Der Trend läuft in eine andere Richtung

Windows Datacenter bleibt in der Nische

03.09.2004

Microsoft bietet die Datacenter Edition in zwei Versionen an: Für Rechner mit 32-Bit-Chips sowie für Intels bislang wenig erfolgreiche 64-Bit-Architektur. Erst jetzt hat Microsoft Deutschland offiziell bestätigt, dass mit Hochdruck auch an einer Variante für die beliebten x64-Prozessoren (AMDs "Opteron" und Intels "Nocona") gearbeitet wird, die jeweils sowohl 32- als auch 64-Bit-Programme unterstützen. Datacenter basiert im Prinzip auf "Windows Server 2003 Enterprise Edition", kann aber mehr CPUs und mehr Hauptspeicher adressieren. Die 32-Bit-Variante unterstützt bis 32 Prozessoren und 64 GB Hauptspeicher.

Die "Windows Server 2003 Datacenter Edition für Intels Itanium-Chips bedient bis zu 64 CPUs und 512 GB Hauptspeicher. Beide akzeptieren Cluster-Verbünde von bis zu acht Knoten. Mit dieser "Scale-up"-Version hofft Microsoft, den großen Unix-Maschinen im Rechenzentrum Paroli bieten zu können. Neben dem höheren Leistungsumfang setzt Microsoft auf Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit und liefert das Betriebssystem deshalb nur an qualifizierte Hardwarelieferanten, die sich zertifizieren und Serviceleistungen sicherstellen müssen. Insbesondere soll vermieden werden, dass keine ungetesteten Komponenten in die Datacenter-Rechner eingebaut werden und den Gesamtbetrieb stören.

Für einige zertifizierte OEM-Hersteller birgt die Rechenzentrums-Version des Betriebssystems die Möglichkeit, Services, Hard- und Software aus einer Hand zu liefern. "Mit der Windows Server 2003 Datacenter Edition können wir unsere Rechenzentrumskunden so beliefern, wie sie es auch von unseren Unix-Systemen gewohnt sind", erklärt beispielsweise Bernd Kosch, Vice President Alliances bei Fujitsu Siemens Computers (FSC).

Anderen passt die von Microsoft verfolgte "Scale-Up"-Strategie nicht ins Konzept. Dazu Dells Marketing-Managerin Susanne Schütz: "Wir verfolgen den Scale-Out-Ansatz und liefern Server mit maximal vier Prozessoren als Highend-Systeme aus, die bei Bedarf geclustert werden. Dafür reichen als Betriebssysteme die Standard oder Enterprise Edition von Windows Server 2003." Die Rechenzentrumsversion des Betriebsystems spiele bei Dell keine Rolle, könne aber bei Bedarf für ein Kundenprojekt angeboten werden, da die Zertifizierung für Itanium-Rechner vorliege.

Das große Geschäft war die Datacenter Edition für Microsoft bislang noch nicht. Ein Branchen-Insider bezeichnet die Verkaufserfolge mit dem Betriebssystem als "homöopathische Dosis im Vergleich zu den regulären Windows-Lizenzen". Auch für Chris Ingle, Marktforscher der IDC, ist die Software ein Nischenprodukt, das sich gerade erst zu etablieren beginnt: "Es gibt nicht viele Anwender, die nach einer großen Mehrprozessormaschine unter Windows Ausschau halten." Derzeit werde nicht in neue Systeme investiert, den Anwendern gehe es vielmehr darum, Bestehendes aufzurüsten statt umzusteigen.

Das Know-how liegt bei Unix

Das bestätigt Wolfgang Wendt, Leiter IBM xSeries Central Region, der neben der Wirtschaftslage auch technische Gründe für die zögerliche Annahme von Microsofts Datacenter ins Feld führt: "Microsoft konkurriert hier mit Unix und da ist der Kuchen weitgehend verteilt." Die Anwender haben Erfahrung mit Unix im Rechenzentrum und wollten nicht unnötig neues Know-how aufbauen. Das gelte insbesondere auch für die Implementierung und Wartung, wo heute Anwender selbst Hand anlegen und so Kosten sparen wollen. In vielen Firmen sei dafür das Verständnis für Unix-Systeme, nicht aber für Microsoft-Installationen vorhanden.

