Winhec: Microsoft forciert Treiberentwicklung

22.05.2007
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Auf Microsofts Hardware-Entwicklerkonferenz Winhec 2007 hat Bill Gates die Treiberentwicklung angemahnt und Neuigkeiten wie Home Server, Rally und Sideshow vorgestellt.

Traditionell präsentiert Microsoft auf seiner Winhec-Konferenz die neuesten Hardwaretrends rund um die Plattformen der Redmonder. Auf der diesjährigen Veranstaltung in Los Angeles drehte sich die erste wichtige Nachricht zunächst um einen Softwarenamen und wurde von Eröffnungsredner Bill Gates prominent inszeniert: Longhorn heißt nun "Windows Server 2008" und soll noch vor Jahresende erscheinen. Dennoch war auch hier schnell der Hardwarebezug hergestellt, indem Gates auf der Mainframe-ähnlichen NEC Express 5800 einige Highend-Features des kommenden Windows-Servers vorführte.

Es hat schon eine gewisse Tradition: Bill Gates fordert auf Microsofts Hardware-Entwicklerkonferenz Winhec die Hersteller zur intensiveren Treiberentwicklung auf.
Es hat schon eine gewisse Tradition: Bill Gates fordert auf Microsofts Hardware-Entwicklerkonferenz Winhec die Hersteller zur intensiveren Treiberentwicklung auf.

Eines davon ist das aus dem Mainframe-Bereich bekannte Hot Replace. Zur Demonstration entfernte ein Techniker im laufenden Betrieb eine von zwei aktiven Server-Partitionen. Das Betriebssystem wechselte dabei kurz in den Ruhezustand, während automatisch das Hardware-Mapping aktualisiert und eine Ersatzpartition aktiviert wurde - nach zirka drei Sekunden lief die Maschine in neuer Konstellation weiter wie zuvor. Der Microsoft-Gründer legte bei dieser Gelegenheit ein erneutes Bekenntnis für die immer wieder totgesagte Itanium-Architektur ab, die auch im gezeigten NEC-Supercomputer in der Dual-Core-Variante zum Einsatz kommt. Der 64-Bit-Mainstream basiert unterdessen längst auf der preisgünstigeren x64-Architektur, und Microsoft trägt dem mit seiner Roadmap Rechnung. Während Anwender beim Windows Server 2008 noch die Wahl zwischen einer 32- und einer 64-Bit-Variante haben, soll die darauf folgende Version ausschließlich als 64-Bit-System angeboten werden.

Baustelle Vista

Von geradezu symbolischem Charakter war ein Buch, das Microsoft allen Winhec-Teilnehmern mit auf den Weg gab. Der Titel des Grundlagenwälzers "Developing Drivers" dürfte als unverblümte Aufforderung des Veranstalters an die zahlreichen Hardwarehersteller zu verstehen sein, sich doch gefälligst noch intensiver mit der nach wie vor virulenten Treibermisere zu befassen. In seiner Rede relativierte Gates allerdings die Situation und beschied Vista die höchste Gerätekompatibilität aller bisherigen Windows-Versionen. Er machte außerdem den erschwerenden Umstand geltend, dass Vista mit dem neuen Treiberprogrammiermodell WDM an den Start ging. Vista übertreffe mit seinen 20.000 unterstützen Hardwarekomponenten die Vorgängersysteme deutlich, die bei ihrer Einführung lediglich 350 (Windows 2000) beziehungsweise 10.000 (Windows XP) Gerätetreiber enthielten. Dennoch erging an das Fachpublikum die klare Ansage, mehr und bessere Treiber bereitzustellen. Den Anwendern versprach Gates bis Ende des Jahres eine 100-prozentige Versorgung.

Winhec-Ankündigungen auf einen Blick

  • Windows Home Server: Server-Appliance für Heimnetzwerke auf Basis von Windows Server 2003 mit neuartigem Bedienkomfort. Hardwarehersteller müssen auf VGA-, Maus- und Tastatur-Anschluss verzichten. Beim Einstöpseln ins LAN startete auf dem Vista-PC ein Installationsassistent. Browser-Konfigurationen und Ping-Verbindungstests sollen der Vergangenheit angehören.

  • Sideshow: Technik für Hilfs- und Zusatzdisplays auf der Basis von Tiny CLR für Vista-PCs oder externe digitale Geräte. Die Bandbreite der Sideshow-Anwendungen reicht von Outlook-Betrachtern über intelligente Fernbedienungen und digitale Bilderrahmen bis zu E-Book-Readern.

  • Rally: Das bisher unbekannte Technik-Framework hinter dem Vista-Logoprogramm. Damit soll die Konfiguration von Wireless- und Netzgeräten von der Digicam bis zur NAS-Appliance einfacher werden. Im zweiten Schritt soll künftig die drahtlose und sichere Autokonfiguration aller Peripheriegeräte möglich sein.

