Ingres will den Unix-Markt erobern

"Windows-4GL" entwickelt Software unter OSF/Motif

08.06.1990

MÜNCHEN (CW) - Nach einigen Rückschlägen malt Ingres sich jetzt eine goldene Zukunft. Schon bis Ende dieses Jahres will der Datenbankhersteller mit seinen Produkten den Unix-Markt dominieren. Helfen soll dabei "Ingres/Windows 4GL".

Bei dem Produkt handelt es sich um eine verteilte Entwicklungsumgebung mit einer objektorientierten Programmiersprache der 4. Generation und grafischer Benutzerumgebung nach dem X-Windows-Standard. Trotz des zukunftsorientierten Ansatzes stellt die 4GL-Umgebung im wesentlichen eine Erweiterung bereits vorhandener Ingres-Produkte um die grafische Oberflächengestaltung dar. So lassen sich zwar Objekte wie Buttons, Scrollbars und Pulldown-Menüs mit Hilfe der Maus erstellen, für den Zugriff auf Datenbanken müssen jedoch nach wie vor SQL-Statements eingetippt werden. Ingres offeriert dafür Hilfsmittel, die aber nicht in das neue Produkt integriert wurden.

Angeboten wird das System ab Juli dieses Jahres zuerst für das Unix-Betriebsystem von Sun Microsystems und die Motif-Benutzeroberläche von der Open Software Foundation. Ebenfalls im dritten Quartal folgt die Version für DEC-Windows, während die Unterstützung der Benutzeroberflächen Open Look, Presentation Manager und Microsoft Windows noch bis mindestens Ende des Jahres auf sich warten läßt.

Mit diesem Werkzeug ist Ingres laut Geschäftsführer Helmut Wilke gewappnet, um in die Marktoffensive zu gehen: "Bis Ende dieses Jahres wird es mehr Ingres-Installationen unter Unix geben als von allen Mitbewerbern zusammen."

Für künftige Projekte ist zudem eine kräftige Finanzspritze von der Digital Equipment Corp. zu erwarten, die mit knapp 20 Prozent bei Ingres einsteigt.

Außerdem will der Hardwarehersteller künftig die Ingres-Datenbank mit seinem Unix-Derivat Ultrix ausliefern. Auch den Millionenauftrag für das Mobilfunknetz der deutschen Telepost Consulting GmbH (Detcom) verdankt der Datenbankhersteller DEC.

Wilke kann seine Prognose zusätzlich auf einen weltweiten Umsatzzuwachs von 35 Prozent allein im Herbst 1989 stützen. Die deutsche GmbH hat im vergangenen Geschäftsjahr bei einem Plus von 93 Prozent 15,8 Millionen Mark umgesetzt. Frank P. Sempert, Geschäftsführer der Münchner Informix GmbH und Mitbewerber von Ingres, bezweifelt, daß Wilke seine Ziele erreichen kann.

Er rechnet seinem Konkurrenten vor, daß allein Informix bei einem Umsatz von 21 Millionen Mark um rund 5 Millionen Mark vorne liege und zudem als Siemens-Partner

35 000 Installationen im Unix-Bereich vorweisen könne. Ingres hat nach eigenen Angaben nur etwa 1900 Lizenzen vergeben.

Die Vorstellung, die Frankfurter könnten alle ihre Konkurrenten im Unix-Bereich überrunden, hält Sempert daher für unrealistisch.

Der Ingres-Geschäftsführer verweist dagegen auf die Einbindung seines Datenbankproduktes in Open Desktop, die Unix-Umgebung der Santa Cruz Operations (SCO). Davon erwartet sein Unternehmen Neuinstallationen in der Größenordnung von

10 000 Stück.