Zudem, so Wendt weiter, sei die Anzahl der für Datacenter verfügbaren Applikationen "sehr überschaubar". Die 32-Bit-Version von Datacenter und deren Einsatz für größere Datenbankanwendungen würden sich praktisch ausschließen - Ausnahme im SAP-Umfeld. Für die 64-Bit-Variante gelte, dass die Kunden nur mitmachen, wenn die unabhängigen Softwarehäuser ein entsprechendes Produktangebot bereitstellten.

Horst Kanert, Programm-Manager Windows-Integrity-Server bei Hewlett-Packard (HP), lässt das Argument der fehlenden Software nicht gelten. "Alle Datenbanken, Middleware, Backup-Lösungen, Virenscanner und dergleichen sind in 64-Bit-Versionen verfügbar." Selbst 32-Bit-Code lässt sich seiner Meinung nach einfach auf den 64-Bit-Itanium-Prozessor bringen, wenn er bestimmten Programmierkonventionen folgt. Intel hat dazu Werkzeuge für die Recompilierung entwickelt und Microsoft stellt die "Profile Optimizer" im Rahmen von Visual Studio zur Verfügung, so dass die breitere Hardware den Programmen bis zu 70 Prozent Leistungsschub verleiht.

Kanerts Kollege Marc Stoelting, Microsoft Business Manager bei HP, bestätigt aber, dass derzeit mit den Softwarehäusern gesprochen wird, die bislang Unix-Programme liefern. Es gehe darum, diese Applikationen auf .NET und Intel-CPUs mit 64-Bit zu portieren. Für HP ist es überlebenswichtig, möglichst viele Anwendungen auf Intel-Prozessoren anbieten zu können, da der Hersteller in Zukunft nur noch solche Maschinen entwickeln wird. Schon heute lässt sich das Flaggschiff der Integrity-Reihe, der Superdome, unter HP-UX mit bis zu 128 CPUs bestücken. Superdome-Rechner unter Microsofts Datacenter Edition können derzeit mit bis zu 64 Itaniums arbeiten.

HP-Manager Kanert ist zufrieden mit dem Absatz der erst kürzlich auf den Markt gebrachten Kombination aus Itanium und Datacenter: "Wir erzielen ein Wachstum von 50 Prozent je Quartal." Den angestrebten Anteil von zwölf Prozent bei den Integrity-Servern mit Datacenter im Vergleich zu den Verkäufen mit HP-UX habe man übererfüllt. Die Nachfrage im Wirtschaftsraum Emea stammt laut Kanert allerdings weniger aus den zentralen Ländern Deutschland, England, Frankreich oder Spanien, sondern aus den Randgebieten. "Die Zentraleuropäer trotten nach." Genutzt werden die Maschinen zwar auch zur Konsolidierung, vor allem aber zu dem, was Microsoft "Re-Platforming" nennt. Gemeint ist damit der Wechsel auf eine Microsoft-Infrastruktur einschließlich Betriebssystem, Datenbank und Entwicklungswerkzeuge. Insbesondere Banken zeigen laut Kanert derzeit Interesse daran, weil sie so die Kosten senken wollen.

Chancen im Datenbankgeschäft

HP bietet in den Integrity-Rechnern mit acht oder mehr CPUs nur die 64-Bit-Version der Datacenter Edition an, die auf dem Itanium-Prozessor aufsetzt. Der Hersteller hat dafür ein eigenes Chipset entwickelt und verzichtet auf das entsprechende Intel-Angebot. Die 32-Bit-Version von Datacenter interessiert die Böblinger nicht, da sich das Betriebssystem erst ab acht Prozessoren lohnt, es aber keine Proliants-PC-Server mit mehr als acht CPUs gibt. Für die Mehr-Wege-Itanium-Maschinen könnten die Anwender zwar auch die Enterprise Edition von Windows Server 2003 verwenden und den Server in Partitionen mit jeweils acht CPUs unterteilen. HP rät davon aber ab, weil die Flexibilität darunter leide.

Schon vor HP hat sich Unisys zu einer Intel-Strategie entschlossen und bietet mit den "ES7000" die leistungsfähigsten Intel-Maschinen an. Das Flaggschiff der Familie, "Orion 560", erlaubt den gemischten Betrieb von bis zu 32 Xeon-MP und 32 Itanium-Prozessoren und kann zusätzlich noch 42 Blade-Server aufnehmen. Neben den Microsoft-Betriebssystemen kann der Rechner auch unter Linux arbeiten.