Unabhängig von solchen Treiberkalamitäten werden viele Unternehmensanwender ohnehin traditionell auf das Erscheinen des ersten Service-Packs warten, bevor sie sich an einen Umstieg auf Vista heranwagen. Diesbezügliche Medienspekulationen über das erste Service-Pack blieben unbestätigt, aber aufmerksame Winhec-Teilnehmer konnten zu überraschenden Erkenntnissen gelangen: Auf einigen Referenten-PCs waren bereits Testinstallationen mit der Versionsbezeichnung "Service-Pack 1 Beta" im Einsatz.

Rally zur leichten Installation

Vista harrt auch auf anderen Gebieten noch seiner Vollendung, wie einem Aufruf von Gates an die Hardwarehersteller zu entnehmen war: "Entwickeln Sie Lösungen, die das Potenzial von Vista nutzen". Aus welcher Richtung hier künftige Neuerungen zu erwarten sind, konnte man anhand einer Reihe von Technologiepräsentationen sehen. Dazu zählte beispielsweise die in Vista bereits integrierte Technik mit dem Codenamen "Rally". Er steht für ein Set an Integrationskomponenten, die das Einbinden von Peripheriegeräten aller Art deutlich erleichtern sollen. Dieses Framework wird allerdings dem Endanwender gegenüber nicht direkt kommuniziert, sondern gibt sich indirekt in Form einiger bereits bekannter Logos wie "Certified for Windows Vista" zu erkennen.

Microsoft zieht Trustworthy-Computing-Bilanz

Wir erinnern uns: Nach einer unaufhaltsam wachsenden Zahl von gemeldeten Sicherheitslücken in Microsoft-Produkten hatte Bill Gates Anfang 2002 die Reißleine gezogen und das Unternehmen zu einer mehrmonatigen Klausur verdonnert. Alle Prozesse im Unternehmen sollten daraufhin überprüft werden, wie sie künftig sicherere Produkte produzieren und ausliefern können. Nun hat Microsoft eine Bilanz über fünf Jahre Trustworthy Computing (TWC) gezogen.

Mit Scott Charney steht der internen Trustworthy Computing Group seit 2002 ein renommierter Chef im Rang des Corporate Vice President vor. Charney leitete in den 90er Jahren im US-Justizministerium die Abteilung für Computerstraftaten und war als leitender Bundesermittler mit den ersten spektakulären Hacker-Fällen befasst. Der Experte bezeichnete es nun als wichtigsten Erfolg seiner Arbeit bei Microsoft, dass heute ein Final Security Review" (FSR) obligatorischen ist und ohne die Zustimmung seiner Abteilung kein Produkt mehr auf den Markt gebracht werden kann. "Security hat absolute Priorität, und wir bestimmen heute darüber, ob ein Produkt erscheint oder ob es noch einmal überarbeitet werden muss", so der Sicherheitsspezialist.

In seiner Zeit habe es fünf wichtige Produkte gegeben, deren Auslieferung trotz massiven Drucks aus Marketing und Vertrieb gestoppt wurde. Beim Windows Server 2003, der in seine Anfangsphase fiel, bezifferte er die sicherheitsrelevanten Verbesserungen vor dem Erscheinen auf einen Aufwand von

200 Millionen Dollar. Als weiteres Beispiel für die Autorität seiner Abteilung nannte er Windows Mobile 2003, das wegen des Weihnachtsgeschäfts der Hardware- und Telekommunikationsanbieter im Sommer 2003 erscheinen sollte. Charneys Abteilung legte nach dem FSR ein Veto ein, das allen Eskalationsbemühungen des Marketings bis in die Firmenspitze standhielt. Letztlich wichen einige Gerätehersteller übergangsweise sogar auf das Vorgängersystem Windows Mobile 2002 aus, um ihre Hardware rechtzeitig ausliefern zu können.

Als Beispielszenario diente eine Digitalkamera mit WLAN-Schnittstelle, die in ein Heimnetzwerk mit PC, DSL-Router, Switch und Fotodrucker integriert werden sollte. Ein einmaliges Anschließen über USB an den PC reichte aus, um alle Installationsschritte automatisch zu initialisieren. Anschließend waren sowohl der drahtlose Ausdruck wie die Echtzeit-Bildübertragung auf den PC möglich. Erklärtes Ziel des Softwaremarktführers ist es, in einer nächsten Ausbaustufe von Rally eine drahtlose, vollautomatische und sichere Installation von netzwerkfähigen Geräten zu ermöglichen.

Microsoft adressiert mit dieser Technik ausdrücklich auch den großen Markt für LAN- und WLAN-Appliances wie Router oder Network Attached Storage (NAS), die bis heute einheitliche und bequeme Installationsroutinen vermissen lassen. Bei dieser Gelegenheit wurden diverse der in nächster Zeit zu erwartenden Geräteklassen mit Rally definiert. So rechnen die Redmonder mit neuartigen Peripheriegeräten wie digitalen Bilderrahmen, NAS-Appliances, iSCSI-Speichern, IP-Streaming-Videokameras, Print-Servern und VoIP-Telefonen. Microsoft stellt interessierten Entwicklern Dokumentationen sowie ein Entwickler-Kit zur Verfügung.

