Ego-Trips im Vorstand vermeiden

Woran es in den Top-Etagen krankt

30.04.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Strukturen fördern "Alpha-Tier"-Habitus

Das Leadership-Risiko hat vor allem zwei Wurzeln. Erstens: Die Denkmuster von Top-Managern sind nun einmal leistungs-, ergebnis- und somit auch wettbewerbsorientiert. Der Alphatier-Habitus ist ihr Erfolgsrezept, um an die Spitze zu gelangen und dort zu überleben. Viele CEOs sind autokratisch - also wenig auf Dialog und Annahme von ehrlichem Feedback getrimmt. Dieser Tunnelblick verstärkt sich in Zeiten zunehmender Komplexität.

Zweitens: In den meisten Unternehmen wirken die "Strukturen" einer Teamarbeit auf der Top-Ebene entgegen. Jeder Bereichsvorstand versucht primär seinen Bereich zu optimieren, denn dies ist seine Kernaufgabe. Auch die Kompensations-, Zielerreichungssysteme und Budgets sind in erster Linie bereichsorientiert definiert.

"Top-Teams" entstehen nicht automatisch

An der Unternehmensspitze ist die Konkurrenz aufgrund der letztendlichen Verantwortung für die einzelnen Bereiche in der Regel besonders stark. Deshalb gibt es dort keine natürliche Entwicklung in Richtung "ein Team".

Für die mangelnde Performance zum Beispiel eines Vorstands ist jedoch nicht primär der CEO verantwortlich - obwohl er die größten Einflussmöglichkeiten hat. Denn wenn ein Top-Team eine reaktive Rolle und somit seine faktische Ent-Verantwortung akzeptiert, dann ist es faktisch nicht mehr "on task". Jedes Vorstandsmitglied muss den produktiven Konflikt mit dem CEO und den anderen Mitgliedern suchen. Denn der Vorstand oder die Geschäftsführung eines Unternehmens ist eine Leistungsgemeinschaft mit einer klaren Zielausrichtung. Erst die gemeinsamen Verpflichtung auf ein Ergebnis bei gegenseitiger Inverantwortungnahme macht ein Team wirksam. Deshalb ist der produktive Konflikt ein wichtiger Geburtshelfer jedes erfolgreichen Top-Teams.

Das "Harmonie-Kartell" durchbrechen

Teams an der Unternehmensspitze entwickeln nicht automatisch einen High Performance-Status. Sie müssen sich diesen erarbeiten - zum Beispiel, indem sie sich von einem externen Berater regelmäßig die Disfunktionen zurückspiegeln lassen. Erst wenn das oberflächliche Harmonie-Kartell gebrochen ist, kann das Team eine höhere Stufe der Performance erklimmen.

In diesem Prozess knirscht es oft. Denn es ist mühsam, sich als Team einen produktiven und effizienten Modus zu erarbeiten - und es ist genauso mühsam, ihn aufrechtzuerhalten. Kein Team ist immer gleich leistungsfähig. Deshalb lautet die Kernherausforderung für jedes Top-Team, sich durch ein konsequentes Reflektieren der eigenen (Dis-)Funktionalitäten in einem Dialog über sich selbst zu halten. Das Team muss also die Fähigkeit zur Selbstreflektion entwickeln. Dann kann es das Leadership-Risiko verringern. (oe)

Kontakt:

Der Autor Dr. Kai Dierke ist Managing Partner der Top Management Beratung Dierke Houben Associates, Zürich. Kai Dierke war nach seiner Zeit als Berater bei McKinsey bis 2003 Mitglied der Konzernleitung der Winterthur Versicherung. www.dierkehouben.com