MS im Mainframe-Stil

Für Unisys bedeutet die Datacenter Edition die Chance, Mainframe-Technik auf der Basis von Standard-Hard- und Software anbieten zu können und so den eigenen Kunden der proprietären CMP-Maschinen eine zukunftsträchtige Alternative zu liefern. "Wir können nicht nur leistungsfähige und skalierbare Rechner anbieten, sondern auch das Handling erfolgt so wie beim Mainframe", beschreibt Gerd Elzenheimer, Marketing Manager bei Unisys, die Vorgehensweise in Projekten. Die von Microsoft verlangten Zertifizierungen und Support-Strukturen bedeuten für den OEM-Lieferanten und seine Kunden zwar ein höheres Investment, sind seiner Meinung nach aber für die Zuverlässigkait unabdingbar: "Ohne diese Sicherheit würden viele Kunden die Produkte gar nicht einsetzen." Auch Elzheimer bescheinigt den deutschen Anwendern das "zögerliche Aufgreifen der 64-Bit-Technik". Insbesondere bei Konsolidierungsprojekten spiele 64 Bit kaum eine Rolle, da nur wenige Applikationen danach verlangen. Für Datenbankinstallationen sieht der Unisys-Manager einen steigenden Bedarf an 64-Bit-Hard- und Software.

Skeptisch über die zukünftigen Erfolgsaussichten der Datacenter Edition gibt sich Marcus Hammer, Senior Consultant der Meta Group. Seiner Meinung nach trifft die Datacenter Edition auf ein schwieriges Umfeld. "Die treibende Kraft hinter Plattformmigrationen sind die Applikationen und deren Bedarf an Ressourcen." Da die IT-Manager aber mit knappen Budgets auskommen müssen, nutzen sie die Infrastrukturen länger und optimieren sie lieber. "Es ergeben sich weniger Migrationsprojekte." Das ist bitter für Microsoft, weil sich die bestehenden Installationen im Rechenzentrum aus Risc-Maschinen und Unix-Betriebssystemen zusammensetzen.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Anwender, wenn sie investieren, den Scale-out-Ansatz verfolgen und lieber billigere Server auf Basis von AMDs Opteron oder Intels Nocona kaufen. Dann aber kommt oft Linux als Betriebssystem zum Einsatz, das viele Anwender als sicherer ansehen. Die Datacenter Edition leidet in puncto Zuverlässigkeit offenbar an den anderen Microsoft-Produkten.

Die jüngst erklärte Absicht, eine Version von Windows Datacenter für Opteron- und Nocona-Prozessoren entwickeln zu wollen, lässt vermuten, dass die Redmonder jetzt ebenfalls auf den Scale-Out-Zug aufspringen wollen. Auf der Hausmesse "Teched" in Amsterdam im Juli war davon noch nicht die Rede.

Nach Ansicht von Meta-Group-Analyst Hammer sind die neuen Prozessoren so leistungsstark, dass Unternehmen zunehmend Maschinen mit zwei CPUs als Applikations-Server einsetzen. Bestätigt sich das, dann wäre auch Intels reiner 64-Bit-Chip Itanium für Microsoft ein Nischenprodukt und nur Opteron/Nocona erfolgreich. Microsoft wird sich fragen müssen, ob nicht alle Entwicklungsanstrengungen in diese Richtung gehen sollten.

Hier lesen Sie ...

- wie es um die Erfolgsaussichten von Microsofts Windows Server 2003 Datacenter Edition steht,

- wofür das Betriebssystem genutzt wird,

- welche Lösungen die OEM-Lieferanten anbieten,

- wo im Rechenzentrum der Trend bei Servern hingeht.

MS: Mission Critical

Unter dem Codenamen Mission Critical Microsoft startet der Softwarekrösus eine Initiative, um mehr Kundschaft für die Datacenter Edition zu gewinnen. Dazu soll das bestehende "High Availability Program" ausgebaut werden. Es sollen mehr Softwarepakete etwa für Messaging, Enterprise Resource Planning und Customer-Relationship-Management unter das Datacenter-Dach gehoben werden.

Microsoft versucht damit der IBM ein Schnippchen zu schlagen, die in der Vergangenheit immer mehr Linux-Programme für die Mainframes angeboten hat.