Sideshow und Hilfsmonitore

Sideshow bildet hardwareseitig einen Computer-im-Computer – hier ein Hilfs-Display im Deckel eines Notebooks. Auf Miniplatinen läuft Microsofts Tiny CLR, eine abgespeckte Version des .NET Compact Framework für Windows CE.
Sideshow bildet hardwareseitig einen Computer-im-Computer – hier ein Hilfs-Display im Deckel eines Notebooks. Auf Miniplatinen läuft Microsofts Tiny CLR, eine abgespeckte Version des .NET Compact Framework für Windows CE.

Mit "Sideshow" kam auch eine andere Vista-Technik auf der Konferenz zum Zug. Das System wurde erstmals auf der Winhec 2005 unter der Bezeichnung Auxiliary Display (Hilfsbildschirm) im Experimentierstadium gezeigt und trägt nun erste marktreife Früchte. So hat Asus seinem Subnotebook A5FE ein Zusatzdisplay im Deckel spendiert, das dem Benutzer auch im ausgeschalteten Zustand bei geschlossenem Gerät eine Reihe von Informationen anzeigen kann. Über eine Schnittstelle zu Outlook zeigt der Kleinbildschirm beispielsweise aktuelle E-Mails, Kontakte oder Termine an. Die Asus-Implementierung bietet außerdem noch einen Media-Player, Diashow und ein Spiel - bedienbar ist sie über Steuertasten. Die Konfiguration eines Hilfsdisplays erfolgt über eine Sideshow-Steuerkonsole in Vista oder über eine korrespondierende Minianwendung (Gadget) in der neuen, rechten Windows-Sidebar von Vista. Nachdem im Markt bereits erste Sideshow-Geräte zu sehen sind, arbeitet Microsoft nun an der Verfeinerung der Technik.

Grundsätzlich sind der Phantasie bei Sideshow keine Grenzen gesetzt – jede Art von Zusatzanzeige oder Zweitdisplay, die mit einem PC in Verbindung steht, ist vorstellbar. Im Fall des digitalen Bilderrahmens beispielsweise gibt man am PC einen Ordner mit den zu zeigenden Bildern an, diese werden dann per Bluetooth an den Bilderrahmen geschickt. Gezeigt wurde auch eine intelligente Fernbedienung mit interaktivem Display, die die Sideshow-Datenkommunikation in beide Richtungen verdeutlichte. Interessant war zudem der Prototyp eines neuen E-Book-Readers von Ricavision, der mit Sideshow-Technik realisiert wurde. Per USB wird das Gerät an einen Vista-Rechner angeschlossen und erhält darüber seinen Lesestoff. Die Darstellung in E-Paper-Technik kommt der Optik und Auflösung von gedrucktem Papier äußerst nahe und kann als berührungssensitives Display sogar mit Stift beschrieben werden.

Bei Sideshow sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: hier ein digitaler Bilderrahmen.
Bei Sideshow sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: hier ein digitaler Bilderrahmen.

Sideshow bildet hardwareseitig einen Computer-im-Computer. Es kommen dabei Miniplatinen mit ARM-CPUs zum Einsatz, die eine abgespeckte Version des .NET Compact Framework für Windows CE, die Tiny CLR, enthalten. Die Notwendigkeit solcher Spezialhardware ist natürlich auch ein Hemmnis für die Verbreitung der Technik. Aus diesem Grund hat Microsoft Sideshow auf Windows CE und Windows Mobile portiert. Entwickler können damit auch die populären Pocket-PCs als Sideshow-Client nutzen, so dass mit einer stärkeren Entwicklerakzeptanz zu rechnen ist.

Server für zuhause

Ein weiteres Highlight der Konferenz war der Windows Home Server. Microsoft peilt damit die wachsende Zahl an Haushalten mit zwei oder mehr vernetzten PCs an – man geht derzeit weltweit von etwa 40 Millionen Haushalten aus. Der Server soll auf besonders benutzerfreundliche Weise Funktionen wie Backup und zentrale Datenspeicherung für Office- und Multimedia-Daten bieten. Softwareseitig kommt eine abgespeckte Variante des Windows Server 2003 zum Einsatz. Völlig neu für ein Microsoft-Produkt ist, dass der Server laut Spezifikation weder über eine grafische Oberfläche verfügt noch seitens der Hardware Tastatur-, Maus- oder VGA-Anschluss besitzen darf. Und weil Microsoft auch die im Appliance-Sektor üblichen Browser-Frontends für eine Usability-Zumutung hält, initiiert der Server unmittelbar nach Anschließen ans LAN am Vista-Client einen Konfigurationsassistenten, der den Benutzer mit wenigen Klicks durch die Installation führt.

Über eine Add-in-Schnittstelle soll den Hardwareherstellern die Möglichkeit gegeben werden, eigene Assistentenerweiterungen zu programmieren. HP hat bereits einen fertigen Home-Server im handlichen Appliance-Format gezeigt, Medion soll neben anderen Anbietern kurz vor der Fertigstellung sein. Trotz der restriktiven Vorgaben bezüglich des Hardwaredesigns möchte Microsoft ambitionierte Anwender nicht verprellen und wird daher auch die Option anbieten, die Server-Software aus dem Netz zu laden und auf einem Standard-PC zu installieren. (ue)