung führen, so daß sich künftig außer Web- und Windows-Front-ends auch spezielle Clients etwa von R/3 andocken lassen.

Der ebenfalls in München niedergelassene amerikanische DMS-Spezialist Documentum hatte bereits Ende vergangenen Jahres Web-Lösungen für sein System angekündigt. Herzstück der neuen Produktfamilie "Rightsite" ist der sogenannte Docpage-Server,

Documentum

der ein dynamisches Dokumenten-Repository erzeugt, in dem Web-Seiten und ihre Dokumentenzuordnung samt der Attribute für Versionierung, Formate und Sicherheitscode als Objekte abgelegt sind.

Documentum arbeitet derzeit noch nicht mit Applets. Sämtliche in C, C++ und Java geschriebenen Masken und Funktionen werden vom DMS verwaltet und auf Anfrage des Web-Clients über den Web-Server durchgereicht. Dabei verfährt der Hersteller derzeit noch nach dem Prinzip, daß nur die für eine Anwendung benötigten Funktionen des integrierten Softwarepakets aktiviert werden. Bis zum Jahresende, so rechnen die Münchner, wird man einen anderen Weg gehen: Dann lassen sich Funktionsgruppen in Form von Applets aufbauen und je nach Geschäftsprozeß automatisch zusammenstellen.

Staffware

Im Bereich des strukturierten, auf Dialogmasken (Formulare) spezialisierten Workflows hat jetzt die in Sulzbach im Taunus ansässige Niederlassung der britischen Firma Staffware ihr Web-Produkt "Global" vorgestellt. Bei der Entwicklung der Intranet-Variante kam dem Hersteller zugute, daß Applikations- und Zugriffslogik im klassischen Modell zwar resident auf dem Client liegen, durch Replikation jedoch immer auch auf dem Server gespiegelt werden. Auf diese Weise hatte sich der Hersteller ohnehin eine gewisse Unabhängigkeit vom Client-System verschafft.

Für den Einsatz im Internet mußten laut Staffware lediglich die Präsentationsebene mit ihren Dialogmasken (Formularen) und deren Steuerung in Java umgeschrieben werden. Damit besteht die Global-Variante im wesentlichen aus einem Set von Java-Applets, die in der Virtual Ma- chine des Browsers ablaufen und dabei eine vordefinierte Dialogmaske aufbauen. Das zur Gestaltung der Masken bereitgestellte Designwerkzeug generiert die Formulare für die gewünschten Betriebssysteme oder als Java-Applets.

Im Gegensatz zu den genannten Herstellern führt Filenet, DV-Pionier des Workflows und Imagings, mittlerweile ein komplettes Applikationsportfolio, das außer Workflow- und Imaging-Management-Systemen (IMS) auch die Bereiche DMS und Archivierung abdeckt. Allerdings kosteten die dazu übernommenen Branchenspezialisten Saros und Watermark viel Integrationsressourcen, so daß die Produkte hinsichtlich neuer Web-Techniken auf den ersten Blick eher rückständig erscheinen: Die Web-Features beschränken sich derzeit noch auf HTML-Präsentationen, von Applet-Techniken wird frühestens auf der DMS Update '97 (Oktober in München, Darmstadt, Neuss und Hamburg) die Rede sein.

Das mit Saros eingekaufte und für das Web erweiterte DMS "Mezzanine" arbeitet vorläufig noch nach dem Prinzip, daß der Anwender einen Suchbegriff eingibt und aus einer Trefferliste das gewünschte Dokument auswählt und sichtet. Die Abfragen werden auf dem Web-Server in SQL umgewandelt und für den Fall häufiger Zugriffe in Cluster eingeteilt. Umgekehrt wird das Dokument von einem funktional unveränderten Mezzanine-Repository via Common Gateway Interface (CGI) auf den Web-Server und von dort als HTML-Seite oder im PDF-Format auf den Client gebracht. Vergleichbares gilt für den Anwendungsbereich Imaging mit den Produkten "Filenet Webseries" und "Watermark Webseries". Beide Lösungen bieten einen "Viewer" als Browser-Plug-in für gescannte Tiff-Dokumente, einen "Connector" als Verbindung zum Imaging-Server sowie einen "Annotator" zur Bearbeitung der Dokumente in Form von überlagerten Annotationen.

Filenet

Probleme hat der Hersteller besonders mit seinen Web-Erweiterungen auf dem Gebiet des strukturierten Workflows. Applet-Techniken würden sich zwar für das Produkt "Visual Workflo" sehr gut eignen, allein die Implementierung der kleinen Java-Programme sei noch nicht endgültig geklärt, heißt es aus der deutschen Filenet-Niederlassung in Bad Homburg. Besteht ein Workflow beispielsweise darin, daß zahlreiche Anwender eines Unternehmens häufige und vor allem getaktete Abfragen (Polling) starten, bereitet dies in einer LAN-Umgebung kein Problem, im Intranet ergeben sich dagegen Performance-Engpässe.

Leistungskonflikte sieht Filenet auch bei anderen typischen Abläufen der strukturierten Vorgangsbearbeitung. Die Herausforderung liege nicht so sehr in der Verwendung von Applets für Dialogmasken. Immerhin gelte es auch Sachbearbeiter zu unterstützen, bei denen pro Tag beispielsweise 100 Anträge durchlaufen, zu deren Beurteilung die Images des gesamten Briefwechsels und der Gesprächsnotizen ebenfalls vom Server geladen werden müssen. Für diese Art des Production-Workflows seien noch Lösungen zu finden.