Buchbesprechung

Wie iPhone, Xbox, Tivo & Co das Internet kaputtmachen

10.04.2008

Das Ende des offenen PCs?

Zittrain geht zwar nicht davon, dass PCs aus diesen Gründen bereits in naher Zeit aussterben werden. Er befürchtet aber, dass auch sie abgeriegelt werden und auf ihnen kein Open-Source-Code mehr läuft, der stark zu der neuen Funktionalität des Internet beigetragen hat. "Falls sich die Sicherheitsprobleme und damit die Ängste häufen, wird die breite Basis der Nutzer zu bestimmten Former der Absperrung tendieren - und Regulatoren werden diesen Prozess noch beschleunigen,'' prophezeit der Autor des Buchs "The Future of the Internet and How to Stop It". "Was wir im Zuge dieser Entwicklung verlieren, ist eine Welt, in der Mainstream-Technologie unerwartet beeinflusst, ja sogar revolutioniert werden kann."

Oxford-Professor Jonathan Zittrain sieht die Freiheit und Innovation von PCs und Internet in Gefahr.
Oxford-Professor Jonathan Zittrain sieht die Freiheit und Innovation von PCs und Internet in Gefahr.
Foto: Jonathan Zittrain

Zur Demonstration dieser These zeichnet Zittrain in seinem Buch die Geschichte des Mehrzweck-PCs nach und wie er sich gegenüber Mainframe-Terminals und Nischengeräten wie Textverarbeitungssystemen durchsetzte. Die Stärke des PCs, so erklärt er, bestehe darin, dass er für Software von Drittanbietern entwickelt wurde, nicht nur ausschließlich für Programme des Herstellers. "Je mehr externe Entwickler neue Anwendungen schrieben, desto wertvoller wurde der Computer in den Augen vieler Menschen."

Ein ähnliches Phänomen ruft der Buchautor bei Netzen in Erinnerung, indem er beschreibt, wie das offene Internet proprietären Netzen wie dem Telefonnetz, AOL oder CompuServe den Rang ablief. So habe es in den USA erst die Zerschlagung des AT&T-Monopols bedurft, damit Drittanbieter neue Geräte wie Anrufbeantworter, Fax und Modems entwickelten. Das Internet auf der anderen Seite hatte ein offenes Design und eine Philosophie von Teilen und Vertrauen aufgewiesen, welche die Entwicklung von Außenstehenden förderte.

Wegen des fürchterlichen Zustands der Cyber-Security sieht Zittrain den Status Quo des offenen Internets und der innovativen PCs, die darauf zugreifen, aber nun ernsthaft gefährdet. Konkret geht er von zwei möglichen Szenarien aus, die die Ära der kontrollierten Appliances herbeiführen könnten: Entweder den Untergang des Webs durch ein dramatisches Ereignis, also eine Art digitales Pearl Harbor, oder den Tod durch Tausende von kleinen Sicherheitsverletzungen. Laut Zittrain wird die Gesellschaft aber einen hohen Preis für die Absicherung des Webs bezahlen: "Wenn der PC nicht mehr im Zentrum des IT-Ökosystems sitzt, kommen die restriktivsten Aspekte der Appliances zum Vorschein ", prophezeit er. Letztendlich tausche der Nutzer somit Usability und Sicherheit gegen Innovationsfähigkeit ein. So hätten Bastler die Schlüsselinnovationen des Internet geschaffen, etwa kostenlose, Web-basierende E-Mails, Hosting-Services, Instant Messaging, Social Networking und Suchmaschinen. Diese Errungenschaften seien von Individuen oder Gruppen von Hobby-Tüftlern ins Leben gerufen worden - und nicht von führenden IT-Unternehmen. Der gleiche Trend zeichne sich im Content-Bereich ab, wo Internet-Nutzer inzwischen politische Kommentare, Musik- und Filmbeiträge selbst erstellen - zuvor war dies der Verlags-, Musik- und Filmindustrie vorbehalten. "Allgemein kann Produktivität auf technischer Ebene zu neuen Ausdrucksformen führen, zu denen dann auch Nicht-Programmierer beitragen, kulturell, politisch, sozial, wirtschaftlich und literarisch", schreibt Zittrain. All das sei bedroht, wenn es zu einer maßgeblichen Abriegelung der technischen Infrastruktur des Internets kommt.